Revolution im Klassenzimmer – oder doch nicht?

Über die Rolle von Virtual Reality in der deutschen Bildungslandschaft

Der digitale Wandel – lange beschrieben, endlich da. So zumindest das Gefühl. Doch welche Rolle spielen digitale Helferlein in der Lebenswirklichkeit des Schulunterrichts, und wie kann eine zielführende Symbiose verschiedener Lehrmittel aussehen, die wirklich im Klassenzimmer ankommt? Nach schleppend verlaufenden Versuchen, das Lehren und Lernen digitaler zu gestalten, etwa durch den Digitalpakt Schule, wird das Land NRW nun ganz konkret – und setzt einen Paukenschlag, der nicht nur innerhalb der Landesgrenzen vibriert, sondern bundesweit aufhorchen lässt: Rund 3.000 Virtual-Reality-Brillen sollen angeschafft werden – die Idee: inklusives, nachhaltiges und motivierendes Lernen!

Wird jetzt nur noch virtuell gelernt?

Zunächst einmal muss gesagt werden, dass Virtual Reality in der Bildung viele spannende Möglichkeiten bietet. Ihr könnt mittels VR weit entfernte oder nicht mehr existierende Orte bereisen, durch die Zeit springen und historische Ereignisse bezeugen, komplexe naturwissenschaftliche Prozesse – etwa auf Atom-Ebene und somit ohne hohen Abstraktionsgrad – begutachten, oder euch ungeachtet von Sprachbarrieren oder geografischer Distanz austauschen und gemeinsam Erlebnisse schaffen. 

Doch wird das Lernen damit zur “One-Tech-Show”?

Bei all der Begeisterung sollten wir realistisch bleiben: VR wird den klassischen Unterricht nicht von heute auf morgen ablösen. Möglicherweise nie. Denn das ist weder Ziel noch Kompetenz der Technologie. Sie kann den traditionellen Unterricht in seinen Grundfunktionen nicht ersetzen und ist eher als Ergänzung gedacht. Häufig fehlt es in virtuellen Welten an didaktischem Input, der eine tiefgehende Wissensvermittlung ermöglicht. Auch das Abfragen von angeeignetem Wissen sowie der persönliche Dialog in virtuellen Umgebungen bieten keinen signifikanten Mehrwert.

Vielmehr kann es eine Ergänzung zu bewährten Lehrmethoden sein – ein zusätzliches Werkzeug zur Visualisierung, das den Unterricht bereichert und in bestimmten Situationen unschlagbare Vorteile bietet. Ihr solltet VR also nicht als Ersatz, sondern als eine von vielen Möglichkeiten betrachten, eure Klasse auf eine abwechslungsreiche und moderne Art zu unterrichten.

Die Symbiose von Virtual Reality und anderen digitalen Hilfsmitteln

Eine der größten Stärken von Virtual Reality liegt darin, dass sie hervorragend mit anderen digitalen Hilfsmitteln kombiniert werden kann. In den letzten Jahren habt ihr vielleicht schon Erfahrungen mit interaktiven Whiteboards, Tablets oder Lernplattformen gemacht. Diese Technologien ermöglichen es euch, euren Unterricht zu digitalisieren, Lerninhalte anzupassen und den Schüler:innen mehr Selbstständigkeit beim Lernen zu ermöglichen. VR kann hier als weiteres Puzzleteil dienen, das sich nahtlos in diese digitale Umgebung integriert und das Lernen bereichert.

Stellt euch vor, ihr nutzt VR als Visualisierungswerkzeug, um euren Schüler:innen ein komplexes Thema zu veranschaulichen. Etwa im Rahmen eines Fluges als Blutzelle durch den menschlichen Körper. Und im Anschluss könnt ihr diese VR-Erfahrung mit interaktiven Quiz-Apps, Arbeitsblättern auf Tablets oder digitalen Lernspielen ergänzen, die das Gelernte vertiefen. Oder ihr erstellt digitale Gruppenarbeiten, bei denen die Schüler:innen nach einer VR-Erfahrung eigenständig weiterforschen und ihre Ergebnisse online präsentieren. VR ist in dieser Konstellation nicht der Mittelpunkt des Unterrichts, sondern ein Baustein, der durch die Verknüpfung mit anderen digitalen Tools einen echten Mehrwert bietet.

In der Gesamtheit entsteht so ein Lernerlebnis, das sich nicht nur nachweislich besser im Gedächtnis verankert, sondern auch die intrinsische Motivation zum Lernen fördert.

Zielgerichteter Einsatz – so entsteht Mehrwert durch VR

Wie alle Lehrmittel muss auch Virtual Reality zielgerichtet eingesetzt werden. Dabei liegen die Stärken virtueller Lernwelten in der Visualisierung von Prozessen, Ereignissen oder Orten – sowie in der Überbrückung von sprachlichen oder geografischen Distanzen. So können zum Beispiel naturwissenschaftliche Experimente beliebig oft durchgeführt werden — ganz ohne Einsatz von schädlichen oder raren Stoffen oder gar Gefahren. Im Geschichtsunterricht unterstützen virtuelle Lernwelten derweil bei der anschaulichen Reise durch die Zeit, während sie in der Turnhalle Anwendung in der Verkehrserziehung finden. Die Anwendungsgebiete sind nur durch die Fantasie der Entwickler:innen limitiert.

Auch können die Schüler:innen ihre eigene Fantasie in virtuelle Welten überführen und mit sogenannten Autorentools ihre ganz persönliche Lernwelt erschaffen. Ein ebenfalls spannender Punkt mit Blick auf die Integration durch VR: Alltagssituationen können für Geflüchtete aufbereitet und geübt werden. Eine Übersicht, welche Themenfelder und Fächer derzeit am meisten vom VR-Einsatz profitieren, findet sich hier.

Zusammengefasst dreht sich bei VR alles um die Simulation. Das ist die große Stärke, die diese Technologie einbringt. Daraus folgt jedoch auch: Nicht jedes Thema eignet sich für den Einsatz von Virtual Reality. Manche Inhalte lassen sich oft besser durch herkömmliche Methoden wie Bücher, Filme oder Diskussionen vermitteln, die ohne technische Anforderungen auskommen und unmittelbar einsetzbar sind.

Herausforderungen und Hürden

Natürlich bringt der Einsatz von Virtual Reality und allgemein neuen Technologien auch Herausforderungen mit sich. Ein zentraler Punkt ist dabei die technische Ausstattung. So sind VR-Brillen oft teuer, erfordern externe Hardware und sind kompliziert in der Bedienung. Darüber hinaus stellen auch fehlende oder unzureichende Inhalte in der Ausbildung zur Lehrkraft eine Hürde dar. Viele von euch haben möglicherweise noch nie mit Virtual Reality gearbeitet und fühlen sich unsicher im Umgang mit dieser neuen Technologie. 

Hier setzen Unternehmen wie die in NRW ansässige VIL GmbH an – einer der beiden durchführenden Partner der eingangs erwähnten Großoffensive des Ministeriums für Schule und Bildung in NRW. VIL steht nicht nur im Kürzel für “Virtuelles Interaktives Lernen”, sondern verspricht kosteneffiziente VR-Lösungen, die autark, also unabhängig von IT-Infrastruktur in der Schule, funktionieren, hochgradig intuitiv bedienbar (also kein Vorwissen erfordern) und mobil sind. Etwa in der Größe eines Reisekoffers lässt sich das Komplettset verstauen.

Die Revolution bleibt aus – Virtual Reality als Baustein einer umfassenden Digitalisierung im Bildungswesen

Virtual Reality ist zweifellos ein spannendes Werkzeug, das immenses Potenzial und eine großartige Perspektive für die Digitalisierung des Unterrichts birgt. Doch man sollte, um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, keine Revolution erwarten. Vielmehr dienen virtuelle Lernumgebungen als Ergänzung zu den bereits bestehenden digitalen Hilfsmitteln. Wenn ihr VR sinnvoll und gezielt einsetzt, kann es helfen, euren Unterricht abwechslungsreicher und moderner zu gestalten. Auch befähigt der Einsatz von Virtual Reality zur Rücksichtnahme auf individuelle Schwächen und erlaubt das gezielte Fördern individueller Stärken.

Entscheidend ist jedoch, dass VR stets im Einklang mit anderen Lehrmethoden und digitalen Tools eingesetzt wird, ohne isoliert zu dominieren. Das Ziel sollte nicht sein, den Unterricht vollständig zu virtualisieren, sondern eine ausgewogene Mischung aus traditionellen und digitalen Elementen zu schaffen. Auf diese Weise könnt ihr euren Schüler:innen eine umfassende und nachhaltige Bildungserfahrung bieten, die sie optimal auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. Virtual Reality ist ein Schritt auf diesem Weg – ein Schritt, der Türen zu neuen Lernwelten öffnet, ohne dabei das Fundament der Bildung aus den Augen zu verlieren. Letztlich bleibt VR ein Mittel zum Zweck: ein Baustein in einer Bildungslandschaft, die auf Vielfalt, Anpassungsfähigkeit und Zukunftsorientierung setzt – für ein Lernen, das den Horizont erweitert und Raum für echte Entwicklung schafft.

Mehr zur Person

Simon Kleff
Simon Kleff, gebürtiger Rheinländer Jahrgang 1982, ist seit 15 Jahren in den Bereichen Bildung und Technologie tätig. Seine Motivation liegt darin, kontinuierlich neue Wege zu gehen und nie aufzuhören, sich weiterzuentwickeln. Mit einem Master in Digitaler Bildung betrachtet Kleff Bildung als weit mehr als formale Ausbildung – sie ist ein zentraler Bestandteil der menschlichen Entwicklung. Technologie sieht er als innovatives Werkzeug, das das Lernen erleichtern sollte. Mit Neugier verfolgt er technologische und didaktische Trends, um ein zeitgemäßes und zugleich zeitloses Verständnis von Lernen zu fördern.
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