Berlin/Düsseldorf. Die neue Pilotstudie der Vodafone Stiftung Deutschland in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beleuchtet, wie digitale Technologien das Lernen von Schüler:innen in deutschen Schulen unterstützen können, wenn sie durchdacht und fachkundig eingesetzt werden. Sie liefert wertvolle Erkenntnisse darüber, welche Faktoren den erfolgreichen Einsatz digitaler Medien im Unterricht beeinflussen und geht dabei auch auf geschlechtsspezifische Unterschiede ein.
Auf Grundlage der PISA-2025-Prototypen zum “Lernen in der digitalen Welt” (LDW) ergaben sich wertvolle Einblicke in den Umgang von Schüler:innen mit digitalen Technologien an deutschen Schulen. Ziel des LDW ist es, Kompetenzen wie Computational Thinking und selbstreguliertes Lernen durch 30-minütige interaktive Aufgaben zu fördern. Dabei werden digitale Werkzeuge zur Lösung von Programmier- und naturwissenschaftlichen Problemen eingesetzt.
Hierzu nahmen zwischen November und Dezember 2022 insgesamt 730 Schüler:innen aus 46 weiterführenden Schulen in 14 deutschen Bundesländern an der Initiative im Rahmen des PISA-2025-Projektes teil. Die Teilnehmenden stammen aus verschiedenen Schulformen wie Gymnasien, Realschulen, Hauptschulen, Gesamtschulen und Schulen mit mehreren Bildungsgängen. Sie bearbeiteten jeweils zwei der sechs Prototyp-Einheiten des LDW-Moduls und beantworteten einen Fragebogen, der Aufschluss über ihre Kenntnisse, Einstellungen und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Schul- und Privatleben geben sollte.
Andreas Schleicher, Direktor für Bildung und Kompetenzen bei der OECD, weist darauf hin, dass digitale Technologien das Lernen von Schüler:innen erheblich vorantreiben können, gleichzeitig aber auch das Risiko besteht, dass sie den Fortschritt hemmen. “Laut unserer aktuellen PISA-Studie sind fast ein Drittel aller Schüler:innen in deutschen Klassenzimmern durch digitale Medien abgelenkt. Wir wissen aber auch, dass digitale Technologien, wenn sie richtig eingesetzt werden, das individuelle Lernen fördern und es attraktiver und ansprechender gestalten können“, so Schleicher.
Die Befragung liefert Einblicke, wie häufig Schüler:innen digitale Technologien in verschiedenen Fächern nutzen. Insbesondere in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften gaben die Befragten an, dass ihre Lehrkräfte “in jeder Stunde” (46 Prozent) oder “in den meisten Stunden” (52 Prozent) digitale Medien einsetzen.
Schüler:innen an Gymnasien kommen deutlich häufiger mit IKT im Unterricht in Berührung als ihre Altersgenoss:innen an anderen Schulformen. So geben 57 Prozent der Gymnasiast:innen an, dass digitale Technologien regelmäßig im Mathematikunterricht eingesetzt werden, während dieser Anteil bei den anderen Schulformen unter 40 Prozent liegt. Ähnliche Unterschiede zeigen sich in den Naturwissenschaften, wo 62 Prozent der Gymnasiast:innen von einer häufigen Nutzung berichten, im Vergleich zu lediglich 42 Prozent der Schüler:innen anderer Schularten. Traditionelle IKT-Anwendungen wie die Internetrecherche und das Erstellen von Dokumenten machen nach wie vor den Großteil der Nutzung aus, während kreative Ansätze wie das Programmieren oder Entwickeln von Websites nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass Lehrkräfte ihre Klassen häufig eigenständig mit digitalen Technologien arbeiten lassen. Bei 42 Prozent der Befragten ist dies “häufig” der Fall, bei weiteren 41 Prozent “manchmal”. Nur etwa ein Viertel der Schüler:innen berichtet, dass Lehrkräfte regelmäßig aktiv eingreifen, indem sie durch das Klassenzimmer gehen und Rückmeldungen geben. Die Unterstützung durch Lehrkräfte erfolgt eher inhaltlich (bei 20 Prozent der Schüler:innen) als technisch (bei 13 Prozent). Lehrkräfte reflektieren die Ergebnisse digitaler Aktivitäten häufig mit der gesamten Klasse (51 Prozent), individuelle Nachbesprechungen sind jedoch seltener.
Die Mehrheit der Schüler:innen bewertet den Einsatz von IKT im Schulalltag positiv. Über 70 Prozent der Befragten geben an, dass digitale Technologien ihnen helfen, komplexe Inhalte besser zu verstehen und das Lernen spannender zu gestalten. Zudem stimmen 67 Prozent zu, dass IKT das Behalten von Wissen erleichtert. Trotz der überwiegend positiven Einstellungen sehen etwa die Hälfte der Befragten auch Herausforderungen: So wird angemerkt, dass die Technologie gelegentlich mehr Hindernisse als Vorteile mit sich bringt (50 Prozent), von den Lerninhalten ablenkt (34 Prozent) und Störungen und Unruhe verursacht (24 Prozent). Mögliche Gründe dafür sind, dass die Technologie die Konzentration der Klasse beeinträchtigt oder dass technische Probleme dazu führen, dass der Einsatz von IKT im Schulalltag als frustrierend empfunden wird.
Der Fragebogen beleuchtete auch das Engagement und das Selbstvertrauen der Schüler:innen im Umgang mit IKT. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Jungen als auch Mädchen offen und neugierig auf neue digitale Werkzeuge reagieren: Mehr als 80 Prozent der Befragten sehen das Internet als wertvolle Informationsquelle, und mehr als 70 Prozent probieren gerne neue Geräte oder Anwendungen aus. Die Mehrheit der Schüler:innen fühlt sich zudem sicher im Umgang mit digitalen Geräten und glaubt, diese nach eigenen Vorstellungen nutzen zu können. Bei der Lösung von IKT-Problemen zeigen sich die Jungen jedoch selbstständiger: 84 Prozent geben an, technische Schwierigkeiten selbst zu beheben, bei den Mädchen sind es 73 Prozent. Auch bei der Installation neuer Software sind Jungen häufiger bereit, dies selbst zu übernehmen (73 Prozent gegenüber 65 Prozent bei den Mädchen).
Jungen zeigen zudem ein größeres Selbstvertrauen, wenn es darum geht, IKT zu nutzen, Technologieempfehlungen auszusprechen oder anspruchsvolle Aufgaben wie Programmieren oder das Erstellen von Websites und Datenbanken zu bewältigen. Mädchen hingegen fühlen sich etwas sicherer im Umgang mit sozialen Medien sowie bei der Bearbeitung und Verarbeitung digitaler Inhalte. So geben beispielsweise über 90 Prozent der Mädchen an, dass sie Fotos und andere digitale Medien problemlos bearbeiten können.
Die Ergebnisse zeigen, dass der häufige Einsatz von IKT in verschiedenen Fächern mit besseren Leistungen bei den Aufgaben und Herausforderungen des LDW verbunden ist. In der Analyse gibt es Anzeichen dafür, dass der Einsatz von IKT im Unterricht im Laufe der Jahre Fortschritte gemacht haben könnte. Die Effekte auf die Lernergebnisse variieren dabei: Während traditionelle Fähigkeiten, wie das Lesen von Büchern oder Zeitungen, möglicherweise weniger gefördert werden, könnte der regelmäßige Einsatz von Computern im Fachunterricht die Problemlösekompetenz bei computergestützten Aufgaben stärken.
Die erhobenen Daten zeigen, dass Jungen in den PISA-2025-Einheiten besser abschneiden als Mädchen, insbesondere im Vortest, wo der Unterschied etwa 28 Punkte beträgt. Bei den Lernaufgaben verringert sich die Differenz auf etwa 20 Punkte. Nach Berücksichtigung der Vortestleistungen wird der Vorteil der Jungen im interaktiven Testteil insignifikant, was darauf hindeutet, dass Mädchen weniger Möglichkeiten hatten, Kompetenzen im Bereich des Computational Thinking zu entwickeln. Beide Geschlechter profitieren jedoch gleichermaßen von den interaktiven Teilen des LDW-Tests.
Die Ergebnisse zeigen, dass digitale Technologien strategisch in den Schulalltag integriert werden müssen, um ihr volles Potenzial zu entfalten. “Unsere Daten bestätigen, dass digitale Bildung ein Gamechanger sein kann – vorausgesetzt, sie wird gut umgesetzt. Das ist derzeit allerdings noch zu wenig der Fall. Besonders die gezielte Weiterbildung von Lehrkräften jenseits des Faches Informatik und die kreative Einbettung in den normalen Fachunterricht sind entscheidend”, betont Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung. Eine nachhaltige Integration digitaler Technologien erfordert somit klare Strategien und gezielte Maßnahmen, um das volle Potenzial für alle Schüler:innen auszuschöpfen.