Der 21. März mag auf den ersten Blick ein Tag wie jeder andere sein, doch für ca. 50.000 Menschen allein in Deutschland ist das Datum ein Tag zur Anerkennung. Ein Tag, an dem die Welt an das Down-Syndrom und die tausenden davon betroffenen erinnert wird. Aber was ist das Down-Syndrom überhaupt und welche Initiativen für mehr Inklusion gibt es? Lehrer-News stellt euch einige spannende Projekte vor.
Beim Down-Syndrom handelt es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine angeborene genetische Störung der menschlichen Chromosome. Chromosomen beinhalten unser Erbgut und bestimmen sowohl das Aussehen, als auch wie der Körper funktioniert.
Die Down-Syndrom Störung zeichnet sich dadurch aus, dass 47 Chromosome, also eins mehr als üblich, in der Genetik vorhanden sind. Das extra Chromosom ist das dreimal vorkommende Chromosom 21, weswegen Down-Syndrom auch als Trisomie 21 bezeichnet wird.
Von 600 Neugeborenen hat etwa eines, das extra Chromosom, welches für ihr auffallendes Aussehen verantwortlich ist. Dies geschieht in 95% der Fälle zufällig durch einen Defekt während der Reifung der Keimzellen, entweder im Ei oder im Samen. Wie genau es dazu kommt, ist allerdings noch ungeklärt.Was feststeht, sind die Konsequenzen durch das überschüssige Chromosom. Diese können sich vom bekannten äußerlichen Merkmalen (schräg stehende Augen, kleiner Kopf, kleine Mundhöhle mit großer Zunge…) erstrecken, bis hin zu Seh- und Hörstörungen, schwachem Immunsystem, psychischen Störungen, geistige Beeinträchtigung, größeres Risiko für gewisse Krankheiten, Knochen und Gelenkprobleme und Herzfehlern. In der Regel leben sie nicht länger als 60 Jahre als Resultat.
Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen sind ein Teil unserer Gesellschaft. Sie sind nicht mehr oder weniger Wert als jede andere Person und unter ihnen gibt es viele engagierte Menschen. Inklusion ist noch immer ein großes Thema in Deutschland und ein Gebiet, auf dem noch viel passieren muss oder wie Aktivist für Inklusion Raul Krauthausen es sagt, “Barrierefreiheit beginnt nicht im Kopf und Inklusion ist nicht einfach eine Frage der Haltung. Für behinderte Menschen sind es Menschenrechte, keine Gedankenspiele”. Ein Teil davon ist der Welt Down-Syndrom Tag.
Als Zeichen der Toleranz und sowie dem Schaffen von Bewusstsein wurde der Welt Down-Syndrom Tag ins Leben gerufen. Am 21. März, in Anspielung an das dreifach vorhandene Chromosom 21 bei Menschen mit Down-Syndrom. Seine Ursprünge hat der Welt Down-Syndrom Tag 2006 in Genf und wird seit 2012 auch innerhalb der Vereinten Nationen anerkannt. Ein beliebtes Zeichen der Unterstützung ist es, zwei unterschiedliche Socken zu tragen, in Bezug auf die menschliche Einzigartigkeit.
In der Vergangenheit wurden von Down Syndrome International (DSi), eine aus England stammende internationale Organisation mit dem Ziel die Lebensqualität von Menschen mit Down-Syndrom zu verbessern, gewisse Themen inkludiert wie 2022 Inclusion Means – zu deutsch Inklusion bedeutet und 2021 Connect – Verbinden. In diesem Jahr ist das Thema „With Us Not For Us“ – Mit Uns Nicht Für Uns. Hierbei wird ein Fokus gesetzt auf einen Menschen mit Down-Syndrom als Individuum und nicht als Ziel von Wohltätigkeit. Menschen mit Behinderungen sollen die gleichen Möglichkeiten haben wie alle anderen und mit anderen Arbeiten, um ihr Leben zu verbessern. Sie sollen ihre eigenen Entscheidungen treffen können, was Chancengleichheit verlangt. Chancengleichheit, die in der Vergangenheit kritisiert wurde.
Ein Problem bei der Inklusion wäre die mangelnde Definition und das pure Ersetzen von Integration durch Inklusion. Dies macht sich bemerkbar, aufgrund der Ausrichtung des Schulsystems zu homogenen Lerngruppen, wo andere eher individuelle Lerngruppen benachteiligt sind. Verschiedene Lernenden, insbesondere Schüler:innen mit Down-Syndrom haben verschiedene Bedürfnisse und inklusive Pädagogik besteht daraus Bildungs-, Entwicklungs- und Erziehungsansätze so zu strukturieren, dass Menschen (insbesondere Behinderte) in allen Lebensbereichen partizipieren können.
Dies ist allerdings meist noch nicht der Fall in Deutschland, was angesichts der hohen Anzahl an Schulabgänger:innen ohne Abschluss besonders problematisch ist. So betont GEW-Vorstandsmitglied Ralf Becker: „Der gemeinsame Unterricht aller Kinder und Jugendlichen in einem inklusiven Schulsystem muss dringend ausgebaut werden. Dafür müssen die allgemeinbildenden Schulen mehr personelle und materielle Ressourcen erhalten. Wir dürfen nicht weiter tatenlos zusehen, dass so viele junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen – und damit kaum Berufs- und Lebensperspektiven haben”.
Eine Stimme für die Gleichberechtigung kommt von Natalie Dedreux in einer Aufnahme mit dem WDR als Teil der Reihe "Moment mal! – wie ich ein politischer Mensch wurde". (9/9).
„Ich bin Natalie Dedreux und ich habe das Down-Syndrom. Ich bin politisch und interessiere mich für Politik.“ Sagt die 22-jährige Aktivistin und Journalistin für das Magazin “Ohrenkuss”, bei dem nur Menschen mit Down-Syndrom arbeiten.
Natalie war in einer inklusiven Gesamtschule, wie sie selbst berichtete und fand Schulfächer wie Politik und Geschichte gut, welche auch ihr Interesse an Politik selbst weckten. Etwas, das sie besonders anprangert im Vergleich mit Förderschulen, bei denen es solche Fächer nicht gibt. Somit bekommen Leute mit Down-Syndrom an solchen Schulen nicht dieselben Möglichkeiten wie sie Natalie hatte, was sie als nicht nachvollziehbar empfindet. „Wir sind doch nicht doof hier.“
Um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen wie Down-Syndrom zu fördern, haben einige Personen bereits die Initiative ergriffen. Eine von ihnen ist Maria Möller, zusammen mit Laura Mohn Mitgründerin des Startups „Talking Hands“. Talking Hands haben sich auf farbenfrohe Daumenkinos spezialisiert, durch die Kinder spielerisch und interaktiv Gebärden erlernen können. Dadurch können Sprachbarrieren überwunden und Kommunikation gefördert werden, alles mit dem Ziel, Inklusion schon im Kindesalter als Lebensweise beizubringen. Den Service selbst gibt es auch als App.
„Inklusion funktioniert letztendlich nur, wenn alle mitmachen.“ So Maria im Gespräch mit Lehrer-News. „Wir sind damals mit der Mission gestartet, den Einstieg in die Gebärden-Welt für alle so leicht wie möglich zu machen. Der persönliche Antrieb dahinter ist Jami, die Schwester von Co-Gründerin Laura, die das Down-Syndrom hat.”
Möller beschreibt Gebärden insbesondere für Kinder mit Down-Syndrom als einen bedeutsamen Teil der Förderung, unter anderem weil deren Sprachentwicklung häufig stark verzögert ist. “Durch Gebärden gibt man den Kindern eine Möglichkeit, ihre Bedürfnisse mitzuteilen.” Um dies zu bewerkstelligen arbeiten sie eng zusammen mit Pädagog*innen, Logopäd*innen, Gehörlosen und Eltern von Kindern mit Behinderungen.
Maria Möller selbst kann bestätigen, dass die prävalente Meinung zum Gebärdenlernen positiv ist. „Viele sehen uns auch als Inspiration und überlegen selbst, inwiefern alle von Inklusions-Maßnahmen in ihrem Bereich profitieren können. Hinzu kommt, dass immer mehr Einrichtungen auf ein inklusives Konzept umstellen. Dadurch entstehen viele neue Chancen, frühzeitig ins Thema einzusteigen und die Gesellschaft langfristig inklusiver zu gestalten.“
Die Kinder werden von niemanden zur Inklusion gezwungen durch ihre Methoden. Stattdessen entscheiden sie sich selbst Gebärde zu lernen und werden durch die spielerische Art motiviert. Jedoch gibt es auch hier noch Dinge zum Ausbauen. Sie arbeiten stetig daran, ihren eigenen Wortschatz zu vergrößern, erstellen kontinuierlich neue Gebärden Illustrationen und entwickeln im Team zusammen neue Spiel-Ideen. Aber auch abseits des Services selbst gibt es Wünsche für die Zukunft. „Für die Zukunft wünschen wir uns mehr Selbstverständlichkeit für das Thema Inklusion. Viele Pädagog*innen kommen auf uns zu und erzählen uns, wie toll sie die Idee finden, aber hätten in ihrer Einrichtung momentan keine Kinder mit Behinderung und deshalb keinen Bedarf. Dabei geht es aber um so viel mehr. Kinder in der frühkindlichen Erziehung für das Thema Inklusion und beispielsweise Gebärden zu sensibilisieren, hilft uns, unsere Gesellschaft nachhaltig inklusiver zu gestalten”, so Möller.
Aber auch nach der Kita für den Schulalltag gibt es schon Möglichkeiten, wie die App SPLINT.
SPLINT ist eine Anwendung von Friedo Scharf, welcher leider nicht für den Artikel rechtzeitig erreichbar war. SPLINT’s Aufgabe ist es, individuelle Förderpläne für Schüler:innen zu erstellen. Die Diagnostik von bestimmten Kindern, wie etwa Down-Syndrom, können in die App eingegeben werden, welche dann einen Förderplan erstellt. So muss keiner im Unterricht zurückbleiben, egal wie viele Chromosomen sie haben.
Was sind eure Erfahrungen mit dem Down-Syndrom? Habt ihr Wünsche oder Ideen bezüglich der Inklusion? Schreibt es gerne in die Kommentare.