Cybermobbing: Wenn das Smartphone zur größten Gefahr im Kinderzimmer wird (Quelle: Canva)
Karlsruhe. Cybermobbing wird für Schüler:innen in Deutschland immer mehr zur alltäglichen Belastung. Eine aktuelle Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing und der Barmer Krankenkasse zeigt, dass fast jede fünfte Person im schulischen Umfeld von Cybermobbing betroffen ist – insgesamt mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche.
Laut der Studie “Cyberlife V – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern”, die zwischen Mai und Juni 2024 durchgeführt wurde, sind die Zahlen seit 2017 kontinuierlich gestiegen. Erhoben wurden die Daten von 637 Lehrkräften, 1.061 Eltern und 4.213 Schüler:innen im Alter von 7 bis 20 Jahren. Besonders betroffen sind Schüler:innen in der Pubertät, von denen sich 18,5 Prozent als Opfer von Cybermobbing outen.
Die Studie legt offen, dass 80 Prozent der Cybermobbing-Vorfälle im schulischen Umfeld stattfinden. Mobbing äußert sich meist in Form von Beleidigungen, Drohungen oder der Verbreitung von Lügen über digitale Kanäle wie Messenger und soziale Netzwerke. Über 57 Prozent der Betroffenen berichten, dass sie durch die Angriffe stark verletzt wurden und 26 Prozent gaben an, bereits Suizidgedanken entwickelt zu haben. Auch physische Beschwerden wie Kopfschmerzen und Magenschmerzen sind bei 34 Prozent der Schüler:innen die Folge der psychischen Belastung.
An Schulen wie der Mittelschule in Plattling gibt es Unterstützung durch Sozialarbeiter:innen. Schüler:innen können sich bei Problemen wie Cybermobbing beraten lassen oder rechtliche Schritte einleiten lassen. Uwe Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing betont jedoch, dass vielen Schulen die Mittel für umfassende Präventionsmaßnahmen fehlen. “Schulen, die präventiv tätig sind, haben weniger Cybermobbing-Fälle”, erklärt Leest. Statt nachhaltiger Programme greifen viele Schulen auf punktuelle Aktionen wie Vorträge durch die Polizei zurück. Diese seien jedoch oft nicht ausreichend, um das Problem langfristig in den Griff zu bekommen.
Nicht nur die Schulen, auch die Eltern spielen eine wichtige Rolle im Umgang mit Cybermobbing. “Die Eltern schließen die Handyverträge ab, aber die Kinder nutzen die Handys”, sagt der Schulsozialpsychologe Florian Geiger. Er betont, dass Eltern den Umgang ihrer Kinder mit digitalen Medien stärker kontrollieren sollten – natürlich in Absprache mit den Kindern. Geiger rät zu gelegentlichen Kontrollen der Smartphones, um problematische Inhalte frühzeitig zu erkennen. Schließlich sind es die Eltern, die für die Aktivitäten ihrer minderjährigen Kinder rechtlich verantwortlich sind.
In Deutschland gibt es noch kein eigenes Gesetz gegen Cybermobbing, obwohl die Innenminister:innen der Länder dies bereits gefordert haben. In Ländern wie Österreich ist Cybermobbing bereits seit 2016 ein eigener Straftatbestand. Das Bundesjustizministerium zeigt sich jedoch zurückhaltend, da bereits bestehende Gesetze wie Verleumdung oder Beleidigung entsprechende Straftatbestände abdecken. Experten:innen betonen, dass ein eigenes Gesetz zur Abschreckung beitragen könnte.
Gleichzeitig diskutieren immer mehr Schulen in Deutschland über ein Handyverbot, um Cybermobbing einzudämmen (Lehrer News berichtete). Uwe Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing unterstützt diesen Ansatz: “Wir müssen den Schulraum wieder zu dem machen, was er sein sollte – ein Raum zum Lernen, nicht zum Versenden von Nachrichten. Ein handyfreier Raum würde vielen helfen und das Klima des gegenseitigen Respekts fördern”. Doch egal, ob Gesetz oder Handyverbot – klare Maßnahmen sind nötig, um die wachsende Bedrohung durch Cybermobbing wirksam zu bekämpfen.