(Quelle: Envato)
Was haben Amazon-Gründer Jeff Bezos, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales und die Schauspielerin Heike Makatsch gemeinsam? Sie alle waren alle Teil einer Montessorischule und vermutlich unter den bekanntesten Absolvent:innen des Schulsystems. Dabei ist Montessori weiter verbreitet als angenommen. In Deutschland allein gibt es rund 600 Kindertagesstätten und etwa 400 Schulen, die dieses pädagogische Konzept in ihren Alltag integrieren. Weltweit sind es sogar um die 40.000 Montessori-Schulen. Aber worum handelt es sich bei dem Montessori-Konzept? In diesem Artikel erfahrt Ihr, was es mit dieser neuen Art des Lernens und Erziehens auf sich hat.
Entwickelt wurde das Montessori-Konzept von der italienischen Ärztin Maria Montessori, die am 31. August 1870 geboren wurde und eine der bekanntesten Pädagogen ihrer Zeit war. Nach ersten Arbeiten mit geistig behinderten Kindern verlagerte sie ihren beruflichen Schwerpunkt immer mehr auf Pädagogik und die Entwicklung pädagogischer Methoden. Obwohl sie ihre Ideen basierend auf Kindern mit Behinderungen entwickelten, wurden diese später verfeinert und auch auf mental nicht beeinträchtigte Kinder angewandt. Bewährt hat sich die Methode zuerst, als Montessori’s Kinder im Vergleichstest besser abschnitten als ‘normale’ Kinder, welches ihr eventuell internationale Anerkennung brachte. Aber was hat es mit Montessoris Konzept eigentlich auf sich?
Das Zunutze machen des Eigeninteresses vom Kind als Instrument der Bildung macht den Kern der Montessori-Pädagogik Konzepts aus. Das Montessori-Modell unterteilt sich in drei separate Entwicklungsstufen, welche die Kinder und Jugendliche begleiten, vom Kindergarten bis hin zum Abitur, mit jeder Stufe angelehnt an ein anderes Motto.
Das Montessori-Kinderhaus, die Montessori-Version des Kindergartens, besuchen Kinder im Alter zwischen 0 und 6 Jahren. Das Motto hier: “Hilft mir es selbst zu tun”. Ab 6 Jahren besuchen die Montessori Schüler:innen die Grundschule bis zum 12 Lebensjahr, diesmal mit dem Motto “Hilf mir, selbst zu denken.” Zu guter Letzt folgt die Montessori-Sekundarstufe. Das neue Motto bezieht sich darauf, den Schüler:innen zu helfen, in einer Community selbstständig zu agieren und lautet: “Hilft uns, es selbst zu tun”. Abgeschlossen ist der Montessori-Bildungsweg mit 18 Jahren.
Der Aspekt, in dem sich Montessori’s Modell radikal von den damals verbreiteten Erziehungsansätzen unterscheidet, ist die Beziehung zwischen Kind und System. Im staatlichen Schulsystem ist genau geplant, was, wann, welches Kind zu wissen und können hat, mit wenig Fokus auf das Individuum selbst. Konkurrenzverhalten und Notendruck sollten im Montessori-System keinen Platz haben, da diese nur der persönlichen Entwicklung im Weg stünden. Stattdessen kommt es zu Einschätzungsgesprächen zwischen Lehrkraft und Schüler:in und es werden IzEL-Bogen (Informationen zum Entwicklungs- und Lernprozess) angefertigt, in denen Lernfortschritte und Verhalten der Schüler:innen notiert werden. Lehrkräfte und Pädagog:innen haben in diesem System eher eine Rolle als Unterstützer und Hilfesteller und bringen die Schüler:innen nicht in ein starres einheitliches System.
In der Schule ist der Unterricht unterteilt in zwei Kategorien. Die erste ist die Freiarbeit, in der es Schüler:innen erlaubt ist, im eigenen Tempo ihren eigenen, frei gewählten Interessen nachzugehen. In der Sekundarstufe ist diese Kategorie eher reduziert und es kommt häufig zu langfristigen Projekten. Die zweite Kategorie ist der gebundene Fachunterricht, welcher sich auf spezielle Fächer konzentriert. Darunter auch Mathe, Englisch oder Biologie. Die Lerninhalte und -ziele werden dann in Gruppen- oder Einzelarbeit aufgeteilt und erarbeitet. Während einige sich z. B. in Englisch mit neuen Vokabeln beschäftigen, lernen andere Zeitformen.
Im Idealfall bringt das Montessori-System ein Kind in die Welt, das selbstständig ist, aufgeschlossen, eigenständig denkt, soziale Kompetenzen hat und eine Begeisterung für das Lernen und eigene Interessen hat.
Kritik an diesem Schulkonzept gibt es allerdings reichlich. Unter anderem die Kosten, da Montessori-Schulen Privatschulen sind. Diese Gebühren belaufen sich in der Regel auf 300 Euro pro Monat und können je nach Bundesland zwischen 200 und 500 Euro betragen. Ein weiteres Problem: Das Abitur wird als staatlicher Abschluss an nur wenigen Montessori Schulen angeboten. Häufig müssen externe Prüfungen absolviert werden, sofern ein Montessori Kind das Abitur erlangen will.
Darüber hinaus wird das Montessori-System nicht überall gleich umgesetzt, was die Autorin Nadine Hilmar bezeugen kann. In ihrem Blog Buntraum beschreibt sie ihre Ansichten zu Montessori, als jemand, die selbst im Jahr 2012 die Montessoriausbildung Kinderhaus abgeschlossen hat. Damals war sie ein großer Fan des Bildungskonzepts. Die sogenannten Säulen des Systems erlebte sie in der Praxis allerdings ganz anders als erwartet.
So wurde der Fokus auf Selbstständigkeit von ihr auch als Druck wahrgenommen. Ihr Sohn wurde als schüchterner zweijähriger schon dazu aufgefordert, eigenständig seine Jacke auszuziehen. Laut Nadine kam auch Druck von Seiten der Pädagogin, die Windel abzulegen und auf das WC zu gehen. “Sie wollten, dass er soweit war", fasst Nadine die ständigen Einschätzungen der Pädagogin zusammen. Besonders eingebrannt hatte sich die Aussage: “Wir haben oben 60 Kinder, wenn er da in der Garderobe nicht klar kommt, geht er unter.”
Dem Ideal, die Kinder das machen zu lassen, was ihrem eigenen Interesse oblig, sei nicht nachgekommen worden. Stattdessen schildert Nadine, dass es bei Gesprächen mit ihrem vierjährigen Sohn immer hieß, dass “er bereit sei und das auch gut könne.” Seine Meinung war ohne Priorität.
Hingegen fand Nadine, dass ihre Tochter eine individuelle Erziehung, im Einklang mit Montessori Idealen, in einem Allgemeinkindergarten besser bekam als am Montessori-Kinderhaus. “Sie darf sich tagsüber beschäftigen, womit sie will und wenn sie anfangs schüchtern nur auf dem Sofa sitzt, beobachtet und Bücher anschaut, ist das okay. Mir wird nie gesagt, wozu sie nun “bereit sei.”
Mangelnde oder fehlerhafte Exekution, wie Nadine es erlebte, können dem System und auch den Schüler:innen schaden. Auch wie bei dem herkömmlichen Schulsystem müssen die Pädagogen ihren Teil erfüllen, jedoch einen anderen als denjenigen, den sie gewohnt sind. Jedoch kann das Montessori-Konzept, wenn richtig angewandt und wie von Maria Montessori erdacht, durchaus positiv auf ein Kind einwirken, sowohl damals als auch heute. Förderung von Engagement und Individualität sind an sich gute Ansätze, auch wenn sie mit systemkonformen Alternativen anecken. Inwieweit Montessori’s Ideen sich einmal stärker im öffentlichen Bildungssystem abbilden könnten, bleibt abzuwarten.
Was haltet ihr vom Montessori-System? Schreibt uns eure Meinung gerne in die Kommentare!