Schulen in Hamburg: Freiwillige Notenvergabe bis zur 9. Klasse

Eine Brille liegt auf einem Zeugnis

Die klassische Notenvergabe könnte in Hamburg bald der Vergangenheit angehören. Ein Schulversuch hat dies bereits vorgemacht (Quelle: Canva)

Hamburg. Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) hat in einem Interview mit der taz verkündet, dass alle Schulen in der Hansestadt künftig bis zur 9. Klasse auf Noten verzichten können. Hintergrund ist der Schulversuch “Alleskönner”, der zuvor an 50 Schulen in Hamburg durchgeführt wurde. Jetzt verkündete Bekeris: “Wer mitmachen möchte, kann mitmachen.” Damit wäre für alle Schulen Notenvergabe zunächst freiwillig und erst ab dem 9. Jahrgang verpflichtend. Bekeris betont zudem die Bedeutung des direkten Austauschs mit den Schüler:innen, um besser auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen zu können.

Der Schulversuch “Alleskönner”, an dem Grundschulen, Gymnasien, Sonderschulen und Stadtteilschulen beteiligt waren, wurde bereits im Jahr 2008 gestartet. Das oberste Ziel des Projekts war es, die Kompetenzen der Schüler:innen bei der Unterrichtsentwicklung zu berücksichtigen. Dies beinhaltete im Wesentlichen die Entwicklung einer kompetenzorientierten Selbsteinschätzung und Rückmeldung, die anstelle von Notenzeugnissen tritt. Damit wurde der Fokus von der klassischen Notenvergabe hin zu einer kompetenzorientierten Leistungsrückmeldung verschoben.

Die Vorsitzende der Elternkammer Hamburgs, Simone Kohl, wies bereits vor einigen Wochen darauf hin, dass eine Bildungswende vonnöten sei, und nannte das Projekt “Alleskönner“ als ein positives Beispiel für Leistungsbewertung. Sie äußerte außerdem den Wunsch, dieses Modell auf alle Schulen zu übertragen. Dies soll laut der Schulsenatorin nun in die Realität umgesetzt werden. 

Das Vergeben von Ziffernnoten an Schulen steht seit Jahrzehnten in der Kritik. Insbesondere Grundschulen verweisen auf alternative Bewertungsformen, wie beispielsweise in Waldorfschulen oder reformpädagogischen Modellschulen. Noten bewerten stets einzelne Leistungen und spiegeln laut Kritiker:innen nicht wider, was ein Kind tatsächlich kann. So repräsentiert die Gesamtnote immer den Durchschnitt vereinzelter Teilleistungen, wodurch unsichtbar bleibt, in welchen Bereichen des Fachs die Schüler:innen möglicherweise besonders gut waren oder noch Lücken haben. Es ist demnach möglich, dass ein Kind im Fach Deutsch sehr gut formulieren kann, aber Defizite in der Rechtschreibung aufweist. Diese einzelnen Kompetenzen gehen jedoch in den Ziffernnoten unter.

Seit Jahren wird diskutiert, inwieweit Schulnoten objektiv sind und sein können, dabei ist immer wieder von einer Ungleichbehandlung der Schüler:innen die Rede (Lehrer News berichtete). In der Vergangenheit hat sich häufig gezeigt, dass Lehrkräfte dieselbe Arbeit unterschiedlich bewerten. Trotz der Bemühungen der Schulen, einheitliche Bewertungsstandards festzulegen, bleibt insbesondere bei der Bewertung mündlicher Leistungen ein gewisser Spielraum. Zusätzlich werden die Urteile und Bewertungen unbewusst von psychologischen Prozessen beeinflusst. So spielt die vorherige erbrachte Leistung der Schüler:innen eine Rolle bei künftigen Bewertungen und führt zu einer Verzerrung. Insgesamt wird also immer wieder über die Gerechtigkeit von Noten diskutiert. Zur Vertiefung: Eine Studie von Hans Brügelmann befasst sich umfassend mit der Notwendigkeit von Schulnoten.

Eine alternative Leistungsbewertung wird somit in Zukunft häufiger diskutiert und umgesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob weitere Bundesländer dem Beispiel Hamburgs folgen.

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