Jede Minute zählt: Die neue Verordnung soll für Pünktlichkeit im Schulbetrieb sorgen (Quelle: Canva)
Berlin. Mithilfe einer neuen Verordnung will die Senatsverwaltung für Bildung für mehr Pünktlichkeit in den Schulen der Hauptstadt sorgen. Berliner Schüler:innen müssen seit dem ersten August damit rechnen, dass jede Verspätung als Fehlstunde gezählt wird. Einige sehen den Schritt als notwendig, um Schulabsentismus und Schwänzerei frühzeitig entgegenzuwirken, andere sehen in der Verordnung lediglich den Versuch, Symptome eines kranken Systems zu dämpfen.
Künftig müssen sich Schüler:innen darauf einstellen, schneller Fehltage zu kassieren. Während die Schulen sich bei den ersten beiden Verspätungen noch kulant zeigen, zählt ab der dritten Unpünktlichkeit jede Verspätung, die nicht auf “höhere Gewalt”, beispielsweise Verzögerung auf dem Schulweg durch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), als volle Fehlstunde. Diese Fehlstunden summieren sich: Nach sechs Fehlstunden ergibt sich bereits ein voller Fehltag, zu dessen Dokumentation die Schule verpflichtet ist und sie schließlich Kontakt zum Erziehungsberechtigten des betroffenen Kindes aufnehmen muss. Bei Krankheit der Schüler:innen benötigt es “in jeden Fall eine schriftliche, eigenhändig unterschriebene Erklärung”. Ab fünf dieser Fehltage in einem Schulhalbjahr muss eine Schulversäumnisanzeige an das Schulamt geschickt werden.
Eine Neuheit in Berlin: Ab dem fünften unentschuldigten Fehltag von Erst- bis Sechstklässler:innen muss geprüft werden, ob ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung beim Jugendamt gemeldet werden muss. Diese Regelung gilt bei Schüler:innen ab der siebten Klasse erst nach dem elften Fehltag im Schulhalbjahr. Die Jugendämter werden somit entlastet: “Der Automatismus, Jugendämter und die Schulpsychologie bei schulfernen Kindern zu beteiligten, wurde von den beteiligten Behörden, insbesondere Schul- und Jugendämtern, kritisch hinterfragt”, heißt es von der Bildungsverwaltung Berlin. Auch die möglichen Folgen des Zuspätkommens seien Grund für die Neuregelung. “Zuspätkommen kann ein Anzeichen für schulfernes Verhalten oder beginnende Schuldistanz sein”, so eine Sprecherin der Senatsverwaltung Bildung Berlin.
Bei der Elternvertretung trifft die neue Verordnung auf Lob. Durch sie könnten “die Ursachen des Fernbleibens überprüft, den Schülerinnen und Schülern konkret geholfen und Schulversäumnisanzeigen verhindert werden”, heißt es vom Landeselternausschuss Berlin (LEA). Die Regelung sei außerdem “dem Missbrauch durch ein paar Schüler*innen” geschuldet, so Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses.
Der Landesschülerausschuss (LSA) betrachtet die Neuregelung kritischer: Statt Sanktionen bedarf es eines späteren Unterrichtsbeginns um 9 Uhr. Zudem müsse den Gründen für Verspätungen vermehrt auf den Grund gegangen werden. “Statt Sanktionen sollten Unterstützungsangebote geschaffen werden, um das Zuspätkommen zu minimieren”, so die Schülervertretung. Der LSA-Vorsitzende Orcun Ilter befürchtet, “dass diese Neuregelung jeweilige soziale Ungleichheiten nicht berücksichtigt und Schüler:innen alleine lässt”. Bei der Einführung einer solchen Regelung müssen die verschiedenen Gründe für Schulverweigerung beachtet werden (Lehrer-News berichtete).