Heftige Kritik an Pisa-Chef: Äußerungen über Lehrkräfte sorgen für Aufruhr

Von
Jonas Schneider
|
23
.
January 2024
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Andreas Schleifer während einer Präsentation

OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleifer polarisiert mit seinen Äußerungen zu deutschen Lehrkräften. (Quelle: Wikimedia Commons)

Mit harten Worten hat Prof. Andreas Schleicher die deutschen Lehrkräfte für die schlechten Pisa-Ergebnisse verantwortlich gemacht. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung (StZ) bemängelt der Bildungsdirektor der OECD die Haltung der Lehrer:innen, welche “in keinem anderen Job akzeptiert” würde. Seine provokanten Äußerungen sorgten in den vergangenen Tagen für große Aufregung und riefen harsche Kritik von den Verbänden hervor.

Pisa-Chef hat kein Verständnis für Lehrkräfte

Vergangenen Freitag hat die StZ ihr Interview mit dem Pisa-Chef veröffentlicht. Vor allem seine Aussagen zu den Lehrer:innen schlugen in der Folge hohe Wellen. Er habe “wenig Verständnis für Lehrer, die nur darauf pochen, dass sie überlastet seien“, sagte er und verwies auf eine sehr gute Bezahlung im internationalen Vergleich. “Lehrkräfte können sich nicht einfach darauf zurückziehen, dass sie viel zu tun haben”, fordert Schleicher mehr Engagement ein und unterstellte Lehrer:innen die Ausrede, dass diese sich “deshalb nicht gemeinsam mit Kollegen treffen könnten, um bessere Unterrichtskonzepte zu entwickeln“. Außerdem kritisierte er die gesamte Berufsgruppe für ihre Einstellung: „Zu viele Lehrer sehen sich in erster Linie als Befehlsempfänger, die im Klassenzimmer statisch einen Lehrplan abarbeiten müssen.“

Zwar sehe er viel Verbesserungsbedarf im Arbeitsalltag der Lehrer:innen und sei dafür, deren Zeit “anders zu organisieren und sie insbesondere von Verwaltungsaufgaben zu entlasten”. Doch zeigt sich in dem Interview auch ein verklärtes Bild von der Berufsrealität , wenn Schleicher davon erzählt, wie “ein guter Lehrer” auch den Eltern als Bezugsperson zur Seite stehen müsse: “Er kennt die Eltern und besucht sie, wenn nötig, zu Hause.”

Verbände kritisieren “Lehrerbashing” und “Ratschläge aus dem Elfenbeinturm”

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, zeigte sich gegenüber dem Spiegel verärgert darüber, dass der Pisa-Chef die Realität des Schulalltags in Deutschland derart verkenne. “Das sind schöne, nette Gedanken”, sagt Düll gegenüber dem Magazin und erklärt: “Lehrer betreuen meist aber mehrere Klassen. Wenn die Klassen kleiner sind, kann man das vielleicht machen”. Der Verbandspräsident kritisiert die destruktive Haltung Schleichers. “Das ist Lehrerbashing, das führt uns nicht weiter", mahnte er und verglich “die Mär von den wehleidigen Lehrkräften” mit “Stammtischparolen”.

Ins gleiche Horn bläst auch der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, indem er sich zynisch “bei Andreas Schleicher für die weisen Worte und Ratschläge aus dem Elfenbeinturm” bedankt. Mit seinen Äußerungen leiste dieser “dem Berufsbild einen absoluten Bärendienst”. Brand forderte ihn daher auf, “über seinen Tellerrand hinauszuschauen und sich mit Belastungsstudien von Lehrkräften zu befassen, die wissenschaftlich fundiert zu völlig anderen Aussagen kommen”. 

Darauf verweist auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die sich ebenfalls zu einer Reaktion auf das Interview verpflichtet sah. „Wer ausblendet, dass in Deutschland der größte Lehrkräftemangel in der Geschichte herrscht, der die Lehrerinnen und Lehrer seit Jahren ans Belastungslimit bringt und die notwendigen Reformen blockiert, argumentiert nicht seriös”, sagte die Gewerkschaftsvorsitzende Maike Finnen mit Verweis auf die “Arbeitszeit- und Belastungsstudien", die “belegen, dass der Lehrberuf extrem herausfordernd ist”. Attraktive Arbeitsbedingungen seien wichtig, um dem größten Lehrkräftemangel in der Geschichte zu begegnen, erklärt sie in der Pressemitteilung der GEW. Schleichers Aussagen hingegen bezeichnet Finnen als “kontraproduktiv”, da diese “am Alltag der Lehrkräfte völlig vorbei” gingen. Es sei realitätsfern “jetzt Lehrkräfte-Bashig zu betreiben” und “diejenigen zum Buhmann” zu machen, die “wichtige Motoren” seien, wenn es darum gehe, Deutschlands Schulsystem zu entwickeln.

Schleicher versuchte zwar auch, sich mit einem konstruktiven Appell an die Lehrkräfte zu richten: „Machen Sie sich auf den Weg! Schauen Sie nicht nach oben, sondern im Lehrerzimmer direkt zur Kollegin oder zum Kollegen neben sich. Lehrer können gemeinsam an Schulen viel zum Guten verändern. Dafür braucht es keinen Erlass aus dem Kultusministerium“. Dieser positiv formulierte Ansatz dürfte jedoch zwischen all seinen provokanten Aussagen untergehen. Es scheint schwer vorstellbar, dass er mit seiner im Interview gezeigten Haltung und Wortwahl bei den Lehrkräften überhaupt Gehör findet.

Was haltet ihr von den Aussagen des Pisa-Chefs? Schreibt uns dazu gerne eure Meinung in die Kommentare.

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