Das Logo der AlphaDekade. © AlphaDekade
Die “Dekade der Alphabetisierung (2016-2026)”, auch kurz AlphaDekade genannt, ist ein
180-Millionen-Euro-Programm der Bundesregierung, das hiermit versucht, die Zahl der funktionalen Analphabeten in Deutschland spürbar zu senken. Innerhalb von zehn Jahren sollen mit einer gemeinsamen Kampagne von Bund und Ländern die oft unterentwickelten Lese- und Schreibfähigkeiten erwachsener Erwerbstätiger verbessert werden. Das Grundbildungsniveau soll erhöht werden, um geringqualifizierte Arbeitnehmer:innen fortzubilden, sie so auf Veränderungen der Arbeitswelt, insbesondere in Bezug auf eine zunehmende Digitalisierung, vorzubereiten und damit einem Fachkräftemangel vorzubeugen. Involviert sind unter anderem die Bundesagentur für Arbeit, der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung, der Deutsche Volkshochschulverband, das Kommissariat der deutschen Bischöfe und der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung. Sie alle haben sich verbündet, um den funktionalen Analphabetismus Erwachsener in Deutschland spürbar und nachhaltig zu verringern.
Grundvoraussetzung, damit das Grundbildungsniveau Erwachsener sich erhöht, ist, dass mehr Betroffene als bisher die entsprechenden Lernangebote wahrnehmen. Das Erreichen von Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten stellt eine große Herausforderung dar. Ebenso ist Analphabetismus häufig zu einem Tabuthema hochstilisiert worden. Um dieser Stigmatisierung entgegenzuwirken und im Allgemeinen das Ziel einer arbeitsorientierten Grundbildung zu erreichen, haben Bund und Länder in einem gemeinsamen Grundsatzpapier fünf Handlungsfelder identifiziert.
Die Ausmaße des funktionalen Analphabetismus sind den meisten Menschen unbekannt. Vor allem hier in Deutschland. Unser Artikel “Buchstäblich Probleme: Stand der Alphabetisierung in Deutschland” wirft hierauf Licht. Das Bündnis der AlphaDekade versucht mit Hilfe von öffentlichwirksamen Maßnahmen Vorurteile abzubauen und mit der Enttabuisierung voranzuschreiten. Außerdem soll auch die Verfügbarkeit von Lernangeboten in die Bevölkerung getragen werden.
Einen weiteren wichtigen Grundsatz bildet der wissenschaftliche Ansatz. Studien und Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen, herauszufinden, was Ursachen für funktionalen Analphabetismus sind, wie Betroffene effektiv erreicht werden können und wie sie sich hierdurch für Lernangebote anmelden. Außerdem soll erforscht werden, wie die Grundbildung auf der Ebene der Didaktik und der Lerninhalte am Vielversprechendsten ist.
Um die Lernmotivation zu erhöhen, müssen sich die Lernangebote an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Lernenden orientieren. Die Optimierung der Lernangebote ist demnach essenziell. Auf Grundlage von Forschungsergebnissen müssen die Inhalte alltags- und praxisbezogen gestaltet sein und individuell auf Teilnehmende abgestimmt werden.
Aufbauend hierauf soll auch das Lehrpersonal an die hohen Anforderung angepasst und vorbereitet werden. Denn Erwachsene mit Alphabetisierungs- und Grundbildungsbedarf bringen unterschiedliche individuelle Voraussetzungen und Erwartungen mit. Entsprechende Qualifizierungen und Ausbildungen zusätzlich zur typischen Jugend- und Erwachsenenbildung müssen für Lehrkräfte angeboten werden.
Für eine nachhaltige Wirkung soll an bereits vorhandene Strukturen angeknüpft werden. Im Rahmen der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung sollen Alphabetisierung und Grundbildung als Regelangebot stärker und branchenübergreifend in den gefährdeten Bereichen verankert werden. Betroffen sind insbesondere Menschen, die einfachen Hilfstätigkeiten nachgehen und hierdurch ein höheres Risiko haben, durch den raschen technologischen Wandel der Arbeitswelt nicht mehr einsetzbar zu sein.
Aus diesen Grundsatzzielen leiten Bund, Länder und Dekadepartner ein jährliches Arbeitsprogramm ab, das konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele in den jeweiligen Handlungsfeldern enthält. Zusätzlich liefern die Länder Punkte, mit denen sie sich in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich an der Umsetzung der AlphaDekade beteiligen und werden vom BMBF gefördert. Hiermit wollen sie das übergeordnete Ziel erreichen, dass Grundbildungsangebote mit und in Betrieben entwickelt und erprobt, Lehrpersonal ausgebildet und das Thema bei Unternehmen und Wirtschaftsverbänden bekannt gemacht wird. Eine konkrete Maßnahme ist die alljährliche AlphaDekade-Konferenz.
Die Projektmesse im Rahmen der Dekade der Alphabetisierung (2016-2026) bietet fachlichen Austausch und Informationen zu arbeitsorientierten Grundbildungsinitiativen. Die AlphaDekade-Konferenz 2022 findet am 27. und 28. September in Nürnberg statt. Für kulturelle Unterhaltung und das körperliche Wohlbefinden wird gesorgt. Besonderer Fokus liegt auf der Verankerung von Grundbildung in der Arbeitswelt. Mit Hilfe von Impulsreferaten, Gesprächsrunden und diversen Fachforen widmet sich die AlphaDekade dem aktuellen Fach- und Ergebnisstand der aktuellen Projektförderung.
Die Konferenz agiert als Impuls für eine Vernetzung und Zusammenarbeit verschiedenster Akteure mit gemeinsamen Ziel: die Grundbildung in vorhandene Aus- und Weiterbildungsstrukturen zu integrieren und Transparenz über vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten, Förderinstrumente und Lernangebote herzustellen. Die Veranstalter:innen erwarten zur diesjährigen Konferenz rund 300 Personen aus Politik, Wissenschaft und Praxis. Die vielseitigen Berührungspunkte sollen genutzt werden, um sich weiterhin mit arbeitsbezogenen Maßnahmen zur Alphabetisierung und Grundbildung zu befassen, um Kontakte zu knüpfen sowie produktive und interdisziplinäre Diskussionen anzuregen.
Auf der Messe werden insgesamt acht Foren angeboten. Gäste wählen und besuchen jeweils eines dieser Foren pro Tag. Thematisch orientieren sich diese Foren einerseits an arbeitsorientierter Grundbildung für Erwerbslose, Beschäftigte, Auszubildende und junge Erwachsene im Übergang Schule-Beruf. Die vier weiteren Foren beschäftigen sich mit dem digitalen Lernen und Lehren, einer sensiblen Beratung von Betroffenen, dem individuellen, betrieblichen und gesellschaftlichen Mehrwert der Grundbildung und abschließend mit der Professionalisierung des Bildungspersonals.
Eine Anmeldung für die Konferenz erfolgt über die interne Website.
Besondere Anlässe wie der jährliche Weltalphabetisierungstag werden als Anlass genommen, um die breite Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Eine Info-Ausstellung steht allen Koordinierungsstellen der Länder für ihre regionale Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Im Jahr 2018 war beispielsweise der berühmte Krimi-Autor Sebastian Fitzek am Stand der AlphaDekade auf der Leipziger Buchmesse.
In diesem Jahr hält in Berlin/Brandenburg am 12. September das ALFA-Mobil vor dem Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg. Weitere Maßnahmen findet man im Programm zum Weltalphabetisierungstag des Bildungsservers Brandenburg. Deutschlandweit finden ebenfalls zahlreiche Events zur Thematik statt, welche unter anderem hier gefunden werden können.
Für Lehrkräfte wäre es eine Idee, eine Unterrichtsstunde im Zeichen des Welttages der Alphabetisierung zu gestalten oder kann dieser als Anstoß genommen werden, die Lese- und Schreibkompetenzen der Schüler:innen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und möglicherweise präventiv Problemen entgegenzuwirken.