Vom Klassenzimmer ins Silicon Valley: So gelingt der Austausch zwischen Schulen und Start-ups

Fotos der beiden Autoren und der Schriftzug "Schule trifft Start-up - Die Kolumne für digitale Bildung"

Warum wir alle eine Meinung zur Bildung haben

Fast jede Person hat eine Meinung zur Schule, denn die meisten von uns haben Jahre im Klassenzimmer verbracht und persönliche Erfahrungen gesammelt. Doch obwohl diese Erlebnisse uns prägen und einen Eindruck von Schule vermitteln, macht dies niemanden automatisch zum Experten für den heutigen Bildungsbereich. Schulen haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm verändert, und die Anforderungen an Lehrkräfte sind vielfältiger und anspruchsvoller geworden.

Die tatsächlichen Expert:innen im heutigen Bildungssystem sind die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte, die jeden Tag nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch immer mehr Verantwortung in der Erziehung und Integration übernehmen. In Zeiten, in denen globale Krisen wie Kriege und Fluchtbewegungen zunehmen und immer mehr Schüler:innen mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründen in deutschen Klassen sitzen, ist es umso wichtiger, dass die Klasse als Gemeinschaft funktioniert. Diese Aufgabe übernehmen neben den Lehrkräften auch Sozialarbeiter:innen und pädagogisches Personal, die die Schüler:innen dabei unterstützen, sich im Schulalltag zurechtzufinden und als Gruppe zusammenzuwachsen.

Die Rolle der Lehrkräfte im modernen Klassenzimmer

In einer zunehmend globalisierten und von Krisen geprägten Welt haben Lehrkräfte eine Schlüsselrolle. Sie müssen sich nicht nur um die Vermittlung von Lehrstoff kümmern, sondern auch als Bindeglied zwischen Kulturen und als soziale Stütze fungieren. Klassenräume sind heute oft multikulturell und divers, was einerseits eine Bereicherung darstellt, andererseits aber auch neue Herausforderungen mit sich bringt. Lehrkräfte werden immer stärker in Erziehungs- und Integrationsaufgaben eingebunden und müssen dabei mit begrenzten Ressourcen umgehen.

Die Anforderungen an Lehrkräfte sind daher immens gestiegen, was zur Folge hat, dass der Bedarf an Entlastung und Unterstützung zunimmt. Hier können neue Lösungen von Start-ups einen entscheidenden Beitrag leisten, allerdings nur, wenn diese Lösungen direkt auf die Bedürfnisse der Lehrkräfte eingehen und ihre alltäglichen Herausforderungen berücksichtigen.

Entlastung als Schlüssel für Innovation

Eine der größten Hürden für Innovation im Schulbereich ist der Mangel an Ressourcen – sei es personell, finanziell oder räumlich. Viele Schulen haben schlichtweg nicht die Mittel, um zusätzliche Angebote zu finanzieren oder neue Technologien umfangreich zu integrieren. Daher ist das Stichwort “Entlastung” von zentraler Bedeutung: Technologien und Lösungen, die Lehrkräfte unterstützen, müssen ihre Arbeitslast reduzieren, statt sie zu erhöhen.

Start-ups, die sich auf den Bildungsbereich konzentrieren, müssen daher intensiv mit Lehrkräften zusammenarbeiten, um zu verstehen, wo die tatsächlichen Engpässe liegen und wie sie mit digitalen oder organisatorischen Lösungen abgemildert werden können. Hierbei ist es entscheidend, nicht über, sondern mit dem Bildungssektor zu sprechen, um valide und umsetzbare Lösungen zu entwickeln.

Der richtige Austausch – Formate für Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Um diesen Dialog zwischen Schulen und Start-ups zu fördern, sind Formate nötig, die einen offenen Austausch ermöglichen. Ein Beispiel hierfür sind sogenannte Thementage, wie wir sie bei der Founders Foundation mit dem Thementag KI & Digitale Lösungen für die Schule bereits etablieren. Solche Veranstaltungen bringen Lehrkräfte, Start-ups und Bildungsexpert:innen an einen Tisch – oder besser gesagt: mehrere Tische – um gemeinsam über die dringendsten Fragen und Probleme zu sprechen.

Anders als bei klassischen Start-up-Veranstaltungen, bei denen Pitches im Vordergrund stehen, liegt der Fokus hier auf dem Austausch und der Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Dabei werden Diskussionsrunden im World Café-Format genutzt, um in kleinen Gruppen verschiedene Themen zu vertiefen und konkrete Lösungsansätze zu erarbeiten.

Exkurs: Was ist ein World Café?

Das World Café ist ein moderiertes Diskussionsformat, das darauf abzielt, in lockerer und informeller Atmosphäre tiefe Gespräche zu führen. Die Teilnehmenden verteilen sich an verschiedenen Tischen, an denen jeweils ein Thema besprochen wird. Nach einer bestimmten Zeit rotieren die Gruppen, sodass neue Perspektiven eingebracht und vielfältige Sichtweisen diskutiert werden können. Ziel ist es, dass alle Teilnehmenden ihre Ideen und Erfahrungen teilen und so gemeinsam innovative Lösungsansätze entwickeln.

Praktische Lösungsansätze statt Präsentationen

Bei solchen Thementagen geht es nicht darum, Start-up-Lösungen im klassischen Pitch-Format zu präsentieren. Vielmehr steht die Validierung der Bedürfnisse und Probleme von Lehrkräften im Vordergrund. Es ist essenziell, dass Start-ups und Schulen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und gemeinsam herausfinden, welche Technologien tatsächlich einen Mehrwert bieten und Entlastung schaffen. Diese Zusammenarbeit hilft dabei, Lösungen zu entwickeln, die nicht nur technisch funktionieren, sondern auch im Schulalltag einen echten Unterschied machen.

Realistische Erwartungen an die digitale Transformation

Es wäre illusorisch zu erwarten, dass jede Schule in Deutschland sofort zur “Digitalen Schule” wird und dass die Integration neuer Technologien reibungslos verläuft. Der Prozess der Digitalisierung ist komplex und verlangt Zeit, Ressourcen und eine offene Haltung von allen Beteiligten. Es geht nicht darum, dass sich Schulen sofort wie das Silicon Valley anfühlen, sondern darum, zukunftsorientierte und passende Lösungen zu finden, die sich Schritt für Schritt in den Schulalltag integrieren lassen.

Pilotprojekte wie das EdTech Next Modellprojekt zeigen, wie wichtig es ist, Erfahrungen zu sammeln und schrittweise vorzugehen. Schulen müssen die Möglichkeit haben, Lösungen gezielt auszuprobieren und dabei zu lernen, wie sie am besten eingesetzt werden können. Wenn diese Lösungen gut funktionieren, ist es das Ziel, ihre Nutzung so in den Schulalltag zu integrieren, dass sie zu einem festen Bestandteil der Lehre, des Lernens oder der Verwaltung werden – ein “Habitus”, der nicht mehr wegzudenken ist.

Wir müssen jetzt handeln, um nicht in der Vergangenheit stecken zu bleiben. Die Welt verändert sich rasant, und das deutsche Bildungssystem kann es sich nicht leisten, zu zögern. Weder Bürokratie noch staatliche Maßnahmen werden die Retter sein; der Impuls und die Initiative müssen aus den Schulen selbst kommen. Lehrkräfte, Schulleitungen und pädagogisches Personal sind diejenigen, die den Weg für eine moderne, digitale Bildung ebnen und den Wandel vorantreiben können. Start-ups bieten die Werkzeuge, aber es sind die Schulen, die diese aktiv nutzen und verankern müssen.

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Dennis Birkhölzer
Dennis Birkhölzer ist ein erfahrener Program Manager im Bereich EdTech und spezialisiert auf Startup-Inkubation, Coaching sowie Sales & Business Development. Mit einem MBA und umfangreicher Erfahrung in der Förderung von Innovationen und der Entwicklung internationaler Netzwerke unterstützt er Start-ups auf ihrem Weg zu nachhaltigem Wachstum.
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