Tag der Bildung: Optimismus beim Arbeitsmarkt, schlechte Noten für die Chancengleichheit

Von
Clara Picha
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9
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December 2023
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Der Tag der Bildung findet in Deutschland jedes Jahr am 8. Dezember statt. (Quelle: tag-der-bildung.de)

Berlin. 88 Prozent der Kinder und Jugendlichen blicken optimistisch auf ihre berufliche Zukunft, allerdings stellen 56 Prozent den Schulen beim Thema Berufsvorbereitung ein schlechtes Zeugnis aus. Zum Tag der Bildung 2023 hat die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) am Freitag zusammen mit der Bertelsmann Stiftung die Ergebnisse einer neuen Jugendbefragung zum Thema Übergang von der Schule in den Beruf veröffentlicht. 

Die Umfrage wurde vom Medienforschungsinstitut forsa durchgeführt. Dazu wurden 1.075 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 21 Jahren befragt. Die diesjährige Problemstellung stellen die Ergebnisse des Berufsbildungsberichts 2023, dem zu Folge mehr als ein Drittel der 20- bis 34-Jährigen mit einem Hauptschulabschluss keine berufliche Qualifikation haben – bei jungen Erwachsenen ohne Schulabschluss liegt die Zahl bei fast 75%. Wer keine Berufsausbildung hat, läuft ein sechsmal höheres Risiko, im Laufe des Lebens arbeitslos zu sein. Auch Chancenungleichheit spielt beim Übergang von der Schule in den Beruf eine Rolle, denn noch immer hängt der Bildungserfolg in Deutschland stark von der Herkunft eines Schülers oder einer Schülerin ab. Die Jugendbefragung soll diese Missstände im Bildungssystem aufdecken und für die deutsche Bevölkerung und Politik sichtbar machen. Am Freitagvormittag wurden die Ergebnisse in einer Web-Konferenz vorgestellt und diskutiert. 

Die Hälfte der Befragten glaubt, dass eine abgeschlossene Ausbildung oder ein abgeschlossenes Studium im Arbeitsmarkt der Zukunft noch wichtiger werden wird. Diese Einschätzung wird von Expertenmeinungen unterstützt. Die Ergebnisse zeigen auch, dass der Großteil (88 Prozent) der jungen Leute in Deutschland ihrer eigenen beruflichen Zukunftsperspektive positiv oder eher positiv entgegenblicken. Allerdings scheint nicht die Schule für diesen Optimismus verantwortlich zu sein, denn 56 Prozent der Befragten gaben an, dass es den Schulen nur weniger gut gelingt, ihnen das für den beruflichen Erfolg nötige Wissen und Können zu vermitteln. 11 Prozent gaben sogar an, dass es den Schulen gar nicht gelinge, während nur knapp ein Drittel der jungen Leute mit der schulischen Vermittlung von berufsrelevanten Kompetenzen und Kenntnissen zufrieden war. 

57 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen gab an, dass mehr Unterstützung für Schüler:innen nötig sei, um den gewünschten Schulabschluss zu bestehen, während gut ein Drittel (36 Prozent) das aktuelle Angebot für genug halten. Auf die Frage, was für Maßnahmen nötig seien, um die Übergangschancen ins Berufsleben zu verbessern, wurde eine Mobilitätsförderung, die einen Umzug für einen Ausbildungs- oder Studienplatz finanziell unterstützt, von 90 Prozent der Befragten als entweder sehr wichtig oder wichtig eingestuft, flexiblere Ausbildungs- und Studienangebote von 74 Prozent und zusätzliches Coaching von 63 Prozent. Clemens Wieland, Experte der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung, fordert deshalb mehr individuelle Berufsberatung und -begleitung. Junge Leute könnten “gut einschätzen, welche Anforderungen die Arbeitswelt an sie stellen wird”, würden sich jedoch “angesichts der Fülle an beruflichen Möglichkeiten" oft überfordert fühlen. 

Was die Chancengleichheit im Bildungssystem betrifft, gab nur knapp ein Drittel (32%) an, dass die soziale und kulturelle Herkunft in Deutschland die Bildungschancen nicht wesentlich beeinflussen. Bei den jüngeren Jugendlichen wurde der größte Glaube (43 Prozent der 14 bis 16-Jährigen) an die Chancengleichheit gemessen. 64 Prozent aller Befragten sind der Ansicht, dass Bildungschancen in Deutschland nicht gerecht verteilt sind. Diese Zahl hat sich seit 2022 nicht verändert und stellt mit die größte Unzufriedenheit mit der Chancenverteilung im deutschen Bildungssystem dar, die im Rahmen der Erhebungen zum Tag der Bildung je gemessen wurde. 

Aus den Ergebnissen wurden drei Ansatzpunkte für die Verbesserung des deutschen Bildungssystems gezogen. Erstens soll dafür gesorgt werden, dass jede junge Person die gleiche Chance auf einen Berufsabschluss hat, um den Optimismus der Befragten gegenüber ihrer eigenen beruflichen Zukunft zur Realität zu machen. Des Weiteren müssen Bildungschancen auch mit Betracht auf Schüler:innen mit Migrationshintergrund oder Beeinträchtigungen fair verteilt werden. Als letztes müssten junge Leute in die Lösungsfindung der Politik auch jenseits von Umfragen mit einbezogen werden, denn “sie wissen am besten, was sie an Unterstützung benötigen und wie sie mit Angeboten, beispielsweise zur Berufsorientierung, erreichbar sind”, so die Experten der Bertelsmannstiftung und der DKJS. 

Anlässlich des Tags der Bildung fanden gestern weitere Aktionen statt. In Berlin hat die Spendenorganisation Stiftung Bildung zur Verleihung des Förderpreises “Verein(t) für gute Kita und Schule” und des youstartN-Preises in das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eingeladen. Erfolgreiche Bildungsprojekte aus ganz Deutschland sollten insgesamt mit einer Preisgeldsumme von 29.000 Euro geehrt werden. In Kiel lud die Bürgermeisterin und Bildungsdezernentin Renate Treutel Schüler:innen der 9. Klasse zur Bildungskonferenz JUGEND ins Kieler Rathaus ein. Hier sollten die Jugendlichen in Workshops “ihre Perspektive für eine nachhaltige Entwicklung der Zukunft” erarbeiten. Die Ergebnisse sollten im Anschluss vorgestellt und mit anwesenden Gästen unter anderem aus der kommunalen Bildungspolitik diskutiert werden. 

Die bayerische Staatsministerin für Unterricht und Kultus, Anna Stolz, hatte im Voraus an den Tag der Bildung erinnert und betonte die wichtige Rolle von Bildung als “Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft”, der “Türen zu persönlichem Erfolg und gesellschaftlichem Fortschritt und Wohlstand” öffnet. 

Der Tag der Bildung wird in Deutschland seit 2015 jährlich am 8. Dezember von der DKJS durchgeführt. Ziel der Initiative ist es, in der Gesellschaft ein Verständnis für Bildung zu schaffen, das weit über “klassische Wissensvermittlung” hinausgeht, und die Fähigkeit von Bildung hervorzuheben, als Schlüssel für Persönlichkeitsentwicklung, Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz zu dienen und damit gesellschaftliche Chancengleichheit zu schaffen.

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