Wie kann das sein: Der Zugang zur Hochschulbildung in Deutschland ist eigentlich für jede Person offen, doch die Realität zeigt, dass es deutliche Unterschiede in der sozialen Herkunft der Studierenden gibt – das Elternhaus spielt beim akademischen Werdegang der Kinder nach wie vor eine bedeutende Rolle. Die Unterschiede in den Zahlen von Studierenden aus Akademiker- und Arbeiterhaushalten sind schockierend: Fast 80 Prozent der Kinder aus Akademikerfamilien beginnen ein Studium, wohingegen sich nur 27 Prozent der Kinder ohne akademischen Hintergrund an ein Studium wagen. Dieser erheblicher Unterschied schlägt sich auch in den Studiumsabschlüssen nieder: Eine Studie der Bundeszentrale für politische Bildung hat 2021 herausgefunden, dass von 100 Akademikerkindern knapp die Hälfte einen Master absolvieren, wohingegen aus Arbeiterfamilien nur 11 Kinder den Masterabschluss erreichen. Das ist erschreckend und wirft Fragen auf: Warum macht der Großteil der Kids aus Arbeiterfamilien letztendlich keinen Studiumsabschluss? Und was können wir als Lehrkräfte machen, um genau diese Kinder abzuholen?
Eins von diesen 11 Nichtakademikerkindern ist Nadine. Nadine ist die erste in ihrer Familie, die studiert und kurz vor ihrem Masterabschluss steht. Die gesamte Studienzeit war geprägt von Herausforderungen, aber besonders deutlich hat sie den Studienanfang in Erinnerung: “Alles war komplett neu, ich wusste nicht, was ein Curriculum ist oder dass man nach einer Vorlesung akademisch applaudiert, hatte keine Ahnung, wie ich mich für Lehrveranstaltungen anmelde und fühlte mich im akademischen System maßlos überfordert!”. Studierende aus Akademikerhaushalten profitieren dagegen in den meisten Fällen oft von einem unsichtbaren Netz aus Privilegien: Eltern, die selbst studiert haben, können nicht nur mit praktischen Tipps bei einer besseren Studienvorbereitung helfen, sondern stellen häufig auch wertvolle Kontakte für die Praktika bereit.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das kulturelle Kapital, das Pierre Bourdieu als die Gesamtheit der intellektuellen, sozialen und kulturellen Fähigkeiten und Ressourcen definiert hat. Akademikerhaushalte fördern oft stärker kulturelle Aktivitäten und Lesegewohnheiten. Dies spiegelt sich meist in einem höheren Bildungshorizont wider, was wiederum den Kindern den Zugang zu akademischen Inhalten erheblich erleichtert und eine vertraute Umgebung für das Lernen und die persönliche Entwicklung schafft.
Für Studierende wie Nadine sieht die Situation oft anders aus. Viele von ihnen müssen neben dem Studium arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Doppelbelastungen aus Job und Studium kann nicht nur zu schlechteren akademischen Leistungen führen, sondern auch zu einer längeren Studiendauer. Die finanziellen Ressourcen für Studienmaterialien oder Auslandsaufenthalte sind häufig begrenzt, was ihre Bildungschancen weiter einschränkt.
Jetzt wird’s interessant: Was können wir konkret tun, um Kinder wie Nadine zu unterstützen? Zunächst ist es einmal wichtig, als Lehrperson sein Bewusstsein für die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Kids zu schärfen und Empathie dafür zu entwickeln. Weiters müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass wir als Lehrpersonen eine entscheidende Rolle zur Förderung der Chancengleichheit tragen. Studierende aus Arbeiterfamilien wie Nadine ziehen ein Studium oft nicht in Betracht, da es keine Vorbilder in der eigenen Familie gibt, die denselben Werdegang aufzeigen oder unterstützend wirken können. Hier kann man als Lehrperson wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen: Zum Beispiel über seine eigene Studienzeit berichten, Fragen dazu klären, mit der Klasse eine Uni besuchen oder Studieninformationsbroschüren bereitstellen.
Wie kann man die Hürde in die akademische Welt so klein wie möglich gestalten? Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Als Antwort auf die Frage haben wir “StudySpace“ gegründet – eine Lernplattform, die Kinder aus jeglichen Haushalten ans Lernen strategisch heranführt und sie dabei aber auch mental unterstützt. Uns liegt es besonders am Herzen, dass die Kinder schon früh mit einem gesunden Lernen in Kontakt treten, denn nur so werden auch wichtige Soft-Skills wie z.B. Selbstorganisation oder Selbstmotivation vermittelt, die fürs Studieren unerlässlich sind, zuhause aber oft nicht vermittelt werden. Wir möchten sowohl als Lehrerinnen als auch als Gründerinnen das Thema Chancengleichheit im universitären Kontext fördern und voranbringen, deshalb freuen wir uns besonders, wenn auch ihr eure Ideen und Anreize mit uns per Nachricht teilt! Wir sind gespannt!