Jeder fünfte Schüler in Deutschland zeigt psychische Auffälligkeiten

verzweifelte Schülerin

Psychische Belastungen im Fokus: Über 21 Prozent der Schüler:innen in Deutschland sind betroffen. Experten fordern schnelle Hilfe durch mehr Schulpsychologen und kleinere Klassen. (Quelle: Canva)

Stuttgart. Am 20. November wurden die Ergebnisse der deutschlandweiten Schulbarometer Studie, welche von der Robert Bosch Stiftung herausgegeben wurde, vorgestellt. Dabei zeigten die Ergebnisse der stichprobenartigen Befragungen von 1.530 teilnehmenden Schüler:innen im Alter von 8 bis 17 Jahren und jeweils einem ihrer Erziehungsberechtigten, dass über ein Fünftel der Befragten psychische Auffälligkeiten aufweist. Dadurch stehen Schulen und Lehrkräfte nicht nur vor Herausforderungen durch den Lehrkräftemangel und mangelhafte Infrastruktur an den Schulen, sondern nun auch durch die akute psychische Belastung von Schüler:innen. 

Psychische Auffälligkeiten auf besorgniserregendem Niveau

Die Ergebnisse der Befragung können in die folgenden 10 Kategorien aufgeteilt werden. Die ersten Erkenntnisse sind in der psychischen Auffälligkeit von den Schüler:innen zu erkennen. Diese betrifft insgesamt 21 Prozent der Befragten, welches ein höherer Wert ist als noch vor der Pandemie mit 15 Prozent.  Der Anteil von Schüler:innen, aus Familien mit finanziellen Sorgen, mit psychischer Auffälligkeit beträgt 33 Prozent. 

Die zweite Auffälligkeit ist bei der Einschätzung der eigenen Lebensqualität zu bemerken. Dort liegt der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die ihre Lebensqualität als gering betrachten, bei 27 Prozent und noch höher, wenn sie aus Familien mit niedrigem Einkommen kommen (37 Prozent) oder sonderpädagogischen Förderbedarf haben (45 Prozent). 

Des Weiteren tragen Sorgen und Belastungen zum negativen psychischen Trend bei. Denn 71 Prozent geben an, sich über Kriege manchmal oder oft Sorgen zu machen und fast zwei Drittel der Schüler:innen machen sich Sorgen um Klima und Umwelt. Belastet werden insgesamt 59 Prozent der Teilnehmenden oft oder manchmal von dem Gedanken, keine guten Leistungen in der Schule zu erbringen, dabei sorgen sich besonders Mädchen im Alter von 14 und 17 jahren (43 Prozent) und Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (36 Prozent) besonders stark. 

Nicht außer Acht zu lassen ist das schulische Wohlbefinden. Dort geben 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen ein geringes schulisches Wohlbefinden an, wobei der Anteil bei Schüler:innen aus Familien mit niedrigem Einkommen (30 Prozent) und Schüler:innen mit psychischen Auffälligkeiten (58 Prozent) höher ist, aber der Anteil bei psychisch unauffälligen Kindern (14 Prozent) deutlich niedriger ist. 

Unzufriedenheit mit Unterrichtsqualität und Schulumfeld

Auch wurden die Kinder und Jugendlichen nach ihrer Bewertung der Schule gefragt. Dabei kam heraus, dass es Ihnen besonders gefällt, sich in der Schule mit Ihren Freunden zu treffen (25 Prozent), 17 Prozent mögen an der Schule eine gute Beziehung zu Lehrkräften und 13 Prozent mögen die Pausen am liebsten. Es hat sich auch herauskristallisiert, was den Befragten an der Schule nicht gefällt. Dabei gaben 17 Prozent ihre Lehrkräfte an und 13 Prozent Probleme mit Mitschüler:innen.

Des Weiteren kam es zur Bewertung der Unterrichtsqualität, bei der 83 Prozent von häufigen Unterrichtsstörungen berichteten. 41 Prozent der Befragten gaben an, dass keine oder nur wenige Lehrkräfte sich nach dem Wissensstand der Schüler:innen erkundigen und  37 Prozent gaben an, dass keine oder nur wenige Lehrkräfte ihnen zurückmelden, was sie schon können und was sie noch lernen müssen. Jedoch meldeten 75 Prozent zurück, dass die meisten oder alle Lehrkräfte freundlich zu ihnen sind. 

Ein weiteres wichtiges Thema sind die Klassenleitungsstunden. Dabei stellte sich heraus, dass 35 Prozent aller Befragten solche Stunden nicht oder seltener als einmal im Monat haben. Dieser Anteil ist unter den 16- bis 17-Jährigen (51 Prozent) und an Gymnasien (40 Prozent) größer. Zudem wird von 42 Prozent der Schüler:innen berichtet, dass pro Woche ein bis zwei Unterrichtsstunden ausfallen, 22 Prozent geben sogar an, dass drei bis vier Stunden pro Woche ausfallen. Jedoch sagen 23 Prozent , dass keine Unterrichtsstunde pro Woche ausfällt. Insgesamt sind die Grundschulen am wenigsten betroffen. 

Darüber hinaus wurde auch die Hilfesuche und Infrastruktur bewertet. Dabei stellte sich heraus, dass 24 Prozent der Erziehungsberechtigten glaubten, ihr Kind benötigte aufgrund psychischer Probleme in den vergangenen zwölf Monaten Hilfe. Dennoch suchten 28 Prozent dieser Eltern keine Hilfe oder waren dazu nicht in der Lage. Eltern, die jedoch Hilfe suchten, wendeten sich am häufigsten an die Klassenlehrkraft (70 Prozent), die Schulsozialarbeit (39 Prozent) und die Schulpsychologie (31 Prozent). Nichtsdestotrotz bekamen 23 Prozent der Eltern, die in der Schule Hilfe gesucht haben, dort keine Hilfe. 

Abschließend wurden Befragungen zu Einstellungen zu Hilfsangeboten getätigt. Dabei gaben 70 Prozent an, zu wissen, an wen sie sich in der Schule bei emotionalen Problemen wenden können. Jedoch zweifelten 27 Prozent daran, dass jemand in der Schule helfen könnte, 45 Prozent bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen. Dennoch berichteten 11 Prozent der Befragten von schlechten Erfahrungen, wenn sie in der Schule solche Probleme mit anderen besprochen haben, sogar 26 Prozent bei Schüler:innen mit psychischen Auffälligkeiten. 

Lehrkräftemangel als Hauptproblem

Die Gründe dieser beunruhigenden Werte sind vielseitig. Zum einen führt der dauerhafte Lehrkräftemangel zu einer Überlastung der Lehrkräfte und somit zu nachlassender Unterrichtsqualität, den die Schüler:innen unmittelbar zu spüren bekommen. Auch steht durch die hohe Arbeitsbelastung der Lehrkräfte kaum Zeit für Klassenleiterstunden oder Feedback-Arbeit zur Verfügung. Die fehlenden finanziellen Mittel für die Schulen werden für Lehrpersonal und Schüler:innen zu immer größeren Herausforderungen, denn es fehlt dadurch an digitalen Endgeräten und guter Infrastruktur. Dennoch gelten Leistungsdruck, finanzielle Probleme und Umweltkrisen als die größten Belastungen für Kinder und Jugendliche.

Leistungsdruck senken, Wohlbefinden steigern

Für eine Verbesserung der mentalen Gesundheit und des Wohlbefindens plädiert nun Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Fabian Schön. Er warnt vor dem neuen Normalzustand in den Schulen und fordert, um die hohe psychische Belastung bei Schüler:innen, verursacht durch den Leistungsdruck, fehlendes positives Schulklima und dem mangelnden Personal entgegenzuwirken, mehr Schulpsychologen an Deutschlands Schulen und kleinere Klassen. Diese sollen als Fachpersonal nicht nur Ansprechpartner für Schüler:innen und Eltern sein, sondern auch einen “Safe Space” in der Schule schaffen, um psychische Probleme zu einem Thema zu machen, über das offen gesprochen und aufgeklärt werden kann. Zudem sollen die Schüler:innen Anzahl pro Klasse verringert werden, um eine individuelle Feedbackkultur zu ermöglichen und somit Schüler:innen zu motivieren, ihnen individuell etwas beibringen und auf Schwierigkeiten reagieren zu können.

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