Geleakte Chats in der Fördermittel-Affäre: Neuer Staatssekretär Roland Philippi unter Druck

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bei einer Rede an einem Pult

Geleakte Chats belegen, dass der neue Staatssekretär Roland Philippi, der jüngst von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (im Bild) nominiert wurde, die Entziehung von Fördermitteln kritischer Wissenschaftler befürwortet hat (Quelle: BMBF)

Berlin. Der neue Staatssekretär und Nachfolger von Sabine Döring im Bundesbildungsministerium (BMBF), Roland Philippi, soll Gegner kritischer Wissenschaftler:innen sein. Dies belegen interne Chats, die dem Spiegel vorliegen und neue Einblicke in die Fördermittel-Affäre geben.

Hintergrund ist der Umgang des BMBF mit einem offenen Brief von Hochschuldozenten zum Nahostkonflikt. Daraufhin soll sowohl eine Prüfung von Fördergeldern erfolgt, als auch eine Liste aller Unterzeichner:innen erstellt worden sein. Das Vorgehen sorgte für reichlich Kritik und Rücktrittsforderungen gegenüber Bildungsministerin Stark-Watzinger (FDP). Auch eine öffentliche Befragung im Bildungsausschuss ergab keine transparenten Einblicke über die Rolle der Ministerin bei der Fördermittel-Affäre. Diese entließ als Reaktion die Staatssekretärin, woraufhin Döring gegen das Bildungsministerium klagte, um sich künftig öffentlich äußern zu dürfen (Lehrer News berichtete). Erst vergangene Woche nominierte Stark-Watzinger ihren Vertrauten Roland Philippi als neuen Staatssekretär. In der Pressemitteilung war von einer hochqualifizierten Besetzung die Rede.

Auszüge interner Chatverläufe des Bildungsministeriums über den Messengerdienst Wire, die nun veröffentlicht wurden, weisen jedoch in eine andere Richtung. In der Gruppe namens “BMBF-Kommunikation” treffen die Ministerin, die beiden Staatsekretärinnen, zwei parlamentarische Staatssekretäre, der Kommunikationschef und der Pressesprecher regelmäßig interne Absprachen. 

Stark-Watzinger teilte am 9. Mai, zwei Tage nachdem das propalästinensische Protestcamp von der Polizei geräumt worden war, einen Post des Politikwissenschaftlers und Unterzeichners des offenen Briefs Ilyas Saliba in der Chatgruppe. Dieser wies auf der Plattform X darauf hin, dass die Wissenschaftler:innen eingeschüchtert seien und aus Angst vor Streichung ihrer Finanzierung ihre Unterschrift von dem offenen Brief zurückziehen. 

Stark-Watzinger kommentiert den Post in der Gruppe folgendermaßen: “Ist natürlich Quatsch, denn a) die Auswahl von Projekten erfolgt auf wissenschaftlicher Basis, b) die entscheide nicht ich und c) man kann nicht erwarten, dass man selbst alles sagen kann und dann keinen Gegenwind ertragen. Müssen nur aufpassen, dass hier kein Narrativ gesponnen wird. Denn jetzt ist die Schlusslinie klar”. Nur wenige Minuten später meldete sich auch Philippi in der Gruppe zu Wort: “Persönliche Meinung: Wenn sich dadurch eine Art informelle, ›freiwillige‹ und selbst auferlegte Antisemitismus-Klausel für unsere Förderung bei so manchen, verwirrten Gestalten etabliert (bspw so einen Aufruf nun mal eben nicht zu unterzeichnen wg Sorge um die Förderung), hätte ich jetzt ad hoc nix gegen…”. Stark-Watzinger unterband die Diskussion in der Gruppe nicht. Zwei Tage nach diesem Chatverlauf wurde im Ministerium die Liste der Unterzeichner:innen des offenen Briefs beauftragt.

Der Journalist Arne Semsrott hat als Reaktion auf die veröffentlichten Chatverläufe einen Eilantrag beim Kölner Verwaltungsgericht eingereicht, um deren Löschung auf Wire zu verhindern. Mit Erfolg: Bis zum Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens darf das Ministerium die Chatnachrichten nicht löschen. Semsrott hatte bereits Mitte Mai auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) die Herausgabe interner Kommunikationsabläufe des Bundesbildungsministeriums (BMBF) eingefordert, um weitere Hinweise zur Fördermittel-Affäre zu erhalten. Nach der Veröffentlichung der internen E-Mails auf der Plattform “FragDenStaat“ stellte sich heraus, dass nicht nur förderrechtliche Konsequenzen für die Hochschullehrenden geprüft wurden, sondern auch eine Liste erstellt wurde, auf der alle Wissenschaftler:innen verzeichnet sind, die den offenen Brief unterschrieben und Fördermittel erhalten hatten (Lehrer News berichtete).

Semsrott stellt klar, dass die Chatverläufe über Wire im Zuge der IFG-Anfrage ebenfalls vom Ministerium hätten bereitgestellt werden müssen, da sie Aufschluss über die Fördermittel-Affäre geben. Zudem betont er, dass eine absichtliche Verlagerung der Kommunikation auf die Plattform Wire, um sie nicht verakten zu müssen, eine Missachtung der Transparenzpflicht und Verwaltungsvorschriften darstellt. 

Die Rolle von Stark-Watzinger bleibt weiterhin unklar. Es zeigt sich jedoch, dass der neue Staatssekretär die Lage im Bildungsministerium nicht beruhigen wird. Die Ministerin jedoch scheint sich nach wie vor keiner Schuld bewusst zu sein. Das Handelsblatt führte ein Interview mit Stark-Watzinger, in dem auch die entlassene Staatssekretärin Döring thematisiert wurde. Auf die Frage, warum sie es nicht zulasse, dass sich Döring zur Fördermittel-Affäre äußern dürfe und somit die Geheimniskrämerei befeuere, antwortete sie: “Wir haben Transparenz über die Abläufe im Ministerium hergestellt. Ich habe mich dazu ausführlich im Ausschuss und in der Regierungsbefragung geäußert. Das war mir wichtig, weil mir die Wissenschaftsfreiheit wichtig ist”. Auf die anschließende Frage, ob sie selbst Fehler gemacht habe, entgegnete die Ministerin: “Mir war wichtig, erst aufzuklären und mich dann zu äußern”. Ilyas Saliba kommentierte dies auf X mit den Worten: “Aufklärung à la Stark-Watzinger”. In Anbetracht der Enthüllungen und der anhaltenden Unklarheiten bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt und ob die Forderungen nach Transparenz und Aufklärung letztlich erfüllt werden.

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