Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer: Gamechanger oder Gefahr?

Digitale Angebote sind aus dem Unterricht kaum noch wegzudenken, trotzdem hat sich Künstliche Intelligenz im Klassenzimmer noch nicht durchgesetzt (Quelle: Canva)

Künstliche Intelligenz (KI) prägt unser alltägliches Leben maßgeblich, sei es bei der Übersetzung von Texten, der Erstellung von Zusammenfassungen oder zur Erzeugung von Bildern. Insbesondere das KI-System ChatGPT sorgte in den letzten Jahren für eine hitzige Debatte darüber, welche Möglichkeiten sich durch die Nutzung Künstlicher Intelligenz eröffnen und welche Probleme entstehen könnten. Für viele Lehrkräfte erfordert die Nutzung technischer Angebote bisweilen einen Mehraufwand. Hier könnte Künstliche Intelligenz den Lehrprozess durch die Automatisierung verschiedener Aufgaben entscheidend verändern.

Wie weit ist Künstliche Intelligenz in Klassenzimmern? 

Der KI-Dienst ChatGPT ist bei Schüler:innen bei weitem am beliebtesten, bisher wird das Tool jedoch größtenteils aus eigenem Interesse heraus genutzt, denn der Einsatz von KI-Angeboten in Schulen befindet sich noch in seinen Anfängen. Die Erwartungen sind dennoch hoch: Laut der Studie “Pioniere des Wandels” aus diesem Jahr, in welcher rund 1.500 Personen zwischen 14 und 20 Jahren befragt wurden, rechnen 51 Prozent der Befragten damit, dass KI den Unterricht an Schulen in den nächsten drei bis fünf Jahren verändern wird. 

Um ihre Einsatzmöglichkeiten richtig zu erkennen, benötigt es einen Überblick über die verschiedenen Arten von Künstlicher Intelligenz. Besonders relevant für den Unterricht sind Generative KI-Systeme und Intelligente Tutorsysteme (ITS). Generative KI-Systeme, zu denen auch ChatGPT gehört, können Texte erstellen oder Fragen beantworten. Intelligente Tutorsysteme sind unter anderem in der Lage, das Lernen für die Schüler:innen zu personalisieren, ihren Lernfortschritt zu überwachen und ein Modell des Lernenden mit einer dazugehörigen Lernstrategie zu erstellen.

In Pilotprojekten werden verschiedene Ansätze ausgetestet: Eine Londoner Schule ersetzt den klassischen Unterricht durch KI, da es den Schüler:innen erlaube, die Inhalte in ihrem eigenen Tempo zu erlernen. Auch in Deutschland scheint sich das Interesse an Künstlicher Intelligenz an Schulen zu verstärken, so kam ein Pilotprojekt mit diversen teilnehmenden Schulen im Sommer 2023 zu dem Schluss, dass die Nutzung von Tools wie schulKI bestimmte Bereiche des Unterrichts unterstützen und die Lehrkräfte entlasten könnte.

Wie könnten Schüler und Lehrkräfte KI effizient nutzen? 

Lehrkräfte können durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz auf fachlicher, aber auch auf administrativer Ebene profitieren. KI-Systeme sind in der Lage, Routineaufgaben, beispielsweise die Planung von Unterrichtsstunden zu vereinfachen oder die Korrektur von Prüfungen zu beschleunigen, sodass Lehrkräfte entlastet werden könnten. Mithilfe von Systemen wie ChatGPT oder schulKI lassen sich auch Übungsmaterialien für verschiedene Fächer und Anforderungsniveaus erstellen oder Musterlösungen herstellen. Das generative KI-Tool ChatGPT eignet sich besonders für die Erstellung von Texten, etwa Musterlösungen, Textaufgaben oder Zusammenfassungen. Wichtig hierbei ist das genaue Prompten, also die Erstellung einer konkreten Anweisung für das KI-System. Ein guter Prompt benötigt Klarheit, Kontext und Präzision: Der Prompt “Erstelle ein Arbeitsblatt für den Geschichtsunterricht einer siebten Klasse, in welcher die Ursachen und Folgen der Französischen Revolution abgefragt werden. Nutze dabei die Quelle XY als Basistext” führt zu einem genaueren und passenderen Ergebnis als “Erstelle ein Arbeitsblatt zur Französischen Revolution”. Die hilfreichsten Prompts für ChatGPT können Sie hier finden. Die Künstliche Intelligenz schulKI wurde extra für den Gebrauch in Schulen entwickelt und bietet Lehrkräften zahlreiche Funktionen für verschiedene Unterrichtsfächer an. Lehrkräfte haben die Möglichkeit, ihren Unterricht durch die verschiedenen Funktionen und dem einfachen Teilen mit Schüler:innen dynamischer zu gestalten. Die KI zeichnet sich außerdem durch die Arbeit mit fachspezifischen Chatbots aus: So können Schüler:innen zum Beispiel durch die Interaktion mit einem Debattier-Coach das Debattieren praktisch erlernen und üben. Weitere Funktionen des Tools können Sie im Lehrer-News Check finden.

Selbstverfasste Texte können durch den Optimierungsservice von DeepL überarbeitet werden. Besonders an diesem Tool ist die Möglichkeit, Texte an verschiedene Zielgruppen anzupassen und unterschiedliche Formulierungsalternativen zu generieren. Schüler:innen haben die Möglichkeit, KI als individuelle Lernhilfe zu nutzen, beispielsweise durch die Erstellung von Gliederungen, Listen oder Übersichten. Auch individuelles Feedback zu bereits bearbeiteten Aufgaben kann durch Systeme wie Fiete.ai generiert werden. Noch geforscht wird zu kommunikativen Systemen, welche sich an die Sprechweise der Schüler:innen anpassen und somit neue Arten des Lernens ermöglichen.

Diese Individualisierung des Unterrichts hat die Möglichkeit, Schule allgemein inklusiver zu gestalten, da Schüler:innen individuell gefördert werden können. Durch die Automatisierung von Routineaufgaben bietet KI die Möglichkeit, Lehrkräfte zu entlasten und dadurch die individuelle Förderung von Schüler:innen in den Vordergrund zu stellen. Den Stärken und Schwächen einzelner Schüler:innen innerhalb heterogener Schulklassen kann somit mehr Beachtung geschenkt werden. 

Was ist bei der Nutzung zu beachten? 

Die Nutzung Künstlicher Intelligenz in Schulen kann einige Vorteile mit sich bringen. Trotzdem hat sie auch ihre Grenzen: Fachdidaktische Perspektiven werden in der Entwicklung solcher Systeme bisher kaum beachtet. Um einen besseren Einsatz von KI im Klassenzimmer zu gewährleisten, müssen in ihrer Entwicklung Pädagog:innen sowie Psycholog:innen zu Wort kommen. Auch die Thematisierung bedenklicher Aspekte bezüglich dieser Angebote und die Sensibilisierung für deren Schwachstellen ist bedeutsam, um Kindern und Jugendlichen einen kritischen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. 

Wichtig ist also, diese Dienste nicht stumpf als Ersatz für klassischen Unterricht zu nutzen, sondern sie ergänzend und gezielt in den Unterricht einzubinden. So kann auch sichergestellt werden, dass Schüler:innen zwar in ihrem eigenen Tempo lernen, sich aber trotzdem keine zu große Differenz zwischen leistungsstärkeren und -schwachen bildet. Um den Einsatz von KI in Schulen zum Regelfall zu machen, braucht es die nötigen technischen Rahmenbedingungen, etwa eine starke digitale Infrastruktur und Zugang zu digitalen Endgeräten für alle Schüler:innen. Außerdem muss das Schulpersonal in die unterschiedlichen Systeme eingeführt werden und es müssen klare Regeln für den Einsatz dieser Dienste durch Lehrkräfte und Schüler:innen sowie den Datenschutz gelten, denn datenschutzrechtlich sind einige Aspekte bezüglich KI im Unterricht zu beachten. Laut dem Handlungsleitfaden zum Umgang mit textgenerierenden KI-Anwendungen des Schulministeriums Nordrhein-Westfalen ist die Nutzung von ChatGPT auf eigenen Endgeräten der Schüler:innen nicht zu empfehlen, während der Einsatz durch Lehrkräfte im Plenum zunächst die sicherste Alternative darstelle, solange keine personenbezogenen Daten von Schüler:innen übermittelt werden.

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, das Schulsystem, wie wir es kennen, weitreichend zu verändern. Durch die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten für Lehrkräfte und Schüler:innen kann die Art und Weise, wie gelehrt und gelernt wird, zukünftig automatisiert und individualisiert werden. Trotz dessen sollten entsprechende Dienste mit Vorsicht genossen werden: Bisher kann KI noch keine fachdidaktische Perspektive bieten und benötigt umfassendere datenschutzrechtliche Verordnungen. Der reguläre Einsatz von KI in deutschen Klassenzimmern wird wohl noch auf sich warten lassen - trotzdem ist es umso wichtiger für Schulen, sich jetzt mit den zukünftigen Chancen von KI-Diensten auseinanderzusetzen.

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