DPhV fordert Handeln: “Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.”

der Vorstand des DPhV

Studien bestätigen Altbekanntes: Gute Bildung braucht endlich mutige Maßnahmen (Quelle: DPhV)

Mahnende Studien überall – dabei sind die wichtigen Hebel für gute Bildungspolitik längst bekannt

Die Welle der Studien und Umfragen, die sich mit dem Thema Bildung beschäftigen, war in den letzten Wochen des Jahres 2024 besonders hoch: TIMSS, ICILS, PIAAC, Bildung auf einen Blick, Schulbarometer – um nur die meistbeachteten zu nennen. Auch wenn es hier und da kleine Überraschungen gab, sind sie im Großen und Ganzen erwartbar ausgefallen. Fast spannender als die Ergebnisse selbst ist der Kampf um die mediale Deutungshoheit. Darum soll es hier aber ebenso wenig gehen wie um Debatten über die Notwendigkeit und gleichwohl Begrenztheit empirischer Untersuchungen oder die Frage nach der grundsätzlichen Existenzberechtigung der einzelnen Erhebungen.

Allen diesen Studien ist gemein, dass Deutschland vor allem im internationalen Vergleich eher mäßig abschneidet und dass sich die negativen Tendenzen der vergangenen Jahre eher verstetigen als aufhalten. Diese Erkenntnis überrascht leider ernsthaft fast niemanden mehr – und so langsam macht sich eine gewisse Studienmüdigkeit breit. Wohl auch, weil die Mittel zur Wiedererhöhung des Leistungsniveaus bekannt sind. Deshalb einige Beispiele:

  1. Die Ergebnisse der TIMSS-Studie 2024 zeigten unter anderem, dass Lehrkräfte bei der Übergangsempfehlung auf das Gymnasium weniger von sozioökonomischen Faktoren beeinflusst sind als Eltern. Dies unterstreicht eine jahrelange Forderung unseres Verbandes nach einer verbindlichen Übergangsempfehlung nach der vierten Jahrgangsstufe und wäre ein wichtiger Schritt Richtung Bildungsgerechtigkeit, denn auch gemäß „Bildung in Deutschland 2024“ ist die tatsächliche Übertrittsquote der leistungsstarken Schüler und Schülerinnen mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund deutlich geringer als (unverbindlich) empfohlen und von genauso leistungsstarken Schülerinnen und Schülern mit hohem sozioökonomischem Hintergrund wahrgenommen. 
  2. Laut ICILS sind die digitalen Kompetenzen deutscher Schülerinnen und Schüler rückläufig. Dies ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die IT-Infrastruktur an vielen Schulen nach wie vor unzureichend ist. Das lange Gezerre um den Digitalpakt hat da sicher nicht geholfen. Darüber hinaus belegt ICILS, dass die Beherrschung der deutschen Sprache auch für den Erwerb digitaler Kompetenzen essenziell ist. Wer die deutsche Sprache beherrscht, kann digitale Geräte und Programme sinnvoll und effektiv nutzen. Daher muss die Stärkung der Bildungssprache Deutsch in allen Schulformen und allen Bundesländern Priorität haben, beginnend mit einer diagnose-indizierten, verbindlichen, vorschulischen Sprachförderung und fortgeführt durch einen mit ausreichendem Stundenvolumen versehenen Deutschunterricht in der Sekundarstufe I.
  3. Das Deutsche Schulbarometer ergab, dass die psychischen Belastungen von Schülerinnen und Schülern auf einem alarmierenden Niveau sind. Dies stellt nicht nur eine Herausforderung für die betroffenen Kinder und Jugendlichen dar, sondern auch für Lehrkräfte, die oft ohne ausreichende Mittel oder Ausbildung mit diesen Belastungen umgehen müssen – bei permanenter Mangelverwaltung und Unterbesetzung. Ein Teil der Lösung: Weg mit unterrichtsfernen Aufgaben und Fokussierung auf das Kerngeschäft Unterricht für die Lehrkräfte, Fachpersonal für Verwaltungsaufgaben an die Schulen, Schulpsychologen und unterstützende multiprofessionelle Teams an jede Schule.
  4. Und ausgerechnet eine OECD-Studie („Bildung auf einen Blick“) ergab, dass Oberstufenlehrkräfte in Deutschland eine besonders hohe Arbeitszeitbelastung haben. Das trägt nicht nur zur Unzufriedenheit und Überforderung der Lehrkräfte bei, sondern hat natürlich auch negative Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität. Ein Argument mehr für die Fokussierung auf den Unterricht, ein geringeres Stundendeputat und dafür gute und unterstützende Fortbildung (und ggf. auch die eine oder andere Konferenz weniger).

Unterm Strich: Wir brauchen u.a. eine bessere Ausstattung der Schulen, die Entlastung und gute Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte, professionelles Unterstützungspersonal und die nachhaltige und verstetigte Modernisierung der Schulgebäude und der IT-Infrastruktur, damit Lehrkräfte ihre LehrKRAFT voll entfalten und wirksam werden können. All diese Erkenntnisse waren bereits vor 2024 bekannt. Und am Ende scheiterten viele Anregungen schlicht an fehlenden Ressourcen (sprich: Geld), überbordender Bürokratie, manchem politischen Grabenkampf oder mangelndem Willen, obige Verbesserungsvorschläge mutig anzugehen. Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Und selbst das wissen wir schon seit Jahren. Es wäre schön, wenn auch die neue Bundesregierung, ein neu besetztes Bundesministerium für Bildung und Forschung, und die jeweilige Landespolitik diesen veränderbaren Problemen im Bildungsbereich im Jahr 2025 nicht nur die notwendige Aufmerksamkeit schenken würde, sondern die gut begründeten Maßnahmen tatsächlich in die Schulrealität brächte. Sie sollte es in ihrem eigenen Interesse tun. An diesem Fakt werden auch die kommenden Studien nichts ändern.

Kurzvita

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing ist seit 2017 Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes und Professorin für Schulpädagogik. Nach ihrem Studium in Marburg und Tübingen sowie einer vielseitigen Lehrtätigkeit promovierte und habilitierte sie an der Philipps-Universität Marburg. Sie engagiert sich seit Jahren in bildungspolitischen Gremien und Expertenkommissionen.

Wir bedanken uns bei Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing für ihren Beitrag und möchten hinzufügen, dass der Inhalt des Artikels nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wiedergibt.

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