Geschlechtsneutrale Toiletten an Schulen sind Anlass für viele Debatten. (Quelle: Creative Commons / EMsmile)
Also, wo geht's hier zur Toilette? Eine scheinbar einfache Frage, aber für manche ist die Antwort alles andere als klar. Auch die Stadt Hannover beschäftigt diese Frage: Vier der 31 Schulen in der Trägerschaft der Verwaltung haben geschlechtsneutrale Toiletten (Stand 2022). Dabei gibt es keine einheitlichen Vorgaben. "Soweit ein Bedarf an Gender-Toiletten entsteht, werden vorhandene Räumlichkeiten umgebaut beziehungsweise umgewidmet", äußerte sich die Region. Diese Entwicklung steht im Kontext einer breiteren Diskussion über Inklusion, Gleichberechtigung und des Respekts für die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten. Geschlechtsneutrale Toiletten, auch als genderneutrale oder unisex Toiletten bekannt, sind eine Antwort auf die Bedürfnisse von Schüler:innen und Lehrer:innen, die sich nicht in das traditionelle binäre Geschlechtssystem einordnen möchten oder können. Die Pro und Contra Argumente zur Debatte um geschlechtsneutrale Toiletten haben wir uns bereits in diesem Artikel angesehen.
Im Bundesland Niedersachsen gewinnen geschlechtsneutrale Toiletten an Schulen zunehmend an Bedeutung. Während sie noch nicht flächendeckend eingeführt sind, werden sie in einigen Regionen bereits als Antwort auf die Bedürfnisse von Schüler:innen, die sich weder als männlich noch als weiblich identifizieren, angeboten. Es gibt noch keine einheitlichen Vorgaben. Insbesondere im Landkreis Harburg sollen Unisex-Toiletten bei Schulneubauten zur Regel werden, auch andere Kreise erwägen ähnliche Maßnahmen. „Die Stadt Hannover verfolgt das Ziel, bei allen Neubauten und größeren Sanierungsvorhaben grundsätzlich nur noch geschlechterneutrale WC-Anlagen zu errichten. Bei den laufenden Planungen wird dies bereits berücksichtigt“, so die Pressesprecherin der Stadt Hannover, Susanne Stroppe, auf Nachfrage von Lehrer News.
Die Anfragen nach geschlechtsneutralen Toiletten nehmen von Seiten der Schüler:innen zu. Niedersachsens Kultusministerin, Julia Willie Hamburg (Grüne), unterstützt die Initiative: „Wenn die Wünsche und Bedarfe vor Ort entsprechend sind, dann wollen wir das auch ermöglichen“. Schulen, die geschlechtsneutrale Toiletten einführen wollen, werden dabei von der Stadt Hannover „beraten und unterstützt“, äußerte sich Stroppe. „Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten werden Umsetzungsmaßnahmen geprüft und durchgeführt.“ Diese Unterstützung kommt dabei aus verschiedenen Bereichen: „dem Gleichstellungsbüro — Referat für Frauen und Gleichstellung, Gleichstellungsbeauftragte und von den Beauftragten für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“, so Stroppe. Allerdings gebe es in einigen Kreisen wenig Interesse an der Einführung von Unisex-Toiletten.
Ein weiteres Projekt, das parallel dazu läuft, ist die Bereitstellung kostenloser Hygieneartikel, das in vielen Städten und Kreisen positiv aufgenommen wird. Dazu wird nach einer einheitlichen Regelung gesucht, um die Produkte für die Schüler:innen verfügbar zu machen. Sie werden in den WC-Räumen kostenlos ausgelegt oder über Automaten bereitgestellt. Eine andere Möglichkeit, die einige Schulen anbieten, ist die Möglichkeit, Hygieneartikel an bestimmten Ausgabestellen, etwa im Sekretariat oder bei Sozialarbeiter:innen, zu erhalten.
Auch andere Städte führten in den letzten Jahren Unisex-Toiletten in Schulen ein. In Darmstadt wurden geschlechtsneutrale Toiletten errichtet, nachdem die Stadtverordneten in einer Sitzung beschlossen haben, das Konzept an drei bis fünf Schulen versuchsweise umzusetzen. Dieses Konzept umfasst auch inklusive Schultoiletten sowie kostenfreie Hygieneartikel an Schulen. „Unhygienische Zustände, Schmierereien und Vandalismus an Schultoiletten haben wohl schon alle erlebt“, meint Schuldezernent Holger Klötzner (Volt). Unisex-Toiletten sollen dafür eine Lösung darstellen. Klötzner hebt außerdem hervor, dass diese Pilotprojekte eine neue Haltung zu Schultoiletten etablieren sollen, die als Blaupause für andere Schulen dienen können. In die Planung werden Schulleitungen, Elternvertretungen und der Stadtschüler:innenrat einbezogen, um Diskriminierungen zu beenden und Schultoiletten auf Unisex auszulegen.
Auf der anderen Seite wird betont, dass Toiletten auch Rückzugs- und Schutzräume sind, insbesondere für Menschen mit Menstruation. Das Frauenbüro schlägt vor, sowohl Unisextoiletten als auch getrennte Männer- und Frauentoiletten einzurichten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Aufgrund von Beschädigungen bei Pilotprojekten im Vorjahr mit Hygieneautomaten sollen individuelle Lösungen für die Bereitstellung von Hygieneartikeln gefunden werden.
Auch an der Sägefeldschule in Ulm wurde eine wegweisende Maßnahme umgesetzt: Statt getrennter Toiletten für Jungen und Mädchen gibt es nun eine gemeinsame Toilette für alle älteren Schüler:innen. Die Entscheidung wurde getroffen, nachdem der Zustand der bisherigen Schultoiletten als desolat beschrieben wurde. Die Einführung einer "Toilette für alle" sollte auch hier Lösungen für Probleme wie Beschädigungen und Vandalismus bieten. Die neu gestaltete Toilette verfügt ausschließlich über Kabinen. Die Waschbecken sind durch die bodentiefen Fenster gut einsehbar und die Toiletten wurden mit einem digitalen Zugangssystem ausgestattet, durch das Schüler:innen außerhalb der Pausen nur mit einem Chip Zugang zu den Toiletten haben.
Trotz anfänglicher Bedenken haben sich Schüler:innen und Lehrkräfte schnell an die neue Regelung gewöhnt und schätzen die verbesserte Ausstattung. Michael Mittelstaedt, Vorsitzender des Landeselternbeirats in Baden-Württemberg, sieht in Unisex-Toiletten einen „pragmatischen und wirtschaftlichen Ansatz“.
Geschlechtsneutrale Toiletten sind in Deutschland noch nicht weit verbreitet, aber es gibt zunehmende Forderungen nach ihrer Einführung. Cornelia Euchner, Schulleiterin der Sägefeldschule, ist überzeugt, dass sich die Gesellschaft in Richtung einer Toilette für alle entwickelt und betont, dass ihre Schule hier bereits Vorreiter ist.
Gibt es an eurer Schule geschlechtsneutrale Toiletten? Wie steht ihr dazu?