Die Integration von Virtual Reality in den Schulunterricht wird mitunter nahezu martialisch als Revolution des Bildungswesens gefeiert. Dabei ist die Technologie, die auch den Instrumentenkasten des Landes NRW erweitert, nicht als Wachablöse herkömmlicher Lehrmethoden gedacht, sondern als Ergänzung und Visualisierungstool. So können komplexe naturwissenschaftliche Prozesse und historische Ereignisse wunderbar in virtuellen Welten nachempfunden und sprachliche wie kulturelle Barrieren für mehr Miteinander abgebaut werden. Und dennoch: Skepsis ist angebracht – denn auf Knopfdruck lassen sich auch durch den Einsatz von virtuellen Lernwelten gewiss nicht die Kernprobleme des deutschen Bildungswesens lösen.
Dieser Artikel beleuchtet sowohl Möglichkeiten als auch Stolpersteine von VR im Klassenzimmer. Das Ziel: Gemachte Fehler bei früheren Digitalisierungsunterfangen nutzen, um aus ihnen zu lernen, und dabei aufzeigen, wie Virtual Reality nachhaltig und sinnvoll in den Unterricht integriert werden kann.
Virtual Reality verspricht Euch als Lehrenden die Möglichkeit, Schülerinnen und Schülern eine völlig neue Welt des Lernens zu eröffnen. Mit VR können sie Städte der Antike besuchen, das Innere einer Zelle verstehen oder sogar historische Ereignisse als Quasi-Zeitzeuge nachempfinden. Studien zeigen, dass immersive Umgebungen das Lernen durch stärkere emotionale und kognitive Verknüpfungen fördern können.
Doch nicht nur das Lernergebnis, auch der Lernprozess werden durch VR signifikant beeinflusst. So steigt die intrinsische Motivation am Lernen häufig in Zusammenhang mit virtuellen Lernwelten, während die “fear of failure”, also die Angst, zu versagen, sinkt. Dies bestätigen zahlreiche Studien, unter anderem auch eine deutsche Publikation der Universität Duisburg-Essen. Gründe für eine abnehmende Angst können das “Alleinsein” in der eigenen Lernwelt – fernab kritischer Augen und Stimmen der Mitschülerinnen und Mitschüler – sein, aber auch die Reproduzierbarkeit von Experimenten und Erlebnissen in VR. Damit bietet das VR-ergänzte Lernen Räume für SuS, die es oft schwer haben, sich im Lernprozess mit anderen zu positionieren. Die spielerische Komponente lädt sie zum Experimentieren und Entdecken ein, was letztlich hochgradig integrativ wirkt und die Lernmotivation aller SuS der Klasse synchronisiert.
Doch sind diese Verheißungen tatsächlich umsetzbar oder bleibt virtuelles Erleben und Lernen eine Spielerei, die in der Praxis an technischen und organisatorischen Hürden scheitert?
Die Einführung digitaler Technologien in Schulen wurde in der Vergangenheit oft von Komplikationen in der technischen Integration sowie von herber Enttäuschung mit Blick auf den Effekt begleitet – dabei denke ich primär an iPads oder Laptops, die oft nur dazu dienen, Texte nicht über die Buchseite, sondern in Pixeln zu vermitteln. An der eigentlichen Unterrichtsmechanik änderte dies jedoch wenig. Diese Erfahrungen zeigen, dass technologische Helfer allein selten die gewünschten Ergebnisse liefern.
Virtual Reality gefährdet dieser Punkt umso mehr; als grundsätzlich neues und damit oft erklärungsbedürftiges Produkt wäre eine quasi-wortlose Integration und ein “sich selbst überlassen” fatal und würde nicht nur keinerlei Mehrwert schöpfen, sondern für Frustration und Misserfolge sorgen. Daher ist es immens wichtig, die Herausforderungen bei der Integration zu sehen und passend zu adressieren.
Häufige Herausforderungen sind:
Diese Probleme sind nicht neu. Laut einer Studie des Deutschen Bildungsberichts 2022 wurde beispielsweise jedes dritte Schulprojekt zur Digitalisierung aufgrund mangelnder Lehrerqualifizierung abgebrochen.
Es braucht also intuitive, bezahlbare Lösungen. Förderbare Lösungen, die zudem auf simplen Gebrauch getrimmt sind, können ein Ansatz sein. Das nordrhein-westfälische Bildungsunternehmen VIL (Virtuelles Interaktives Lernen) ist spezialisiert auf solche Lösungen und nimmt als umsetzender Partner der eingangs erwähnten NRW-Großoffensive bereits zahlreiche Medienzentren und ZfSL an die Hand.
Unabhängig von Anbietern sogenannter “Plug & Play”-Lösungen, ist eine Strategie zur Implementierung digitaler Helfer essenziell. Die Leitplanken für eine solche Strategie sollten umfassen:
Richtig eingesetzt, bieten Virtual-Reality-Lernwelten einzigartige Vorteile, die mit herkömmlichen Methoden kaum zu erreichen sind. Doch es kommt auf die Umsetzung an – den Magic Button gibt es nicht. Fehler aus der Vergangenheit, die aus Digitalisierungsmissionen ein Festhalten an vertrauten, analogen Lehrmethoden machten, dürfen nicht wiederholt werden. Denn das könnte auch für ein so vielseitiges Tool wie die VR das Ende im deutschen Klassenzimmer bedeuten.
Virtual Reality ist immerhin kein Allheilmittel – aber sie ist ein Werkzeug mit großem Potenzial. Wenn neue Lehrmechaniken akzeptiert und VR-Sequenzen nachhaltig und durchdacht in den Unterricht integriert werden, können neue Lernwelten erschlossen werden, die nachweislich die Motivation und den Mut zum Lernen steigern, ebenso den Lernerfolg. Es liegt an Euch, den Einsatz kritisch zu planen und auf den tatsächlichen Mehrwert zu achten, anstatt dem Hype zu folgen. Denn am Ende des Tages zählt nicht die Technologie, sondern das, was Ihr als Lehrende daraus macht.