Einigkeit in Vielfalt? Die Kultusministerkonferenz koordiniert die deutsche Bildungs- und Kulturpolitik (Quelle: Canva).
Inmitten des Chaos der Nachkriegszeit, als das vom Krieg gezeichnete Deutschland noch in vier Besatzungszonen aufgeteilt war, wurde eine Institution ins Leben gerufen, die noch immer Bestand hat: die Kultusministerkonferenz (KMK). Die KMK ist damit sogar älter als die Bundesrepublik selbst und nimmt bis heute entscheidenden Einfluss auf das deutsche Bildungssystem. Doch wie hat sich diese Institution, die sich die Koordination der deutschen Bildungs- und Kulturpolitik auf die Fahnen geschrieben hat, im Wandel der Zeit entwickelt? Und welche Ziele und Veränderungen verfolgte die KMK im Laufe ihrer 75-jährigen Geschichte bis heute? Innerhalb unserer Themenwoche zur Kultusministerkonferenz möchten wir uns diesen Fragen widmen.
Schon in ihren Anfängen legte die sogenannte “Konferenz der deutschen Erziehungsminister” im Februar 1948 in Stuttgart-Hohenheim den Grundstein für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern. Trotz der politischen Spaltungen zwischen den Besatzungszonen wurde beschlossen, regelmäßig zusammenzukommen, um Bildungs- und Kulturangelegenheiten zu regeln.
Dadurch löste die KMK regionale, provisorische Vorläufereinrichtungen in den westlichen Besatzungszonen ab und konzentrierte sich auf die Koordination von Bildungs- und Kulturpolitik. Während der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 diskutierte die KMK praktische Aufgaben des Wiederaufbaus, darunter Themen wie eine Schulreform, die allgemeine Organisation und die Einrichtung von Fachausschüssen.
In den 1970er Jahren erlebte Deutschland eine regelrechte Bildungsexplosion. Der Höhepunkt der Anzahl der Schüler:innen wurde 1976 erreicht. Danach sorgten insbesondere die verkleinerten Geburtsjahrgänge Ende der 60er Jahre für eine Abnahme der Schülerzahlen. Interessanterweise stieg jedoch gleichzeitig der Anteil der Absolvent:innen, die weiterführende Bildungswege einschlugen, kontinuierlich an. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die KMK zu dem zentralen Organ für die Koordination und Vereinheitlichung des deutschen Bildungssystems. Besonders in den 1960er und 1970er Jahren setzte sie sich mit umfassenden bildungspolitischen Entwicklungen auseinander, die von strukturellen Reformen in Schulen und Hochschulen über die Modernisierung von Lehrplänen bis hin zur Stärkung zentraler Fächer in der gymnasialen Oberstufe reichten.
Die KMK trug darüber hinaus zur Förderung des öffentlichen Bibliothekswesens und der Betreuung deutscher Auslandsschulen bei, wobei sie einen starken Fokus auf die internationale Zusammenarbeit legte. Im Rahmen der KMK wurde beispielsweise das Deutsche Sprachdiplom (DSD) für Auslandsschulen entwickelt, um die Sprachkompetenz von Deutsch als Fremdsprache im Ausland zu fördern. Im Gegensatz zu vielen anderen Sprachzertifikaten müssen Schüler:innen keine Prüfungsgebühren zahlen und können die Prüfung für das Deutsche Sprachdiplom nach mehreren erfolgreich absolvierten Schuljahren ablegen. Derzeit wird das DSD in über 70 Staaten von mehr als 80.000 Prüflingen pro Jahr abgelegt.
In den 1980er und 1990er Jahren setzte die KMK ihre Bemühungen fort, um trotz des weiteren Rückgangs der Schülerzahlen und der begrenzten pädagogischen Ressourcen, wie eines kürzeren Haushaltsbudgets, Verbesserungen in den Schulen zu erreichen. Sie konzentrierte sich dabei verstärkt auf die Sicherung der Qualität der Hochschulreife und die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung. Dafür wurden die Hochschulzulassung reformiert, die deutsche Rechtschreibung neu geregelt sowie verstärkt Partnerschaften im Bereich der europäischen Bildungspolitik eingegangen. Mit dem Konstanzer Beschluss von 1997 definierte die KMK die Qualitätssicherung schulischer Bildung als einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten. Dabei bildet unter anderem der Wettbewerb zwischen den Ländern eine wesentliche Grundlage für die Förderung der Qualitätsentwicklung.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der Etablierung der Bundesländer in den Gebieten der ehemaligen DDR erweiterte sich die KMK im Dezember 1990 um die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Berlin wurde ebenfalls als gesamtstädtischer Vertreter in die Konferenz aufgenommen, nachdem die westlichen und östlichen Teile der Stadt wieder vereint worden waren. Die Integration beider Landesteile erforderte eine umfassende Koordination und Angleichung der Bildungsstrukturen, Lehrpläne und Qualitätsstandards. Dabei spielte die KMK eine zentrale Rolle, sodass die Bildungslandschaft in Ost- und Westdeutschland zunehmend vereinheitlicht und Bildungsungleichheiten möglichst abgebaut wurden.
Seit den 2000er Jahren verstärkt die KMK ihre Bemühungen, die Bildungsqualität angesichts neuer Technologien weiter zu verbessern. Ihren Fokus legt sie dabei auf eine Vielzahl von Bildungsthemen, darunter die Förderung digitaler Bildung und die Anpassung der Lehrpläne an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Außerdem engagiert sie sich in der Förderung interkultureller Kompetenzen und im Austausch von Praktiken und pädagogischen Ansätzen zwischen den Ländern.
Seit 2004 legt die KMK außerdem alle zwei Jahre einen umfassenden Bildungsbericht für Deutschland vor, der die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen, Leistungen und Aufgaben des Bildungswesens anhand eines oder mehrerer Schwerpunktthemen beleuchtet. Der neunte und derzeit aktuelle Bildungsbericht von 2022 mit dem Schwerpunktthema “Bildungspersonal: Struktur, Entwicklung, Qualität und Professionalisierung” kann online kostenlos eingesehen werden.
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie rückte die KMK verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit. Angesichts der massiven Herausforderungen, vor die die Pandemie 2020 das Bildungssystem stellte, war die KMK an der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen beteiligt, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten und die Bildungschancen für Schüler:innen zu sichern. Als die Schulen plötzlich schließen mussten und der traditionelle Klassenraum durch virtuelle Klassenzimmer und Fernunterricht ersetzt wurden, trat die KMK in den Vordergrund, um innovative Lösungen zu entwickeln und sicherzustellen, dass Bildung zugänglich für alle bleiben konnte. Sie förderte den Einsatz digitaler Lernplattformen, unterstützte die Schulen bei der Bereitstellung von Technologie und setzte sich für die Schulung von Lehrkräften in den neuesten Unterrichtsmethoden ein.
Neben der Schul- und Hochschulpolitik stehen die Belange der Kulturpolitik der Länder stärker im Zentrum der KMK. Durch die Gründung einer eigenen Kulturministerkonferenz (Kultur-MK) im Jahr 2019 werden Themen wie die Sicherung des Kulturerbes, die Förderung kultureller Bildung und die Abstimmung von Bewerbungsverfahren für Kulturerbestätten unter Einbezug aktueller Debatten behandelt. In ihrer Gründungssitzung bekräftigte sie zum Beispiel ihre Unterstützung für künstlerische Freiheit als Grundprinzip ihrer Zusammenarbeit und initiierte die Entwicklung erster Leitlinien für den Umgang mit dem kolonialen Erbe in Museen und Sammlungen.
Trotz der Stimmen, die seit Jahren eine Reform des Bildungsföderalismus fordern und der Bemühungen der KMK, den Bildungsföderalismus – als historisches Erbe Deutschlands – zu koordinieren, herrschen in Deutschland im Jahr 2023 noch erhebliche Differenzen und Herausforderungen zwischen den Bundesländern. Diese betreffen unter anderem Lehrpläne, Schulstrukturen, Schulreformen oder Prüfungsstandards. Kritiker:innen argumentieren, dass diese Vielfalt zu Ungleichheiten in Bildungs-Chancen und -qualität führt, zum Beispiel auch für Schüler:innen, die von Umzügen über die Ländergrenzen hinweg betroffen sind. Dennoch arbeitet die KMK aktiv an einer verstärkten länderübergreifenden Zusammenarbeit, um Bildungsstandards zu harmonisieren und Chancengleichheit zu fördern. Mit kontinuierlichen Bemühungen und wachsender Kooperation besteht die Aussicht, dass die KMK den Weg für die zukünftige Entwicklung eines einheitlicheren und gerechteren Bildungssystems in Deutschland ebnet.
Bleibt gespannt! In den kommenden Tagen werden wir im Rahmen unserer Themenwoche über die KMK und die Digitalisierung, aktuelle Debatten und Kritik und mögliche Reformperspektiven berichten.