Vom ersten Hinweis zur gezielten Förderung: So gelingt der Umgang mit LRS (Quelle: Canva)
Fühlt ihr euch unsicher, wenn ein:e Schüler:in Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben hat? Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) kann viele Herausforderungen mit sich bringen, doch mit den richtigen Methoden könnt ihr einen echten Unterschied machen. Erfahrt, wie ihr Anzeichen erkennt, Förderung bietet und Kinder mit LRS stärkt!
Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), oft auch als Legasthenie bezeichnet, betrifft viele Kinder und Jugendliche und äußert sich in erheblichen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens – Fähigkeiten, die für den schulischen und späteren beruflichen Erfolg grundlegend sind. Um betroffene Kinder bestmöglich zu unterstützen, ist es wichtig, die typischen Anzeichen frühzeitig zu erkennen und eine geeignete Förderung zu wählen. Dabei ist der geschulte Blick der Lehrer:innen in der Schule unerlässlich!
Laut Bundesverband für Legasthenie und Dyskalkulie e.V. unterscheiden Fachleute, Ärzte sowie manche Bundesländer (als Gesetzgeber der Legasthenie-Erlasse) zwischen den Begriffen der Lese- und Rechtschreibstörung und der Lese-Rechtschreibschwäche. Die Grundlage für diese Differenzierung ist jedoch nicht einheitlich und stiftet laut dem Bundesverband häufig Verwirrung. “Kein Wunder also, dass die Begriffe Legasthenie, Lese-Rechtschreib-Schwäche, Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten, Lese-Rechtschreibstörung oder kurz LRS für viele Menschen die gleiche Bedeutung haben und somit häufig auch synonym verwendet werden”, heißt es in ihrer Definition zu Legasthenie und LRS.
Für Kinder ist das Erlernen von Lesen und Schreiben ein Prozess des "Entschlüsselns" eines neuen, zunächst rätselhaften “Codes” aus Buchstaben und Symbolen. Bei einer LRS gestaltet sich dieser Lernprozess jedoch wesentlich schwieriger, da betroffene Kinder den Code nicht in der üblichen Weise “entschlüsseln” können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert LRS als eine spezifische Lernstörung, die nicht auf das Entwicklungsalter, eine mangelnde Beschulung, geringe Intelligenz oder psychische bzw. neurologische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist.
Neben diesen direkten Symptomen gibt es auch indirekte Anzeichen wie Schulangst, Vermeidungsverhalten oder psychosomatische Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen. Manche Kinder entwickeln außerdem Kompensationsstrategien, wie das Auswendiglernen von Texten, um Misserfolge zu vermeiden. Frühzeitige Erkennung und Unterstützung ist hier entscheidend. Weitere Infos dazu findet ihr beim Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e.V..
Was bedeutet das für die Fachkräfte in den Schulen? Mit der Wahrnehmung der Problematik habt ihr den ersten und wichtigsten Schritt bereits getan. Ein Gespräch mit den Erziehungsberechtigten über die Möglichkeit einer LRS Testung zum Beispiel bei einem Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten bildet die Grundlage für die passende Förderung. Das kann zum Beispiel Nachhilfe oder Lerntherapie sein. Bei einer diagnostizierten LRS sollte zeitnah ein passender Nachteilsausgleich mit dem Kind und den Erziehungsberechtigten besprochen und gewährt werden.
Bei der Beobachtung von LRS Symptomen, kann zunächst auch ein Selbsttest von zu Hause aus eine erste Orientierung geben: LRS-Test • Worthelden
Obwohl Nachhilfe und Lerntherapie beide auf die Förderung des Lernens abzielen, verfolgen sie unterschiedliche Ansätze und Ziele.
Was ist Nachhilfe? Nachhilfe hat das Ziel, schulische Lücken zu schließen und den aktuellen Schulstoff zu festigen.Lerntherapie hingegen ist ein umfassender, auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittener Ansatz, der darauf abzielt, grundlegende Lernfähigkeiten zu fördern und Entwicklungsstörungen zu behandeln. Lerntherapeut:innen arbeiten gezielt mit Kindern, die nicht nur Schwierigkeiten im aktuellen Schulstoff haben, sondern auch grundlegende Probleme in Bereichen wie Lesen und Schreiben oder Rechnen aufweisen. Eltern und Lehrkräfte können Schüler mit LRS mit verschiedenen Übungen unterstützen.
Schon mit wenigen und einfachen Übungen kann die Lese- und Rechtschreibfähigkeit in der Schule und zu Hause trainiert werden. Dabei gilt: lieber häufig und kurz (10 Minuten reichen) als selten und lang.
1. Silbenstraßen/Silbenteppiche: Dabei lernt das Kind, Silben schnell zu erkennen und sie zu Wörtern zusammenzusetzen. Dies fördert die Leseflüssigkeit und das Leseverständnis.
2. b oder d? Bei Buchstaben, die beim Schreiben häufig verwechselt werden, ist es hilfreich, sich zunächst einen der beiden Buchstaben als „Lieblingsbuchstaben" auszusuchen. Sucht Wörter, in dem er möglichst oft vorkommt, findet alle Lieblingsbuchstaben in einer Geschichte, zeichnet ihn, knetet ihn … So lässt sich dieser Buchstabe für das Kind leichter von seinem „Bruder“ unterscheiden.
3. Blitzlesen: Diese Übung verbessert die Erkennung von Silben und Wörtern im Ganzen. Das Kind wird schneller und sicherer im Lesen.
4. Silben Stadt-Land-Fluss: Wörter in Silben teilen zu können, bildet eine wichtige Grundlage für das Erlernen von Rechtschreibstrategien und ist auch beim Lesen hilfreich. Bei dieser Übung sucht ihr zu einem festgelegten Anfangsbuchstaben ein Wort mit einer Silbe, ein Wort mit zwei Silben, ein Wort mit drei Silben usw.
5. Spuken oder spucken? Unterscheidung von kurzen und langen Selbstlauten: Klappt das lautgetreue Schreiben, ist der nächste große Schritt das Erkennen der Unterschiede zwischen kurzen und langen Selbstlauten. Der Vergleich von Wortpaaren kann hier als eine gute Übung dienen: Hasen und hassen, Koma und Komma, kam und Kamm, beten und Betten usw.
6. Regeln ableiten: Sobald das Kind weiß, ob Selbstlaute lang oder kurz gesprochen werden, lassen sich viele Rechtschreibregeln ableiten, die dann plötzlich ganz logisch erscheinen und nicht mehr nur trocken auswendig gelernt, sondern verstanden werden können.
7. Um-fahr-en: Wortbaustein-Übungen: Das Wissen über Wortbausteine hilft dem Kind, Wörter richtig zu schreiben. Mit dem passenden Material können aus einzelnen Wortbausteinen möglichst viele Wörter kreiert werden. Vielleicht beginnt ihr mit einem Wortstamm und überlegt, wie viele Wörter ihr dazu finden könnt?
8. Lesegitter: – Eine Übung zum sinnentnehmenden Lesen: Das Kind bekommt ein Leserätsel und soll die entsprechenden Texte ganz genau lesen und inhaltlich erfassen, um herauszufinden, wo zum Beispiel die Tiere oder Objekte (um die es in den Texten geht) auf einer Art Spielfeld (das eigentliche Lesegitter) hingehören. Dort werden sie dann in der richtigen Reihenfolge oder Anordnung abgelegt, bis sich das Spielfeld ganz gefüllt hat.
9. Verständnisfragen stellen: ein alter Hut, aber natürlich besonders für Kinder mit LRS eine sehr sinnvolle Übung. Das Kind liest einen Text, im Anschluss stellt ihr ihm Fragen zum Inhalt. Wichtig: beginnt hier sehr einfach! Und: der Spieß lässt sich auch umdrehen, indem das Kind die Aufgabe bekommt, sich Fragen für euch zu überlegen.
10.Texte visualisieren: Beim Überfliegen von Texten wird bei dieser Übung auf Schlüsselworte geachtet. Anschließend wird überlegt, ob es sich um einen Ablauf-Text handelt, oder um eine andere Textart. Passende Visualisierungen, die bereits vorliegen, werden nun mit den Schlüsselworten entsprechend verbunden und visualisiert. Die Visualisierungen sind eine tolle LRS Übung und für Kinder mit Sprech- und Sprachproblemen oft ein guter Weg, um Textinhalte buchstäblich zu „sehen“.
Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) stellt Kinder, Eltern und Lehrkräfte vor besondere Herausforderungen, doch frühzeitiges Erkennen und gezielte Unterstützung können entscheidend sein. Mit Übungen, die individuell auf die Bedürfnisse abgestimmt sind, und der richtigen Förderung lassen sich sowohl Lese- als auch Schreibfähigkeiten nachhaltig verbessern. Für Lehrkräfte ist eine enge Zusammenarbeit mit Eltern sowie das Einsetzen geeigneter Methoden essenziell, um betroffene Kinder bestmöglich zu fördern und ihre schulische Entwicklung positiv zu beeinflussen. Mit Engagement und kreativen Ansätzen wird LRS nicht zur Hürde, sondern zu einer Aufgabe, die gemeistert werden kann. Welche Strategien oder Übungen habt ihr bereits ausprobiert, um Schüler:innen mit LRS zu fördern, und was hat besonders gut funktioniert?
Julia Pigola ist eine integrative Lerntherapeutin gemäß den Standards des Fachverbandes für integrative Lerntherapie (FiL) und arbeitet bei den Worthelden. Seit über sechs Jahren unterstützt sie erfolgreich Kinder und Jugendliche, die an Legasthenie leiden, durch maßgeschneiderte eins zu eins Lerntherapie. Sie legt großen Wert auf einen individuellen Ansatz, der die einzigartigen Bedürfnisse jedes Kindes berücksichtigt und darauf abzielt, sowohl die schulischen Fähigkeiten zu stärken als auch das Selbstvertrauen und die Freude am Lernen wiederherzustellen.