Demonstration gegen Neonazis in Melbourne (Symbolbild): Die zunehmende Zahl rechtsextremer Vorfälle an Schulen in Deutschland sorgt für Diskussionen (Quelle: Matt Hrkac/Commons)
Cottbus/Hannover/Leisnig. An deutschen Schulen sind zuletzt vermehrt rechtsextreme Vorfälle und Übergriffe bekannt geworden. In einem besorgten Brief haben zwei Lehrer aus dem brandenburgischen Burg (Spree-Neiße)von rechter Gewalt, Diskriminierung und dem Versagen der Schulleitung berichtet. Sie schildern von Hakenkreuzen auf Möbeln, rechtsextremer Musik im Unterricht und demokratiefeindlichen Parolen in den Schulfluren. Die Lehrer haben angegeben, dass sie selbst Opfer von Angriffen aufgrund ihres politischen Engagements wurden. Auch andernorts gaben jüngste Vorfälle Anlass zur Sorge.
Herr Teske, der bereits in seiner Schulzeit in Spremberg (Spree-Neiße) "sehr stark" von rechter Gewalt betroffen war, berichtete gegenüber dem Münchner Merkur: "Es gab tagtäglich Konfrontationen und sogar körperliche Übergriffe. Das hat mich stark sensibilisiert." Seine Kollegin Nickel äußerte ihr Unverständnis und fügte hinzu: "Ich kann einfach nicht begreifen, warum Teile des Kollegiums das Problem nicht öffentlich machen wollen." Beide Lehrer versicherten, dass sie sich weiterhin für Vielfalt und gegen Diskriminierung an ihrer Schule einsetzen werden. Eine Kundgebung des Netzwerks Mehr Demokratie an Schulen fand indes vor dem Schulamt in Cottbus statt und markierte den Beginn einer Kampagne. Damit soll ein Netzwerk in Südbrandenburg und möglicherweise ganz Brandenburg geschaffen werden, in dem sich Lehrkräfte, Eltern und Schüler über diese Probleme austauschen können. Es wurde bereits Kontakt zu Schulen in Spremberg, Cottbus und Forts aufgenommen.
Die Lehrer kündigten an, den Finger in die Wunde zu legen und weiterhin auf Missstände hinzuweisen, bis alle aufgewacht sind.
"Wie kann es sein, dass Neonazi-Propaganda von größeren Schülergruppen offen zur Schau gestellt wird und das so lange kaum Konsequenzen hat?" bezog Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf die jüngsten Vorfälle an einer Schule in Burg Stellung
Der 99-jährige Holocaust-Überlebende Walter Bingham verurteilte bei einem Besuch in Cottbus die rechtsextremen Vorfälle an der Oberschule in Burg. Im Gespräch mit Schülern sagte Bingham: "Rechte Gewalt muss sofort bekämpft werden. Wenn das jetzt nicht gestoppt wird, sind die Jugendlichen reif für die rechtsradikalen Parteien. Die sind das Futter für die."
In einem weiteren Vorfall im Zusammenhang mit Rechtsextremismus an Schulen wurde jüngst eine Berliner Schulklasse rassistisch beleidigt.
In der Nacht zum Sonntag, den 7. Mai , wurden Berliner Schülerinnen und Schüler einer 10. Klasse in einer Ferienanlage in Heidesee, Brandenburg, von alkoholisierten und teils vermummten Jugendlichen bedroht. Die Jugendlichen, die größtenteils Migrationshintergrund haben, darunter einige als muslimisch erkennbare Schülerinnen mit Kopftüchern, wurden während einer Geburtstagsfeier rassistisch beleidigt. In der Nacht darauf versuchten die Angreifer, in die Unterkunft der Schülerinnen und Schüler einzudringen und drohten Gewalt an. Die Polizei wurde alarmiert und konnte eine körperliche Auseinandersetzung verhindern. Die Schülerinnen und Schüler wurden in der Folgezeit von Beamten begleitet und geschützt. Einige Eltern holten ihre Kinder aus der Unterkunft ab. Die restlichen Schülerinnen und Schüler wurden am nächsten Morgen zum Bahnhof Königs Wusterhausen gebracht. Die Polizei hat die Identität von 28 Personen festgestellt. Laut Polizeiangaben handelt es sich um 17- bis 19-jährige Jugendliche aus einem benachbarten Ort, die in derselben Ferienanlage einen Geburtstag feierten. Die Ermittlungen hinsichtlich der Tatverdächtigen dauern an.
Der Vorfall hat Empörung und Verurteilung von Politikern und der Leiterin der Unterkunft ausgelöst. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bezeichnete die Ereignisse als "abstoßend und erschreckend". Rechtsextremismus und Rassismus werde man in Brandenburg nicht dulden, sagte Woidke am Montag dem rbb. "Und wir werden alle Möglichkeiten nutzen, die uns eine starke Demokratie bietet, um gegen solche Übergriffe vorzugehen".
Frank-Walter Steinmeier äußerte seine Besorgnis und sagte: "Mit noch größerer Besorgnis sehe ich die rassistischen Anfeindungen gegen eine Berliner Schulklasse in einem Feriencamp am Frauensee." Er betonte weiterhin: "Die Menschenwürde ist der Kern unserer Demokratie. Die Verherrlichung der Nazi-Verbrechen, rassistischer Hass, Mobbing und Gewalt - all das darf niemals Normalität sein."
Ein weiterer Vorfall sorgte indes in der Holocaust-Gedenkstätte Auschwitz für Aufregung.
Die Suspendierung von sechs Schülern einer neunten Klasse in Leisnig, Sachsen, wurde nach einem Vorfall in der Jugendbegegnungsstätte des ehemaligen NS-Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau aufgehoben. Zwei der Schüler hatten während einer Bildungsreise den Hitlergruß gezeigt und das Foto anschließend in sozialen Netzwerken geteilt. Es wird angenommen, dass auch die anderen Schüler an der Aktion beteiligt waren.
Gemäß Paragraph 39 des Sächsischen Schulgesetzes hat die Schule Ordnungsmaßnahmen ergriffen und den betroffenen Schülern einen schriftlichen "Schulverweis auf Bewährung" erteilt. Dies bedeutet, dass sie am Unterricht teilnehmen, jedoch keinerlei weiteres Fehlverhalten zeigen dürfen. Die Schule behält sich weitere Maßnahmen vor, wie beispielsweise die Überweisung in eine andere Klasse, einen Unterrichtsausschluss von bis zu vier Wochen oder sogar den Schulausschluss. Zusätzlich plant die Schule, den Vorfall intern zu bearbeiten und dabei die Unterstützung eines Schulsozialarbeiters in Anspruch zu nehmen.
Die Polizei wurde von den Lehrern informiert, die den Vorfall angezeigt haben. Die Lehrer forderten die Schüler außerdem auf, den geposteten Beitrag zu löschen. Die beiden Hauptbeschuldigten, die zum Zeitpunkt des Vorfalls 15 Jahre alt waren, werden vom Staatsschutz strafrechtlich wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Die Schüler befanden sich auf einer Bildungsreise, bei der sie das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz besuchten.
Die jüngsten Vorfälle an Schulen, wie der Hitlergruß-Vorfall in Leisnig und die rassistischen Übergriffe in Heidesee, werfen erneut ein bedenkliches Licht auf rechtsextreme Tendenzen im schulischen Umfeld. Diese Vorfälle zeigen, dass rechtsextremistisches Gedankengut und Gewalt offenbar zunehmend in den Schulalltag eindringen. Es wird deutlich, dass solche Ereignisse keine Einzelfälle mehr sind, sondern ein alarmierendes Phänomen darstellen.
Diese Ereignisse unterstreichen die Bedeutung für verstärkte Sensibilisierung und Prävention an Schulen, um Schülerinnen und Schüler vor rechtsextremem Gedankengut zu schützen. Alfred Roos, Geschäftsführer der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA), sagte: "In Regionen wie in Süd-Brandenburg, in denen Rechtsextreme in der Gesellschaft stark vertreten sind, spiegelt sich dies auch in den Schulen wider." Günther Fuchs, Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sieht eine Zunahme solcher Tendenzen. Lehrkräfte würden aufgrund derartiger Zwischenfälle in jüngster Zeit verstärkt den Rat der Bildungsgewerkschaft suchen. "Es ist noch kein Flächenbrand, aber es nimmt zu”, stellte Fuchs fest.