Von “Edubba” und Paidagogos: Die Geschichte der (antiken) Bildung

Von
Viola Hegner
|
17
.
July 2023
|
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Wie lernte man eigentlich früher? (Quelle: Commons)

Bildung erfahren zu dürfen, ist für die Kinder in Deutschland heute selbstverständlich. Zur Schule zu gehen ist aus dem Leben von Kindern und Jugendlichen, ihrer Erziehung und Entwicklung und damit auch dem Aufbau und der Struktur unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Doch wie entstanden Schulen eigentlich? Seit wann existieren großflächige Bildungssysteme, wie funktionierten diese und was für Schlüsse können wir heute aus den übermittelten Beschreibungen der frühesten Schulen ziehen? 

Um das zu beantworten, gehen wir zum Beginn unserer Themenwoche zeitlich weit zurück und blicken auf die weltweiten Anfänge von schulischer Bildung. 

“Edubba”: Die Anfänge der Schule

Die Nachweise für die ersten Schulen der Welt finden sich im Gebiet des heutigen Irak. Bereits vor fast 4000 Jahren wurde dort im damaligen Mesopotamien, dem Zweistromland von Euphrat und Tigris, gelehrt und gelernt. Als Ursprung der schulischen Bildung wird der Beruf als Schreiber gesehen. „Das war ein extrem wichtiger und angesehener Beruf. Triebfeder für die Entwicklung der Schrift war die Bevölkerungsentwicklung in Städten, deren Versorgung durch eine straff organisierte Verwaltung sichergestellt werden musste,” sagt Konrad Volk, emeritierter Professor für Altorientalische Philologie an der Universität Tübingen.

3800 Jahre sind die schriftlichen Aufzeichnungen über diese Schulen alt. Doch überraschend ähnlich scheinen  die damals so genannten "edubba", also "Tafelhäuser", den heutigen Schulen zu sein. Die gefundenen Schriften, mit Keilschrift auf Tontafeln verewigt, sprechen von Pausenbroten, welche von den Eltern vorbereitet wurden, und sogar die Tadellungen des Lehrers  „Deine Handschrift ist miserabel!“ könnte heute noch in dem ein oder anderen Übungsheft eines Schülers zu finden sein. Aus den Aufzeichnungen eines damaligen Schülers lässt sich ein strenger Umgangston nachvollziehen. Den Schülern war es beispielsweise verboten, in der eigenen babylonischen Sprache zu sprechen. Gelehrt wurde in der sumerischen Sprache, die zu dieser Zeit im Alltag schon lange nicht mehr genutzt wurde und wohl aus Traditionsgründen in den Schulen weiter fortgeführt wurde. Befolgten die Schüler:innen die Regeln der Schule nicht, folgten körperliche Strafen. So schreibt es der Schüler: „Da schlug er (der Lehrer) mich …“ 

Volk erklärt, dass die Schule jedoch weit mehr war als eine reine Schreiberausbildung: „Es ging um ganzheitliche Bildung. Die Kinder haben sich mit literarischen Werken und Geschichte beschäftigt. Auch das berühmte Gilgamesch-Epos war wichtig für den Bildungshorizont. "Letztlich ging es darum, die Augen für das Leben und die umgebende Welt zu öffnen.“ 

Zu dieser Zeit waren längst noch nicht alle Kulturen so weit ausgebildet, ein Schulsystem zu entwickeln. Doch mit der Zeit entstanden in den großen Hochkulturen der Geschichte viele verschiedene Systeme und Strukturen, um Kindern und Jugendlichen Bildung zu vermitteln.  

Das alte Ägypten: So lernte man in den “Häusern des Lebens”

Relief aus dem Grabmal des Horemheb (Quelle: Commons)

So auch im alten Ägypten. Hier spielte Schulbildung eine immense Rolle, denn alle angesehenen Berufe waren den  Gebildeten vorbehalten. Eine Schulpflicht gab es jedoch nicht. In den meisten Fällen waren es, wie so oft, nur die Kinder der Oberschicht, die eine gute Bildung genießen durften. Die Kinder der armen Bevölkerung – und arm waren fast alle Menschen im alten Ägypten – hatten keine Zeit zur Schule zu gehen. Sie halfen dem Vater bei der Arbeit oder der Mutter mit Haushalt und Geschwisterkindern. Anders als in anderen antiken Kulturen war es den Mädchen jedoch durchaus erlaubt, auch eine Schule zu besuchen. 

Die Realität sah jedoch oft anders aus. Mädchen wurden früh verheiratet, anstatt einen Beruf zu erlernen, und so wurde die Schulausbildung für sie schlicht überflüssig. Man geht trotzdem davon aus, dass einige Mädchen durchaus Grundkenntnisse in Mathematik und Schreiben erlernt haben, ob in der Schule oder von ihren Müttern ist jedoch unklar. Ursprünglich wurde im alten Ägypten in Höfen unterrichtet.

Ältere Kinder gingen später jedoch in Schreiberschulen, die so genannten “Häuser des Lebens”. Neben Schreiben und Lesen wurde hier Mathematik, Geometrie, Astronomie, und teilweise auch Recht, Medizin, Geographie und Religion unterrichtet. Doch die genutzten Hieroglyphen waren wohl nicht ganz so leicht zu erlernen. Übungstafeln, die Archäologen gefunden haben, wimmeln oftmals nur so von Schreibfehlern. Die Kinder lernten nicht wie wir heute das Alphabet, also einzelne Hieroglyphen, sondern ganze Wörter. Besonders schwere Hieroglyphen wurden in den gefundenen Tafeln, am Rand als Übung, noch einmal einzeln wiederholt, ähnlich zu heutigen Vorgehensweisen. Man kann auch verschiedene andere Lernmethoden heute noch nachvollziehen: Alte Texte, teilweise bis zu 700 Jahre älter als die Kinder, mussten von diesen abgeschrieben werden, oder der Lehrer diktierte sie. Eine andere Methode war es, vorher gelesene oder gehörte Texte aus dem Gedächtnis aufzuschreiben. Die Themen der Texte behandelten dabei oft Weisheitslehren wie Respekt gegenüber Vater und Lehrer, um den Kindern neben den Schreibübungen Anstand und Tugend mitgeben zu können. Wollten Kinder sich nicht an diese Anstandsregeln halten, wurde ihr Ungehorsam meist mit Stockhieben von Seiten des Lehrers bestraft.  „Das Ohr des Schülers befindet sich auf seinem Rücken“, so die einhellige Meinung der damaligen Lehrer.

Doch wer das überstand und die Schule meisterte, der konnte mit bereits 14 oder 15 Jahren einen guten Posten in der Verwaltung oder sogar als Arzt oder Priester erhalten. 

Ganz ähnlich stand es auch in der Antike um die Chancengleichheit von Kindern.

Das antike Griechenland: Schule zwischen Philosophie und Kampfgeist 

“Die Schule von Athen” von Raffaello Sanzio da Urbino (Quelle: Commons)

Das antike Griechenland: Geprägt von Demokratie und Philosophie und damit Inbegriff einer guten Bildung…oder? Nicht ganz. Im antiken Griechenland war die Schulbildung rein den freien, männlichen Bürgern vorbehalten. Das Bürgerrecht war erblich, nur in besonderen Fällen konnte es an nicht als Bürger geborene Männer vergeben werden. Somit wurde auch das Recht auf Bildung vorwiegend innerhalb einzelner Familien weitergegeben und drang nur wenig in andere Bevölkerungsschichten vor. 

Sklaven und Frauen hatten generell nur wenige Rechte und damit auch nicht das Recht, eine Schule zu besuchen. Das Privileg, Lesen und Schreiben zu erlernen, dürften nur wenige der Mädchen, und natürlich auch nur solche aus sehr reichem Hause, gehabt haben, denn Frauen wurden hauptsächlich in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter gesehen. Die jungen männlichen Bürger jedoch wurden ab dem Alter von sieben Jahren in den griechischen Schulen unter anderem in Gymnastik und Wettkampf, Tanz und Dichtkunst unterrichtet. Dem Unterricht beiwohnen mussten, zumindest ging es um die Betreuung von sehr reichen Jungen, auch die Sklaven der Schüler. Diese nannten sich “Paidagogos” und waren dafür zuständig, die Schulaufgaben zu betreuen und dafür zu sorgen, dass der Schützling in der Schule richtiges Benehmen aufwies. Um das durchzusetzen, hatte der “Paidagogos” auch das Recht, körperliche Strafen auszuführen. 

Eine ganz besondere Rolle spielte Bildung in Sparta. Die Jungen wurden in staatlichen Erziehungshäusern unterrichtet und dort schon sehr früh auf ein soldatisches Leben gedrillt. Diese Vorbereitung bestand aus Unterricht in Entbehrung, Bescheidenheit, körperlichen Höchstleistungen in Sport und Wettkampf sowie Kampfübungen. 

Die Mädchen wiederum wurden auf ein späteres Leben als Hausfrau und Mutter vorbereitet. 

Dies änderte sich im Hellenismus, beginnend etwa 300 vor Christus. Zu dieser Zeit war Bildung schließlich fast allen freien Menschen in Griechenland zugänglich, denn die Alphabetisierung spielte eine immer größere Rolle in der griechischen Gesellschaft. 

Somit besuchten Jungen und Mädchen gleichermaßen die Schulen. 

Das antike Rom: Bildung ist Familiensache

Ganz anders sah es im antiken Rom aus. Hier hatte die Schulbildung eine geringere Bedeutung, denn für die Erziehung und Bildung der Kinder war weniger der Staat und mehr die Familie zuständig. 

Bis zum 15. Lebensjahr bereitete der Vater die Jungen auf ihr Leben als späterer Staatsbürger vor. Typischerweise erhielten die jungen Römer hier Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen, oft auch Rechtslehre, Sport- und Waffenkunde. Einheitliche Regelungen gab es jedoch nicht. Wie auch im frühen antiken Griechenland war diese Bildung jedoch vorwiegend den Männern vorbehalten, Mädchen lernten nur sehr selten Lesen, Schreiben und Rechnen. 

Ab 300 vor Christus, zur Zeit des Hellenismus, wurde der griechische Einfluss auf Rom immer spürbarer — auch in der Bildung. Reiche römische Privathaushalte stellten sogar oft griechische Sklaven an, um ihre Kinder zu unterrichten. 

Außerdem entstand nun eine grundlegende Bildungsstruktur. Kleine Kinder gingen in niedere Schulen, an denen Rechnen, Schreiben und Lesen unterrichtet wurde, sogenannte “Ludus litterarius”. Ab einem Alter von elf Jahren konnten die Jungen aus der Oberschicht Grammatikschulen besuchen, in welchen ebenfalls verschiedene Grundfächer gelehrt wurden, jedoch mit einem vermehrten Schwerpunkt auf Poetik und griechischer Literatur.

Rhetorikschulen wiederum galten als höhere Schulen für Jugendliche ab 16 Jahren, an denen älteren Kindern und Jugendlichen unter anderem Politik und Ethik gelehrt wurden. 

Religion als Stütze des Schulsystems 

(Quelle: Commons)

Nach dem Niedergang Roms im 5. Jahrhundert nach Christus wurde die christliche Kirche zum entscheidenden Träger des Bildungswesens in Europa. Das Wissen der Antike mischte sich mit dem christlichen Gedankengut und es entstand eine Infrastruktur von Klöstern zur Bildungsvermittlung. 

Diese Klosterschulen wurden in “innere” und "äußere" Schulen unterschieden. In den inneren Schulen wurden Mädchen sowie Jungen auf das Leben als Mönch oder Nonne vorbereitet. In den Äußeren wurden wohlhabende Kinder, meist adliger Herkunft, unterrichtet. Zuerst wurde den  so genannten “Laienkindern” dabei Religion und Geschichte 

näher gebracht, später widmete sich der Unterricht den “Septem Artes liberales”, den sieben freien Künsten: Grammatik, Rhetorik und Dialektik,, die mathematischen Fächer, Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie.

Das Bildungsideal des Ritterstandes bestand zur gleichen Zeit vorwiegend aus einer nicht-schriftlichen Erziehung. In Anlehnung an die sieben freien Künste wurde der angehende Ritter in den "Septem Probitates", den sieben Tüchtigkeiten, unterwiesen: Reiten, Schwimmen, Bogenschießen, Fechten, Jagen, Schachspiel und Verseschmieden. 

Ein Schulsystem, wie wir es heute kennen, in dem alle Kinder eine faire Chance auf eine ausreichende Bildung bekommen, entstand erst langsam und mit Hilfe der Einführung einer Schulpflicht, welche in Deutschland erst im Jahr 1919 erfolgte. Bis dahin war es ein langer Weg, bei dem wir viel aus den Fehlern, Erkenntnissen und Fortschritten der früheren Generationen und Kulturen gelernt haben. 

Im Rahmen unserer Themenwoche blicken wir deshalb neben der Bildung im Bildungsbürgertum und während der industriellen Revolution auch noch auf die Geschichte der Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung, ziehen einen Vergleich zwischen den Bildungsidealen von gestern und heute und widmen uns dem Thema Gewalt in der Schule aus historischer Sicht. 

Welche der Bildungsformen fandet ihr am interessantesten und denkt ihr, eine der antiken Schulen hat unser heutiges Bildungssystem besonders geprägt? Schreibt es uns gerne in die Kommentare.

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