Revolution des Unterrichts? Wie andere Länder mit KI in Schulen umgehen

Von
Katalin Gébl
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September 2023
|
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Welchen Stellenwert hat KI im Unterricht anderer Schulen weltweit? (Quelle: Canva)

Künstliche Intelligenz (KI) ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken: Sie steckt in unseren Smartphones, entsperrt sie mit Gesichtserkennung und hilft dabei, Sprachen zu verstehen, schlägt uns auf Social Media neue passende Beiträge vor und ist in Form von Alexa oder Google Home bereits in viele private Haushalte eingezogen. Während KI also bereits in vielen Lebensbereichen für Erleichterung sorgt, wird ihr Einsatz im deutschen Schulwesen seit mehreren Jahren massiv diskutiert: Handelt es sich hierbei um eine Erleichterung im Unterricht oder um eine Gefahr für den Lehrberuf? Diese Frage beschäftigt sowohl das deutsche als auch viele andere Ministerien weltweit. Dabei ist KI schon längst in vielen anderen Schulen der Welt ein fester Bestandteil geworden und aus diesem System nicht mehr wegzudenken. Wie gehen sie mit der Technologie um, wo kommt sie im Unterricht zum Einsatz und welche Vor- und Nachteile hat sie? Lehrer-News geht diesen Fragen in diesem Artikel genauer nach.

Eine Bedrohung der Arbeitsplätze oder doch eine Unterstützung im Unterricht?

Auf EU-Ebene gibt es die Bemühungen, der bestehenden Skepsis und fehlenden Einheitlichkeit im Umgang mit KI entgegenzuwirken. In diesem Sinne hat die Europäische Kommission letztes Jahr im Oktober ethische Leitlinien zur Nutzung Künstlicher Intelligenz in Schulen veröffentlicht. Die Leitlinien sind Teil des Aktionsplans für digitale Bildung (2021-2027) und wurden von einer Gruppe von Expert:innen der Kommission zusammengestellt. Sie sollen über den Einsatz von KI aufklären und wie genau er umgesetzt werden kann, um Lehrkräfte und Schüler:innen beim Lehren und Lernen zu unterstützen. Mit diesem Schritt reagiert die Europäische Kommission auf die rasanten Entwicklungen KI-Sektor und deren Auswirkungen auf die allgemeine und berufliche Bildung: Lernende und Lehrkräfte müssen über ein grundlegendes Verständnis von KI und Datennutzung verfügen, um positiv, kritisch und ethisch mit dieser Technologie umgehen und ihr Potenzial ausschöpfen zu können. 

“Künstliche Intelligenz hat ein enormes Potenzial, um die allgemeine und berufliche Bildung für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und weiteres Schulpersonal neu zu gestalten. Sie kann Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten helfen und Lehrkräfte durch die Individualisierung des Lernens unterstützen. Der Einsatz von KI und Daten birgt jedoch Risiken für die Privatsphäre und die Sicherheit, insbesondere für unsere jungen Menschen. Ich freue mich daher, dass die Leitlinien dazu beitragen werden, diese Risiken zu berücksichtigen und den Schutz und die Sicherheit unserer Kinder zu gewährleisten,” ermutigt Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend. Dementsprechend klären die Leitlinien über weit verbreitete Fehleinschätzungen und Ängste bezüglich KI auf und geben Lehrkräften sowie Schulleitungen praktische Ratschläge über die sinnvolle Nutzung der Technologie. Davon sollen Länder und Schulen in Zukunft unabhängig von ihren Erfahrungen in der digitalen Bildung profitieren.

Der Einsatz KI in Finnland: Die Vorreiter im Norden

In Sachen Digitalisierung und  Förderung von KI gehört Finnland zu den Vorreitern in Europa. 2018 hat die Universität Helsinki unter der Anleitung des finnischen Informatikprofessors Teemu Roos und in Zusammenarbeit mit der Technologie-Firma Reaktor den Online-Kurs “Elements of AI” entwickelt. Der Kurs richtet sich an die finnische Bevölkerung und bietet einen freien und leichten Zugang zu KI, indem deren Grundlagen in einem Zeitraum von sechs Wochen in sechs Lektionen spielerisch vermittelt werden. Ziel dabei ist es, vielen Teilen der Gesellschaft die Angst vor diesen technologischen Entwicklungen zu nehmen, die in Zukunft immer wichtiger werden, sei es im Alltag, der Arbeit oder auch der Schule. Zudem ist der Kurs kostenlos, ist auf Finnisch und Englisch verfügbar und wird somit auch anderen Ländern zur Verfügung gestellt. So wird dieser Kurs bereits in Luxemburg als Weiterbildungsformat genutzt und begleitend durch eine Supportgruppe für Lehrkräfte erweitert, in denen die Inhalte diskutiert und für Bildungseinheiten aufgeschlüsselt werden.

Auch im Einsatz von KI an Schulen geht Finnland als großes Vorbild voran: Während der Einsatz von Tablets an den Schulen schon vor einiger Zeit zum Standard geworden ist, werden Schüler:innen an einigen Schulen zusätzlich von humanoiden Robotern im Sprachunterricht unterstützt. Der Roboter kommt in der Erwachsenenbildung und in Grundschulen für den Englisch-Unterricht zum Einsatz und spricht neben Finnisch 22 weitere Sprachen. Ein großer Vorteil des Roboters namens Elias: Er spricht akzentfrei, nicht zu schnell und wiederholt Sätze mit viel Geduld, wenn ihn sein Gegenüber nicht verstanden hat. Entwickelt wurde das Roboterprojekt von Johanna Hemminki und ihrem Tech-Startup „Utelias“, während das laufende Projekt in den Schulen von Forschenden der Universität Tampere begleitet wird. 

Der Roboter Elias im Einsatz (Quelle: Elias Robot)

Dabei hat der Einsatz des Roboters im Sprachunterricht sowohl für Schüler:innen als auch Lehrkräfte einige Vorteile und wirkt sich positiv auf die Stimmung in der Klasse aus. Schüler:innen würde es besonders gut gefallen, dass sich der Roboter vollkommen auf sie konzentriere, keine Emotionen in die Lerneinheiten einfließen lasse und das Lernen somit sehr effektiv mache. Der individuelle Lernprozess der Schüler:innen steht hier im Fokus. Hemminki, die selbst als Lehrerin gearbeitet hat, schätzt die Wirkung des Roboters im Unterricht als Lern-Tool ebenfalls positiv ein: “Viele haben Angst Fehler zu machen, und genau diese Angst nimmt einem der Roboter, weil er nicht bewertet, nicht bestraft. Er ist neutral. Und das schafft beim Lernenden eine Sicherheit, die ganz wichtig ist für den Lernerfolg. Denn wer sich sicher fühlt, keinen Stress hat, lernt besser.“ Tatsächlich lernen die Schüler:innen laut Ergebnissen der Uni Tampere mit dem Roboter besser – besonders während Vokabel- und Gesprächsübungen werde diszipliniert und mit viel Interesse gearbeitet. Trotz dieser positiven Auswirkungen kann der Roboter die Leistungen einer Lehrkraft im Unterricht nicht ersetzen. Vielmehr würden beide Parteien im Team miteinander arbeiten, während die Lehrkraft die Kontrolle über den Einsatz des Roboters als Assistent im Unterricht hat.

Revolution des Lernens: KI als Nachhilfelehrer in den USA

In den USA haben die Entwicklung und der Einsatz von KI nach einem aktualisierten Strategieplan der Regierung eine hohe nationale Priorität, was auch dem Bildungssektor zugutekommt und weiter vorangetrieben werden soll. In vielen Schulprojekten werden die Chancen von KI gesehen und den Lernenden nähergebracht. Ein Studienprojekt der North Carolina State University lässt beispielsweise Highschool-Schüler:innen bewusst mit KI experimentieren. Auf diese Weise soll die junge Generation, die in eine durch KI geprägte Welt hineinwächst, einen bewussten Umgang mit dieser Technologie erlernen, indem sie mit deren Potenzial und Herausforderungen vertraut gemacht werden: “Wir wollen, dass die Schüler:innen von klein auf die Blackbox öffnen, damit sie keine Angst vor KI haben”, so die Hauptautorin der Studie, Shiyan Jiang, die die Jugendlichen gut auf die künftige Arbeitswelt vorbereiten möchte. Denn KI wird die Gesellschaft in Zukunft verändern, warum also sollte man ihr aus dem Weg gehen? Umgesetzt haben die beteiligten Wissenschaftler:innen der Universität ihr Vorhaben durch die Entwicklung eines Computerprogramms namens “StoryQ”. Mit diesem Programm können die Schüler:innen eigene Projekte erstellen, die durch maschinelles Lernen gestützt sind. Begleitet werden sie dabei von geschulten Lehrer:innen im Unterricht.

Ein Anwendungsbeispiel des “Khanmigo” Lernportals (Quelle: khanacademy)

Welche Möglichkeiten der Einsatz von KI in der Schule für die individuellen Lernprozesse der Schüler:innen bietet, zeigt das private und kostenlose Lernportal “Khanmigo” der Khan Academy: Hier werden Schüler:innen durch die ChatGPT-basierte Software KI-Helfer bereitgestellt, die sie bei Rechenaufgaben, Aufsätzen oder auch beim Programmieren begleiten und Hilfestellung leisten. In einem Vortrag, den der Gründer Salman Khan kürzlich gegeben hat, beschreibt er beispielhafte Leistungen seines Lernportals, in denen die KI-Helfer Schüler:innen nicht nur auf falsche Rechenergebnisse aufmerksam machen, sondern auch bereits die Hintergründe der Rechenfehler erahnen und die Schüler:innen nach ihren Beweggründen danach fragen. Hier bleiben die Helfer in der Rolle der Helfer und geben ausschließlich unterstützende Hinweise, aber keine Lösungen. „KI kann jedem Schüler einen persönlichen Tutor und jedem Lehrer einen persönlichen Assistenten bieten“, schlussfolgert Salman Khan über die positiven Funktionen des KI-Lernportals. Im Endeffekt könne die KI als Nachhilfelehrer dabei helfen, aus einem durchschnittlichen Schüler einen außergewöhnlichen zu machen, und aus einem unterdurchschnittlichen einen überdurchschnittlichen.

KI als fester Bestandteil in chinesischen Schulen

Im Vergleich zu den Entwicklungen in Europa und den USA ist China in Sachen KI in der Schule um einiges weiter: Die Künstliche Intelligenz kommt hier bereits in großem Stil zum Einsatz und ist mitunter seit mehreren Jahren ein fester Bestandteil in Schulen geworden. In China werden an manchen Schulen beispielsweise die unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten von Schüler:innen durch Algorithmen und Datenanalysen erfasst. Ein populäres Programm hierfür ist “Squirrel AI Learning” eines chinesischen Herstellers, nach dessen Angaben die Software bereits an über 1.700 Schulen in rund 200 chinesischen Städten eingesetzt wird. Das Konzept des Programms besteht darin, dass sich Schüler:innen Wissenspunkte am Bildschirm verdienen können, woraus ein individuelles Lernprofil mit Stärken und Schwächen erstellt wird. Bei der weiteren Nutzung lernt das Programm mit und verfeinert die einzelnen Profile. So sollen möglichst detaillierte Konzepte für den Unterricht erstellt und Lernlücken gezielt geschlossen werden.

In China wird sogar über die Nutzung von KI-generierten Lernprogrammen hinausgegangen: In anderen Schulen des Landes, wie der Oberschule in Hangzhou, wird der gesamte Ablauf in der Schule über Kameraüberwachung mit KI organisiert: Die Gesichtserkennung von Schüler:innen ersetzt hier die Mensa-Karte oder den Bibliotheksausweis, indem alle Daten zentral gespeichert und über die Gesichtserkennung zugeordnet werden. Gleichzeitig werden sie von intelligenten Kameras gefilmt, die im Klassenraum angebracht sind und das Verhalten der Schüler:innen erfassen, sammeln und analysieren. Das soll genaue Aufschlüsse darüber geben, wie oft die Kinder und Jugendlichen beispielsweise gähnen oder ob sie heimlich auf ihr Handy schauen. Schließlich erhalten Lehrkräfte anhand dieser Analyse einen genauen Überblick über ihren Unterricht und wie dieser bei den Schüler:innen ankommt. Auch den Schüler:innen selbst sollen diese Aufzeichnungen als Rückmeldung dienen, um sich besonders in den Fächern mehr anzustrengen, in denen es ‘nicht so gut’ läuft. Ein weiteres Konzept ist der Einsatz von Stirnbändern, das in einigen Schulen getestet wurde: Die Schüler:innen tragen die Bänder während des Unterrichts, damit diese ihre Aufmerksamkeit messen und ähnliche Schlüsse ziehen. 

KI hat viel Potenzial für Lehrkräfte und Lernende

Mit dem Einsatz von KI ergeben sich für Schulen nahezu grenzenlose Möglichkeiten, die Schüler:innen in ihren individuellen Lernprozessen zu unterstützen. Dass es dabei aber durchaus Grenzen benötigt, zeigt das Beispiel China: Die Überwachung der Schüler:innen durch diese Technologie zeigt sehr anschaulich, dass KI durchaus über das Potenzial verfügt, “gläserne” Schüler:innen zu schaffen, deren Leistungen, aber auch Verhaltensweisen bis ins kleinste Detail transparent gemacht werden. Zudem werfen die Möglichkeit zur engmaschischen Überwachung von Schüler:innen und der Abgleich mit anderen Daten ein akzentuiertes ethisches Problem auf. Umso wichtiger sind einheitliche Regelungen des Datenschutzes und der Datennutzung, um die Lernenden zu schützen – Fragen und Probleme, mit denen sich auch in Europa und in Deutschland in Zukunft auseinandergesetzt werden muss.

Die Möglichkeiten von KI zeigen aber auch, welches Potenzial entsprechende Programme und Lern-Tools haben, sich auf die individuellen Bedürfnisse und Probleme der Schüler:innen beim Lernen zu fokussieren. Kein Mensch lernt gleich, woran die KI ansetzt und Lösungsangebote liefert, die in Finnland, den USA und China als Beispiele durchaus erfolgreich zum Einsatz kommen. Gleichzeitig werden die Schüler:innen auf diese Weise mit dem Umgang mit KI vertraut gemacht und lernen, wie sie sich diese Technologie selbst zunutze machen können – eine Fähigkeit, die in Zukunft immer wichtiger werden wird. Dabei zeigt sich auch, dass KI in Form dieser interaktiven Lernplattformen oder eines Roboters keinesfalls eine Lehrkraft ersetzen kann und soll. Vielmehr geht es hier darum, ihre Arbeit zu unterstützen, mehr Raum für ihre eigentliche Aufgabe zu schaffen und diese in den Vordergrund zu rücken: das Lehren.

Habt ihr schon Erfahrungen mit KI im Unterricht gemacht oder könnt ihr euch vorstellen, dass diese bei euch zum Einsatz kommt? Teilt uns eure Gedanken hierzu gerne mit.

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