Wie sollten Schulen mit sensiblen Themen wie dem Nahostkonflikt umgehen? Raum für Diskussion und Reflexion ist entscheidend (Quelle: Canva)
Hamburg. Die Hamburger Schulbehörde ist wegen eines umstrittenen Newsletters, den sie an alle Hamburger Schulen verschickt hat, in die Kritik geraten. Das Schreiben erinnerte an den Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel und forderte die Schulen auf, auf große Gesten wie Schweigeminuten und Trauerappelle zu verzichten und stattdessen 1000 Kraniche der Hoffnung zu falten. Dies löste vor allem bei der Hamburger CDU Empörung aus, die von einem “handfesten Skandal” sprach. CDU-Chef Dennis Thering: "Wo, wenn nicht in der Schule, soll Raum für Trauerbewältigung gegeben werden?
Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) distanzierte sich von dem Schreiben und kündigte eine umfassende Aufarbeitung an: “Dieser Newsletter wird inhaltlich und formell aufgearbeitet. Konkrete Konsequenzen werden im Rahmen der Aufarbeitung ziehen.” Verfasst wurde der Newsletter vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, das zwar zur Schulbehörde gehört, aber in pädagogischen Fragen unabhängig agiert. Offenbar wurde der Newsletter nicht mit der Schulsenatorin abgestimmt.
Der Vorfall löst eine Diskussion darüber aus, wie Schulen mit emotional aufgeladenen und politisch komplexen Themen wie dem Nahostkonflikt umgehen sollten. Der Aufruf, auf Gedenkgesten zu verzichten, zeigt die Schwierigkeit, in Schulen einen angemessenen Rahmen für solch sensible Themen zu finden. Es bedarf eines Ansatzes, der die emotionale Betroffenheit der Schüler:innen berücksichtigt und zugleich Raum für verschiedene Perspektiven lässt.
Statt starrer Verbote, wie sie im Hamburger Fall vorgeschlagen wurden, könnten alternative pädagogische Formate eine bessere Lösung sein. Ein Beispiel dafür sind die “Trialoge”, die von Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann entwickelt wurden. In diesen Formaten werden unterschiedliche Ansichten zum Nahostkonflikt thematisiert, und Schüler:innen erhalten die Möglichkeit, ihre Emotionen zu äußern, ohne dass eine dominante Meinung vorgegeben wird.
Für Lehrkräfte ist es wichtig, einen “sicheren Raum” für respektvolle und sachliche Diskussionen zu schaffen. Der Hamburger Vorfall verdeutlicht, wie entscheidend es ist, Lehrkräften das Vertrauen zu geben, mit sensiblen Themen wie dem Nahostkonflikt umzugehen. Initiativen wie das “Trialog” zeigen, dass solche Themen auch im Schulalltag offen und differenziert behandelt werden können, ohne dass starr reglementiert wird.
Indem Schulen Raum für Trauer und Reflexion bieten und gleichzeitig die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit schwierigen historischen und politischen Themen schaffen, leisten sie einen wichtigen Beitrag zur emotionalen Verarbeitung und zur Förderung kritischen Denkens.