Smartphones an Schulen: Lehrerverband plädiert für bewussten Umgang

Roségoldenes Smartphone liegt auch einem Terminplaner in der Nähe einer Smartwatch auf einem Schreibtisch

Smartphones sind auch während des Unterrichts ein treuer Begleiter für Kinder und Jugendliche. Die Debatte über ein mögliches Verbot an Schulen geht in Deutschland weiter (Quelle: Unsplash)

Berlin. In einer zunehmend digitalisierten Welt sind Smartphones zu einem unverzichtbaren Begleiter geworden, auch für Schüler:innen. Doch der Einsatz von Smartphones im Unterricht wird schon seit längerer Zeit kontrovers diskutiert. Während einzelne Schulen in Europa bereits strikte Verbote durchsetzen, argumentieren Befürworter:innen, wie beispielsweise der Deutsche Lehrerverband, dass mehr Möglichkeiten für einen bewussteren Umgang geschaffen werden sollen. Ebenso sollte der eigene Medienkonsum reflektiert werden. In einigen europäischen Ländern, wie beispielsweise Italien und Frankreich, sind bereits flächendeckende Handyverbote an Schulen durchgesetzt worden, in Deutschland wird das Thema je nach Bildungseinrichtung unterschiedlich gehandhabt. Wird von einem Handyverbot gesprochen, soll dabei ausschließlich die private Nutzung des jeweiligen Gerätes während des Unterrichts eingedämmt werden. Das Mitbringen kann jedoch aufgrund der festgeschriebenen Handlungsfreiheit nicht verboten werden. Ist ein Verbot der Nutzung im Unterricht dennoch sinnvoll oder gibt es Lösungen für einen besseren Umgang?

Wieso haben Smartphones einen schlechten Ruf im Unterricht?

Laut Deutschem Lehrerverband sollen Schüler:innen statt einem Verbot mehr Möglichkeiten erhalten, sich über einen bewussten Umgang mit dem Smartphone und ihren eigenen Medienkonsum auszutauschen. “Die wissen schon, dass sie durch eine gewisse Abhängigkeit gefährdet sind”, erklärt Verbandspräsident Stefan Düll. Einige Jugendliche hätten mit der Zeit auch negative Erfahrungen gemacht: Falschbehauptungen, Cybermobbing, Belästigung oder verstörende Inhalte. “Je älter die Schüler werden, desto reflektierter verwenden sie die Geräte”, so Düll. Dennoch sollte auch die Schule etwas gegen die schlechten Erfahrungen unternehmen. 

Journalist Richard Gutjahr fordert in einem Kommentar eines Beitrages der Rheinischen Post: “Smartphones raus aus den Schulen!” ZEIT-Autor Alan Posener sagt Ähnliches: “Nehmt den Schülern die Handys  weg!”  Argumente für die Sichtweise: Kinder und Jugendliche verbringen eh schon zu viel Zeit vor kleinen Bildschirmen und die Gefahr einer Smartphone-Sucht steigt. Kinder und Jugendliche zeigen vermehrt Symptome von Stress und Schlaflosigkeit. Dies wirkt sich negativ auf Konzentration und Wohlbefinden aus. Neben Stressfaktoren treten auch Symptome der Einsamkeit auf. Gestützt wird sich dabei auf eine PISA-Studie von 2022, die argumentiert, dass Schüler:innen im Alter von 15 Jahren, die ihre Handys im Unterricht benutzen, signifikant schlechter abschneiden. Bei Tests in den Niederlanden schnitten Schüler:innen mit hoher Bildschirmzeit in den Bereichen Lesen und Schreiben anderthalb Punkte schlechter ab als Kinder, die weniger Zeit an Handy und Tablet verbrachten. Auch TikTok-Challenges werden neben Cybermobbing eine wachsende Schwierigkeit: Laut der Landesmedienanstalt NRW ist ein Drittel der digitalen Mutproben ein physisches und psychisches Problem, ein Prozent der Mutproben sind sogar potenziell tödlich. Schulleiterin Silke Müller aus Oldenburg sagt: “Das Netz kennt keine Altersbegrenzung. Das, was bei TikTok viral geht, macht keine Grenzen vor Acht- oder Neunjährigen.”

Ist eine Sensibilisierung nicht sinnvoller als ein Verbot?

Andere Länder setzen die Idee eines Handyverbots an Schulen bereits um. Großbritannien und die Niederlande haben Anfang des Jahres ein Verbot von Handys im Schulalltag durchgesetzt. In Frankreich gilt seit 2010 ein Handyverbot, in Italien werden seit 2007 bereits keine Smartphones in der Schule zugelassen. Smartphones zu verbieten, das sei in Deutschland allerdings keine Lösung. “Smartphones sind existent, sie sind privates Eigentum. Es wird auch immer Momente der Nichtkontrolle geben”, erklärte Düll. Vor allem Schüler:innen reagieren mit Unverständnis auf das mögliche Verbot. Erwachsene würden die heutige digitale Kommunikation nicht verstehen, man sei durch Smartphone-Nutzung nicht automatisch weniger sozial. Lieber sollten im Unterricht mehr Möglichkeiten geschaffen werden, sich intensiv mit der Mediennutzung auseinanderzusetzen. Angesichts der stärkeren Nutzung von Künstlicher Intelligenz könnte man das Prinzip “Lernen für die Zukunft” im Unterrichtsalltag einbauen. “Schülerinnen und Schüler würden sich für eine achtsame Mediennutzung interessieren und wollen einen bewussten Medienkonsum lernen”, so Düll. Die Gesprächsbereitschaft wird im Unterricht deutlich, da das Thema für viele Jugendliche eine direkte Relevanz darstellt.

Eltern und Lehrkräfte müssen an einem Strang ziehen

Doch die Verantwortung liegt nicht in den Händen der Schulen allein. Auch Eltern und Politik tragen einen wichtigen Teil dazu bei. Zuletzt hatte sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann für ein Verbot von Smartphones an Grundschulen ausgesprochen. Verbandschef Düll sieht besonders die Eltern in der Pflicht, einen bewussten Umgang mit Technik vorzuleben. Kinder durch Spiele oder Videos auf dem Smartphone abzulenken oder ruhigzustellen, ist da eher der falsche Ansatz. Das könne die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder beeinträchtigen. Düll, Schulleiter eines bayerischen Gymnasiums, betont aber gleichzeitig: “Viele Eltern machen es richtig. Zum Elternabend kommen nur diejenigen, die sowieso schon auf dem richtigen Weg sind. Die man eigentlich ansprechen müsse, erreicht man so nicht”, erklärt Düll

Kinder müssten lernen, Smartphones richtig und konstruktiv zu nutzen. Eltern und Lehrkräfte sollten sich gleichermaßen den sozialen Medien öffnen und entsprechende Kompetenzen vermitteln. Statt Verbot wird eine Art "Begleit-Kultur" eher begrüßt. Silke Müller setzt diesen Vorschlag in ihrer Schule in Oldenburg, in Form einer Social-Media-Sprechstunde für Schulkinder, bereits um. Ansprechpartner bei Problemen wären außerdem von Vorteil. Timo Off, Schulleiter im schleswig-holsteinischen Nortorf, ist ebenfalls davon überzeugt, dass eine intensivere Beobachtung auf die tieferliegenden Bedürfnisse der Kinder wichtig ist. Die Nutzung von Smartphones spiegelt Aspekte wie Gemeinschaft, Kompetenzen zeigen und Grenzen austesten, wider. Sowohl Eltern als auch Lehrkräfte sollten dies beachten, denn “jedes Kind möchte gesehen werden”, so Off.

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