Ein Alltagsthema für Vertretungsstunden: Knigge-Regeln

Ein Alltagsthema für Vertretungsstunden: Knigge-Regeln

Das Thema Knigge-Regeln bietet viele Möglichkeiten, eine Vertretungsstunde zu gestalten. (Quelle: Envato)

Wer kurzfristig als Vertretung einspringt, kann sich meist nur schlecht auf die Klasse vorbereiten. Deshalb hilft es, für solche Fälle praktische Themen in der Tasche zu haben, mit denen man eine Vertretungsstunde als fachfremde Lehrkraft sinnvoll gestalten kann. Genau für diesen Fall möchten wir euch hier einen passenden Vorschlag vorstellen: Eine Unterrichtseinheit zum Thema Knigge.

Viele Schüler:innen werden mit dem Begriff und den Knigge-Regeln schon etwas anfangen können. Sobald im Austausch die ersten Beispiele genannt werden, können sicher auch die anderen in ein erstes Brainstorming zum Thema einsteigen. Zu den Begriffen Höflichkeit, Benehmen, Gepflogenheiten und Etikette könnt ihr mit der Klasse erstmal alle Assoziationen zum Thema sammeln. Wenn ihr auf den Input der Schüler:innen eingeht, werdet ihr ein Gefühl dafür bekommen, welche Haltung sie dazu haben, also wie viel Wert sie auf ein  gutes Benehmen legen.

Ein kleiner historischer Exkurs zur Herkunft der Knigge-Regeln

Der Einstieg ist also bestimmt nicht schwer, aber sicher wird die Frage aufkommen: "Knigge", was heißt das eigentlich und wo kommt das her? Dass es die Regeln gibt, ist das eine, aber wer sie bestimmt hat, dazu bietet sich ein kleiner historischer Exkurs an. Adolph Freiherr von Knigge hat 1788 das Buch “Über den Umgang mit Menschen” veröffentlicht. Das Werk war sofort ein Bestseller und erhielt schnell neue Auflagen. Über die Jahre wurden unter dem Titel Knigge bis heute regelmäßig neu angepasste Verhaltensregeln veröffentlicht. Dadurch ist der Namensgeber Freiherr von Knigge vielerorts als “Anstandspapst” in Verruf geraten. Ein genauer Blick auf sein Werk zeigt aber, dass das weniger mit ihm als den späteren Interpretationen seines Buches zu tun hat.

Als Anhänger der Aufklärung wollte er einerseits die Bürger mit seiner Handreichung ermächtigen, sich am Hof zurechtzufinden und nicht zum Spielball des Adels zu werden. Von seinem eigenen Adelstitel machte er daher konsequenterweise auch keinen Gebrauch mehr. Andererseits war es ihm ein Anliegen, dass die Menschen gut miteinander umgehen. Ein Regelbuch stellte sein Werk aber nicht dar, schon gar nicht eine Handreichung, wie man das Besteck zu halten hat. Vielmehr leitete er aus seinen Beobachtungen der Menschen und deren Verhalten Empfehlungen ab, wie diese besser miteinander auskommen können.

Knigge im Alltag der Schüler:innen

Unter diesem Gesichtspunkt können auch die Schüler:innen einen guten Zugang zum Thema finden, indem sie sich selbst die Frage beantworten, was ihnen im Umgang miteinander wichtig ist und auf welche Regeln sie sich untereinander verständigen können. Online finden sich einige Knigge-Quizze. Hier solltet ihr aber aufpassen bzw. euch am besten schon vor der Stunde einmal durchgeklickt haben, da diese oft auf veralteten Rollenbildern basieren und mit dem Alltag von Kindern teilweise wenig zu tun haben.

Vielmehr lohnt es sich, mit den Schüler:innen der Frage auf den Grund zu gehen, warum der richtige Umgang miteinander wichtig ist. Worauf legen sie selbst Wert, wenn sie sich in die Position von Herrn Knigge versetzen und das Zusammenleben in unserer Gesellschaft beobachten? Gibt es da tatsächlich Unterschiede zwischen jung und alt, wie es ein häufiger Vorwurf ist? In einem weiteren Schritt können die Kinder die erarbeiteten Benimm- und Verhaltensregeln für sich, in der Gruppe oder der Klasse gewichten, beispielsweise mit Hilfe einer Pyramide. Allerdings sollte es bei dem Thema nicht darum gehen, dass die Schüler:innen individuell etwas falsch oder richtig machen können. Viel hilfreicher ist es, zu verstehen, was gute Grundlagen im Umgang miteinander sind und darauf aufbauend, wie man besonders aufmerksam, zuvorkommend oder höflich auftreten kann. So können die Schüler:innen etwas Positives aus der Bearbeitung des Themas mitnehmen.

Schwerpunkt je nach Klassenstufe

Für eine Vertretungsstunde ergibt sich je nach Klassenstufe die Möglichkeit, eine unterschiedliche Ausrichtung zu wählen. Geht es bei der Klasse auf den Abschluss oder ein Praktikum zu, könnt ihr bevorstehende Bewerbungsgespräche als Aufhänger für die Knigge-Regeln nutzen. Dabei könnt ihr entlang von Sprache, Kleidung und Verhalten den Umgang mit Fremden und Autoritätspersonen erarbeiten. Anstand, Höflichkeit und Auftreten finden einen praktischen Bezug und können in einem Rollenspiel ausprobiert und reflektiert werden.

Weil die Knigge-Regeln auch eher kleinteilige Themen wie die richtige Reihenfolge von Gläsern und Besteck auf dem Tisch beinhalten, könnt ihr das Thema aber auch etwas freier oder humorvoller aufgreifen. Im Alltag der Schüler:innen und im privaten Bereich der meisten Menschen haben viele der Regeln keine akute Anwendung. Dies bietet eine gute Grundlage, um über den Sinn und Unsinn mancher Knigge-Regeln zu diskutieren. Trotzdem lässt sich am Ende ein guter Bogen schlagen zu Regeln, die den Kindern selbst tatsächlich wichtig sind. Beispielsweise ist es den meisten Menschen am Tisch weniger wichtig, wie man das Besteck hält, als nicht zu schmatzen oder die Finger abzulecken.

Ein moderner Zugang zum Thema findet sich auch in der Betrachtung von  Umgangsformen in der Kommunikation am Beispiel von Internet und Social Media. Dort herrscht oft ein rauer Umgangston. Basierend auf den gemeinsam erarbeiteten Regeln im Umgang miteinander können die Schüler:innen analysieren, warum sich viele Menschen online anders verhalten und wieso auch hier die Regeln mehr Beachtung finden sollten. Außerdem bietet das Thema Smartphonenutzung allgemein eine Vergleichsmöglichkeit zwischen Knigge früher und heute. Dabei könnt ihr mit den Kindern darauf eingehen, wie diese Formen der Handynutzung auf Außenstehende wirkt: Kopfhörer tragen, in der Öffentlichkeit laut Musik hören oder den Klingelton anhaben, während einem Gespräch auf das Handy schauen, oder anderen lieber zu schreiben statt mit ihnen zu reden oder sie anzurufen.

Weiterführende Unterrichtsmaterialien

Wenn ihr also Lust habt, mit dem Thema in die nächste Vertretungsstunde zu gehen, dann findet ihr Infos und Arbeitsmaterialien zum Thema Knigge beispielsweise unter dem Oberbegriff Handeln auf lehrerfortbildung-bw.de. Auch das bayerische Angebot lehrplanPLUS hat Material bereitgestellt, das sich mit Benimmregeln auseinandersetzt. Dort findet ihr unter anderem Fallbeispiele, die ihr mit den Kindern besprechen könnt. Für die Berufsvorbereitung gibt es eine umfangreiche Broschüre des Berufsbildungszentrums der IHK Siegen. Darin sind für verschiedene Situationen sehr detaillierte Unterrichtseinheiten formuliert, aus denen ihr gut einzelne Aufgabenstellungen herauspicken könnt. Auch die DGUV hat in Azubi-Knigge eine gute Zusammenstellung zum Thema, die sich speziell auf den Berufseinstieg bezieht. Dieses Material eignet sich auch für die letzten Unterrichtseinheiten nach den Abschlussprüfungen.

Unter dem umfangreichen Begriff Knigge finden sich also viele Ansatzpunkte für eine bunte und lehrreiche Vertretungsstunde. Außerdem liegt dem Thema auch deshalb eine Lockerheit inne, da sich die Anstandsregeln in unserer Gesellschaft kontinuierlich wandeln und es sich bei dem Thema daher nicht um Schwarz-Weiß-Denken handelt. Seid ihr auf der Suche nach weiteren Alltagsthemen für eine Vertretungsstunde, ist vielleicht unser Vorschlag zum Thema AGB interessant. Hier findet ihr auch eine allgemeine Übersicht zu den vielfältigen Möglichkeiten, wenn ihr mal wieder als Vertretung einspringen müsst. 

Habt ihr noch weitere praktische Themen für Vertretungsstunden? Dann schreibt uns das gerne in den Kommentaren.

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