Lehrermangel trotz A13: Was die neue Besoldung in Niedersachsen bewirkt

Von
Albert Koch
|
6
.
August 2024
|
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Lehrer mit Aktentasche

Nicht nur Gymnasiallehrer:innen, sondern auch Lehrkräfte an anderen Schulformen sollen in Niedersachsen von nun an nach A13 besoldet werden. Der Lehrermangel bleibt ein Problem. (Quelle: Pixabay)

Hannover. Mit dem Ende der Sommerferien in Niedersachsen tritt eine neue Regelung des Lehrer:innengehalts in Kraft. Seit dem ersten Schultag zu Beginn dieser Woche sind alle Lehrkräfte an Grund-, Haupt- und Realschulen in die Besoldungsgruppe A13 eingestuft. Bisher war diese Gehaltsstufe vor allem Gymnasiallehrer:innen vorbehalten. Mit diesem Schritt versucht die Landesregierung den Lehrer:innenberuf an allen Schulformen attraktiver zu machen, um dem vorherrschenden Lehrermangel vorzubeugen (Lehrer-News berichtete). Die Aussichten bleiben dennoch schwierig.

„Auf einem guten Weg“: Den Lehrerberuf in Niedersachsen attraktiver machen

Auch wenn anfangs noch Zweifel an der Umsetzung des Wahlversprechens der rot-grünen Landesregierung seitens der Opposition herrschte, wird dieses nun wie angekündigt pünktlich zum Schuljahresstart eingelöst. Etwa 35.000 Lehrer:innen profitieren von der Aufstufung in die Besoldungsgruppe A13, was bereits im Einstiegsgehalt circa 300 Euro mehr im Monat bedeutet. Lehrer:innen für Fachpraxis an Berufsschulen rutschen derweil auf die Besoldungsgruppe A10 nach oben. Nächstes Jahr wird das Land dafür mit 69 Millionen Euro aufkommen, in den folgenden könnten es bis zu 176 Millionen Euro jährlich werden. Um das sogenannte Abstandsgebot zu wahren, hat die Landesregierung auf Drängen des niedersächsischen Landesverbands der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) hin auch Schulleiter:innen an kleineren Schulen mit bis zu 80 Kindern ein Aufrücken auf A14 zugestanden. Bisher erhalten diese noch die Gehälter gemäß A13 sowie einen Zuschlag von 225,90 Euro monatlich, während Schulleiter:innen von Schulen mit über 80 Kindern nach A14 bezahlt werden. Dieser weitere Schritt, der vor allem Grundschulleitungen betreffen wird, ist bis jetzt allerdings noch nicht umgesetzt worden.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen eine einheitliche Bezahlung nach A13 erwirkt wurde, geschieht diese Umstellung nicht stufenweise, sondern in einem Zug mit Beginn dieses Schuljahres. Die Regierung möchte mit diesem Schritt der Abwanderung von Absolvent:innen des Lehramtsstudiums vor allem nach Nordrhein-Westfalen entgegenwirken und besonders die Stellen an Grund-, Haupt- und Realschulen attraktiver machen. „Wir schaffen eine gerechtere Besoldung, tragen den gestiegenen Anforderungen an unsere Lehrkräfte Rechnung und erhöhen so die Attraktivität des Lehrkräfteberufs“, erklärte die Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) in einer Pressemeldung. Im Interview mit dem NDR am Montagmorgen hielt sie noch einmal fest: „Wir sind auf einem guten Weg.“

Auch die Gewerkschaften begrüßen diese lange geforderte Maßnahme. „Wir sind erstmal sehr damit zufrieden, dass die Landesregierung Wort gehalten hat“, stellte der Vorsitzende der GEW Niedersachsen, Stefan Störmer, am Donnerstag fest. „Das ist ein großartiger Schritt und führt vor allen Dingen dazu, dass viele Kolleg:innen im Land bleiben.“ Marion Borderieux vom Verband Leitung Niedersächsischer Grundschulen (LNGS) nannte die gerechtere Bezahlung einen Schritt hin zu mehr Wertschätzung in der Gesellschaft und verwies auf die wichtige Aufgabe der Grundschulen, Basiskompetenzen zu vermitteln und den Grundstein für lebenslanges Lernen bei jungen Kindern zu legen. Lediglich der Landesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands (DPhV), Christoph Rabbow, befürchtet eine steigende Konkurrenz für Gymnasien im Bemühen um Stellenbesetzungen und forderte dementsprechend mehr Geld für Gymnasiallehrer:innen.

„Die Schule brennt“: Scharfe Kritik am Schulsystem bleibt

Trotz der guten Neuigkeiten überwiegt zu Beginn des neuen Schuljahres eindeutig die Kritik. Zu ihrer üblichen Pressekonferenz zum Schulstart veröffentlichte die GEW Niedersachsen eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Die Schule brennt“. Die Besoldungsanpassungen werden darin eingangs als „längst überfällig“ bezeichnet, woraufhin der Fokus auf die Mängel des niedersächsischen Schulsystems schwenkt: „Dauerbrenner wie die beunruhigende Abbrecherquote, kontinuierlich ansteigende Krankenstände, vorzeitige Pensionierungen und sich häufende Teilzeitanträge sind keine kleinen Strohfeuer mehr. All das sind offensichtliche Faktoren eines um sich greifenden Flächenbrandes. Allen Akteuren sollte mittlerweile klar sein, dass die Schule lichterloh brennt.“ Torsten Neumann, der Vorsitzende des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL), kritisierte am Donnerstag den erhöhten Unterrichtsausfall an niedersächsischen Schulen: „Der Ausfall vieler Unterrichtsstunden an unseren Schulen ist und wird leider ein Dauerzustand bleiben. Noch sehen wir kein erfolgsversprechendes Konzept zur Behebung dieses Problems.“

Mehr Personal denn je und trotzdem Lehrermangel

Mit Beginn des neuen Schuljahres sind an den Schulen Niedersachsens mehr Personalstellen besetzt als je zuvor. 2.191 Neuanstellungen nach 1.764 Abgängen machen ein Plus von mehr als 400 Lehrkräften aus. Dieser Rekord sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass gleichzeitig so viele Schüler:innen wie nie eingeschult werden. Ganze 190.000 Schüler:innen mehr als im Vorjahr bedeuten einen Zuwachs von 2,2 Prozent. Für eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung fehlen in etwa 2.000 Lehrkräfte. An Gymnasien lag diese Versorgung zuletzt zwar bei nahezu hundert Prozent, allerdings erreichte sie zum Beispiel an Förderschulen nur 91,6 Prozent. Eine Versorgung von hundert Prozent sei mindestens notwendig, um eine Schule „stabil zu fahren“, mahnt GEW-Landesvorsitzender Stefan Störmer. Am meisten unter dem Mangel zu leiden haben vor allem nicht-gymnasiale Schulen und Schulen im ländlichen Raum. Neben der Besoldungsanpassung und 2.460 zusätzlich geplanten Stellen fürs nächste Jahr erwähnte Ministerin Hamburg am Montagmorgen weitere Pläne, um benachteiligte Schulen für Berufseinsteiger:innen attraktiver zu machen. Dabei läge die Idee vor, eine drei- oder fünfjährige Tätigkeit an diesen Schulen verpflichtend zu machen, bevor der Antritt an der Wunschschule möglich wäre – mit der Hoffnung, dass einige Lehrkräfte doch bleiben. Überhaupt denke man darüber nach, befristete Verträge anzubieten, um die Entscheidung, vorübergehend an einer benachteiligten Schule zu unterrichten, leichter zu machen.

Im Vergleich zum Stadtstaat Hamburg habe Niedersachsen nun den gleichen Standard, was die einheitliche Besoldung anbelangt, erwähnt die Ministerin. Die Nachbarländer Nordrhein-Westfalen und Hessen, die eine Anhebung auf A13 für alle Lehrkräfte gerade stufenweise einführen, habe Niedersachsen somit auf einen Schlag überholt. Wie sehr dies der Abwanderung von jungen Lehrer:innen und dem Lehrermangel an sich entgegenwirken kann, bleibt abzuwarten. Die Maßnahme bedeutet immerhin für Grund-, Haupt- und Realschullehrer:innen eine gute Neuigkeit und sorgt für mehr Gerechtigkeit. Bislang überwiegen aber dennoch die Schwierigkeiten, denen das niedersächsische Schulsystem ausgesetzt ist.

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