Die Siebengebirgsschule Bonn, im sozialen Brennpunkt gelegen, erhält den Deutschen Schulpreis für ihr wegweisendes Lernmodell (Quelle: Max Lautenschläger)
Bonn. Der mit 100.000 Euro dotierte Deutsche Schulpreis 2024 geht in diesem Jahr nach Nordrhein-Westfalen: Die Siebengebirgsschule gewinnt den Hauptpreis. Die Förderschule, die in einem sozialen Brennpunkt liegt, hat laut Jury den klassischen Unterricht weitgehend abgeschafft und setzt stattdessen auf individuelle Förderung.
Der Deutsche Schulpreis wird von zwei Stiftungen vergeben und zeichnet herausragende Schulkonzepte aus. Aus über 80 Bewerbungen wählte die Jury zunächst 20 Schulen aus. Diese Schulen wurden von den Jury-Teams besucht und begutachtet. 15 Schulen wurden schließlich für die Endrunde nominiert. Im Mittelpunkt der Bewertung standen sechs zentrale Kriterien: Unterrichtsqualität, Leistung, Umgang mit Vielfalt, Verantwortung, Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner sowie Schule als lernende Institution.
Die Siebengebirgsschule, mit mehr als 250 Schüler:innen, ermöglicht das selbstständige Lernen durch Lernateliers, Kreativwerkstätten und eine Study Hall. An der prämierten Schule gibt es keine starren Stundenpläne, sondern ein flexibles Modell mit Gleitzeit und festen Kernzeiten. Die Schüler:innen arbeiten nach individuellen Arbeitsplänen und verfolgen personalisierte Lernziele. “Die Siebengebirgsschule nimmt Kinder auf, mit denen Regelschulen überfordert sind, und ermöglicht ihnen, ins Lernen zurückzufinden, ihre Talente zu entdecken und hervorragende Leistungen zu erbringen”, so Jury-Sprecher Thorsten Bohl.
Um das eigenverantwortliche Lernen erfolgreich umsetzen zu können, muss laut Schulleiter Achim Bäumer die Selbstständigkeit von Anfang an beharrlich trainiert werden. Angesichts des hohen Anteils an Schüler:innen mit Migrationshintergrund, der dadurch besonders vielfältigen Schulgemeinschaft sowie der Lage der Schule in einem sozialen Brennpunkt, ist es nach Bäumer von großer Bedeutung, differenzierte und abgestufte Ansätze zu verfolgen, zumal viele der Lernenden negative Erfahrungen an anderen Schulen gemacht haben. “Ein Kind, das neu an der Schule ist, hat erst mal eine eingeschränkte Freiheit. Es hat fest abgesprochene Pausenzeiten, seine Aufgaben und die Lernräume sind stark vorgegeben. Zeigt das Kind, dass es selbstständig lernen kann, lockern sich die Regeln. Das System ähnelt dem der Computerspiele, wo man stets versucht, das nächste Level zu erreichen. Bei uns heißt das, die bessere Cap, also Kappe zu bekommen”, erklärt Bäumer.
Die Siebengebirgsschule verfolgt das Ziel, ihren Schüler:innen eine nachhaltige Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Dabei stehen der erfolgreiche Schulabschluss und die Perspektive eines nahtlosen Übergangs in die Arbeitswelt im Vordergrund. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Schule einen Lern- und Lebensraum gestaltet, der die schulische und persönliche Entwicklung der Schüler:innen durch gezielte und individuelle Fördermaßnahmen unterstützt.
Um diese Ziele erreichen zu können, setzt die Schule auf ein ausgefeiltes digitales Konzept, für das sie bereits während der Corona-Pandemie im Jahr 2020/2021 nominiert wurde. Auf der digitalen Lernplattform finden sich Quizfragen, Erklärvideos und Kompetenzchecks, um eine Lerneinheit erfolgreich abzuschließen. Die Lehrkräfte können dann einsehen, woran die Schüler:innen momentan arbeiten, welche Entwicklungen sie machen und an welchen Stellen es noch Schwierigkeiten gibt. Auf dieser Grundlage werden dann Entwicklungsgespräche mit den Schüler:innen geführt.
Die Siebengebirgsschule Bonn zeigt eindrucksvoll, wie innovative Schulkonzepte in einem herausfordernden Umfeld erfolgreich umgesetzt werden können. Auch in Zukunft dürfte die Schule durch ihre gezielten Fördermaßnahmen und den fortschrittlichen Umgang mit Vielfalt als Vorbild für andere Bildungseinrichtungen dienen.