Berlin. Deutsche Viertklässler:innen lesen laut den Ergebnissen der vergangene Woche erschienenen IGLU-Studie 2021 immer schlechter. Die Internationale Grundschul-Leseuntersuchung ergab, dass 25 Prozent der partizipierenden Kinder aus Deutschland nicht den international festgelegten Mindeststandard erreichten. Die Gründe dafür entstammen nicht ausschließlich der Corona-Pandemie.
Hierzulande nahmen 4611 Kinder, aufgeteilt auf 250 Schulen, an dem Test im Frühjahr vor zwei Jahren teil und erreichten ein durchschnittliches Ergebnis von 524 Punkten. Verglichen mit den anderen 64 teilnehmenden Staaten und Regionen befindet sich Deutschland damit nur im internationalen Mittelfeld. Am besten konnte der Stadtstaat Singapur mit einem durchschnittlichen Ergebnis von 587 Punkten abschneiden, während die Republik Südafrika mit 288 Punkten das schlechteste Ergebnis verzeichnete.
524 Punkte sind außerdem ein Beleg für den bereits bekannten Trend, dass die Lesekompetenz in der Bundesrepublik seit der Ersterhebung 2001 sinkt. Mit Unterschreitung der 537 Punkte aus der Studie 2016 hat sich das deutsche Resultat nun das dritte Mal in Folge verschlechtert und ist damit auf einem historischen Tief. Auffällig bei der Betrachtung des deutschen Ergebnisses im Vergleich zur Ersterhebung der Studie im Jahr 2001 ist, dass es große Abweichungen zwischen den einzelnen Schüler:innen gibt. So liegen teilweise bis zu 77 Punkte zwischen den einzelnen Kindern. 2001 waren es maximal 67 Punkte. Konkret heißt das, dass ein Viertel der Kinder in Deutschland den international festgelegten Lesemindeststandard verfehlt. Dabei ist besonders der Unterschied zu 2016 frappierend, als nur 18,9 – und nicht 25,4 – Prozent dieses Mindestniveau nicht erreichen konnten. Nele McElvany, Studienleiterin für Deutschland, begründet diesen Rückgang nicht mit der gestiegenen ethnischen Heterogenität der Klassen per se, sondern mit dem sozialen Status der Familien. Indikatoren wie Buchbesitz, Bildungsabschluss und Beruf der Eltern sind von größerer Bedeutung. Bei dem deutschen Testergebnis wirkt es sich zwar auf die Leistungen der Kinder aus, wenn die zuhause gesprochene Sprache nicht Deutsch ist, jedoch ist diese Bedingung nicht zwangsläufig ursächlich für ein schwächeres Ergebnis. Italien und Polen zeigen beispielsweise, dass die Ergebnisse bei Kindern, auf die das zutrifft, bedeutend dichter an denen sein können, die monolingual mit der Testsprache aufwachsen.
Trendwende gefordert: Reaktion aus Politik und Verbänden
Aufgrund des ernüchternden Ergebnisses meldeten sich in den vergangenen Tagen viele Stimmen aus Politik und dem erweiterten Bildungssektor zu Wort.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sprach davon, dass „eine bildungspolitische Trendwende benötigt wird, damit es mit den Leistungen unserer Kinder und Jugendlichen wieder bergauf geht.“ „Gut lesen zu können, ist eine der wichtigsten Grundkompetenzen und das Fundament für Bildungserfolg“, ergänzte sie.
Und auch die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und neue Bildungssenatorin von Berlin, Katharina Günther-Wünsch (CDU), bereitet das Ergebnis große Sorge. Es geht um „gesellschaftliche Teilhabe“ und darum „Kindern und Jugendlichen einen erfolgreichen Bildungsabschluss und somit einen erfolgreichen Start in das berufliche Leben zu ermöglichen.“ Daher sei es jetzt wichtig „gemeinsam nach schnellen, wirksamen und nachhaltigen Lösungen zu suchen“.
Susanne Lin-Kitzing, Bundesvorsitzende des deutschen Philologenverbandes, reagiert ebenfalls alarmiert auf die Ergebnisse der IGLU-Studie und fordert „durchgängig konsequent zu fördern und zu fordern“, um nicht langfristig auch den „Wirtschaftsstandort Deutschland zu gefährden“.
Der Grundschulverband sieht die Probleme beim Lehrkräftemangel und wünscht sich eine bessere Personalsituation, orientiert am Vorbild vergleichbarer, westlicher Industrienationen.