“Bildung für alle” – Die Linke fordert mehr Investitionen, kostenlose Betreuung und mehr Chancengleichheit im Bildungssystem. (Quelle: Canva)
Am Sonntag, dem 23. Februar, steht die Wahl des Bundestags bevor. Sie bietet der Gesellschaft die Möglichkeit mitzuentscheiden, wie die Bildung der kommenden Jahre in Deutschland aussehen soll. Welche Visionen verfolgen die Parteien, um das deutsche Bildungssystem zu verbessern und die Chancen für alle fair zu gestalten?
Im Verlauf der letzten Wochen haben wir bereits die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, AfD, BSW, FDP und dem Bündnis 90/Die Grünen hinsichtlich ihrer bildungspolitischen Ziele analysiert und zusammengefasst. Nun werfen wir einen Blick auf das Konzept, das Die Linke für die anstehende Wahl ausgearbeitet hat.
Anmerkung der Redaktion: Die Reihenfolge der Parteien in dieser Artikelserie ist zufällig gewählt. Die Links zu den Analysen der weiteren Wahlprogramme werden sukzessive ergänzt, sobald die jeweiligen Artikel veröffentlicht sind.
Am 18. Januar 2025 beschloss Die Linke ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025. Unter dem Titel Alle wollen regieren. Wir wollen verändern. – Reichtum teilen. Preise senken, stellen sie auf 58 Seiten ihre Ziele und Bestrebungen für Deutschland vor.
Zu Beginn bringen sie auf zwei Seiten zum Ausdruck, wofür sie eintreten und was sie verändern möchten. Dabei steht eine sozial gerechte Gesellschaft im Fokus, in der alle Menschen ein planbares Leben mit sicherem Einkommen und bezahlbarem Wohnraum führen können. Kritik äußern sie vor allem an der zunehmenden Konzentration von Macht und Reichtum bei wenigen Profiteuren der Wirtschaftsordnung. Sie fordern, die Kluft zwischen Arm und Reich durch eine grundlegende Veränderung der Politik zu beseitigen.
Anstelle von Schuldenbremse und Rüstungskosten wollen Die Linke Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur. Die Mehrheit der Menschen soll finanzielle Entlastung erfahren – durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, bezahlbare Mieten und eine Kindergrundsicherung, die Familien und Kinder unterstützt. Gleichzeitig sollen offene Fluchtwege allen Menschen gleiche Rechte zusichern. Im Gegenzug sollen die Kosten für die wenigen Wirtschaftsprofiteure steigen, indem hohe Einkommen stärker besteuert werden und die Kosten der Klimapolitik von den Konzernen getragen werden. Die Präambel wird durch die Worte der zwei Spitzenkandidaten Heidi Reichinnek und Jan van abgeschlossen: “Wir gemeinsam gegen die da oben”.
Es folgt eine ausführliche Abhandlung in 20 Gliederungspunkten, welche zuvor genannte Themen aufgreift und weitere Schwerpunkte, wie Extreme Rechte stoppen!, Medien und Kultur für eine plurale Gesellschaft und Digitalisierung fürs Gemeinwohl statt für Konzernprofite, aufgreift.
Die Linke sieht im aktuellen Bildungssystem erhebliche Ungerechtigkeiten und formuliert folgende Positionen: “Das deutsche Bildungssystem ist ungerecht”. Für Kinder aus nicht akademischen Haushalten sei der Zugang zu Bildung erschwert, an den Schulen herrsche ein Sanierungsstau, an Lehrkräften fehle es. Um Bildungseinrichtungen finanziell zu unterstützen, fordert die Partei deshalb ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen vom Bund. Sodass “hochwertige, inklusive und lebenslange Bildungsangebote zur Selbstverständlichkeit werden”. Hierzu zählt für Die Linke auch, dass Bildung als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz aufgenommen wird und ein Privatisierungsverbot im Bildungssektor festgelegt wird. Langfristig soll zudem die Einführung einer Vermögenssteuer, die in die Länderhaushalte fließt, den Investitionsstau auffangen.
Die Partei kritisiert, dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz in vielen Orten nicht umgesetzt werde – bundesweit fehle es an 430.000 Betreuungsplätzen. Deshalb setzen sie sich für ein Kitaqualitätsgesetz ein, das nicht nur Kindern einen Betreuungsplatz zusichern soll, sondern auch die Mitarbeitenden vor Überlastung durch zu große Gruppen schützt. Konkret fordert die Linke einen besseren Betreuungsschlüssel, bei dem weniger Kinder pro Erzieher:in beaufsichtigt werden müssen. Darüber hinaus soll die Betreuung inklusive der Verpflegung in Kitas und Schulen kostenlos sein.
Neben diesen Maßnahmen strebt die Linke eine Steigerung der Löhne im Sozial- und Erziehungsdienst an. Zudem soll die Qualität der Erzieher:innenausbildung erhöht und der Zugang zum Beruf erleichtert werden. Ein besonderer Fokus liege dabei auf den Kompetenzen der Kita-Mitarbeitenden in den Bereichen alltagsintegrierte Sprache und Förderung von Mehrsprachigkeit.
Die Linke setzt sich für eine inklusive Schule ein, die allen Kindern – unabhängig von Herkunft, Förderbedarf oder sozialer Herkunft – gleiche Bildungschancen bieten soll. Damit wollen sie der sozialen Ungleichheit entgegengewirken, die durch das dreigliedrige Schulsystem verstärkt werde. Als weitere Maßnahme fordern sie eine Ganztagsbetreuung für alle Schüler:innen, bevorzugt an Ganztagsschulen.
Um Inklusion zu ermöglichen, fordert Die Linke Schulen barrierefrei zu gestalten und ausreichend Fachkräfte einzustellen. Multiprofessionelle Teams sollen gemeinsam auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lernenden eingehen, Schulpsycholog:innen und Sozialarbeiter:innen dauerhaft an allen Schulen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll die Kinder- und Jugendhilfe stärker in den Schulalltag eingebunden werden, um eine individuelle Förderung sicherzustellen, ohne dabei diskriminierend oder stigmatisierend zu wirken. Auch der kostenfreie Zugang zu Lernmitteln müsse gesichert werden.
Ein Bundesprogramm soll Lehrende im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) fort- und weiterbilden, sowie Sprach- und Alphabetisierungskurse für Eltern und Geschwister migrantischer Kinder schaffen. Das Sprachangebot an Schulen soll erweitert und Herkunftssprachen als Erst- und Zweitsprachen anerkannt werden.
Schüler:innen sollen zudem mehr Mitbestimmungsrechte erhalten. Dieses soll neben der politischen Bildung und der Demokratie und Partizipation schon früher Raum in den Bildungsinstitutionen einnehmen und in den Bildungsinhalten verankert werden. Außerdem positioniert sich die Linkspartei gegen Werbung und Lobbyismus in Schulen und Universitäten. Insbesondere der Werbung für die Bundeswehr soll mit Friedensarbeit und zivilen Alternativen an Bildungseinrichtungen entgegengewirkt werden. Sicherheit spiele für sie auch auf dem Schulweg eine wichtige Rolle, daher unterstützen sie unter anderem das Modell der Schulstraße.
Hinsichtlich Medien- und Datenschutzkompetenzen stehen die Linken für eine möglichst frühe Förderung. Dabei sollen Lernsoftwares jedoch nicht als Lehrmittel, sondern als Lernunterstützung dienen. Eine Bewertung oder Vorhersage von Lernerfolgen mit KI lehnen sie ab. Hingegen befürworten sie eine Schulung der Lehrkräfte im Bereich der digitalen Technik, KI und des Datenschutzes. Beim Einsatz von Software sollen in erster Linie frei zugängliche Lern- und Lehrmaterialien genutzt werden, die keine Profitinteressen von Unternehmen unterstützen.
Die Linke strebt an, dass Betriebe in einen Fond einzahlen müssen, sofern sie selbst nicht ausbilden. Damit sollen ausbildende Betriebe finanziell unterstützt werden. Zudem wollen sie das Unternehmen finanzielle Mittel für bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende beisteuern.
Eine zusätzliche finanzielle Entlastung für Auszubildende streben sie mit einer vollqualifizierenden und gebührenfreien Ausbildung an – Schulgeld soll entfallen, Azubis eine Mindestausbildungsvergütung erhalten. Schulische Ausbildungen sollen weiterhin bestehen und ein Aufstiegs-BAföG etabliert werden, das stetig der Inflation angepasst wird. Einrichtungen und Fachschulen, die Ausbildungen anbieten, sollen gefördert werden.
Benachteiligung soll durch anonymisierte Bewerbungsverfahren entgegengewirkt werden. Außerdem fordern sie, die “Ausbildungsreife” der Arbeitsagentur abzuschaffen und nach berufsvorbereitenden Maßnahmen einen Ausbildungsplatz zu gewährleisten. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt sollen durch geschlechtersensible Bildung und die Aufwertung schlecht bezahlter Berufe mit hohem Frauenanteil bewältigt werden. “Politische Bildung, Medienkompetenz und KI-Wissen sollen Teil der beruflichen Ausbildung sein”, heißt es dazu im Programm.
Die Ausbildungsqualität und der Anspruch auf eine vollqualifizierte Ausbildung sollen im Berufsbildungsgesetz (BBiG) verankert werden. Auch die Mitbestimmung der Auszubildenden soll durch ein Mitwirken in den Personalvertretungen garantiert werden. Die Linken unterstützen Jugendorganisationen im Kampf für bessere tarifvertragliche Lösungen. Insbesondere nicht duale Ausbildungen sollen höhere Löhne mit sich bringen.
Lebenslanges und lebensbegleitendes Lernen soll als Angebot bereitstehen. Voraussetzungen seien gute Arbeitsbedingungen und Entlohnung durch die Träger der Erwachsenenbildung. Dazu sollen allgemeinverbindliche Tarifverträge geschaffen und die Qualität der Bildungsangebote überprüft werden. Ebenso soll die gesetzlich geregelte Freistellung auch für nicht berufliche Weiterbildungen geltend gemacht werden. Menschen ohne Ausbildung sollen unterstützt werden, indem erleichterte Externenprüfungen und eine verlängerte Umschulung ermöglicht werden.
Die Linke fordert ein BAföG für alle – eltern-, alters- und herkunftsunabhängig – welches unbefristet als Vollzuschuss erfolgen soll: “Die Höhe muss regelmäßig angepasst werden und darf nicht unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegen”. Der Zugang zu BAföG soll auch Personen mit Duldung oder Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ermöglicht werden. Generell müsse man die Studierendenwerke so gut finanzieren, dass Semesterbeiträge, Mensapreise und Wohnkosten für die Studierenden gesenkt werden können, argumentiert die Partei in ihrem Wahlprogramm.
Jeder soll die Möglichkeit erhalten, ein Studium an einer Universität zu absolvieren, auch Personen mit Fachabitur, einer beruflichen Ausbildung oder vergleichbaren Abschlüssen. Dies soll ohne Studiengebühren erfolgen. Außerdem soll ein Mentoring-Programm Student:innen aus Nicht-Akademikerfamilien unterstützen.
Auch für Geflüchtete und internationale Studierende will Die Linke den Zugang zum Studium vereinfachen, indem Abschlüsse anerkannt und Studienplätze geschaffen werden. Die weltweiten akademischen Kooperationen zwischen Hochschulen, Bildungs- und Kultureinrichtungen und der internationale Austausch sollen verstärkt werden. Das Programm zur Förderung von Professorinnen soll zu einem Programm zur Förderung von Frauen in allen Karrierestufen ausgebaut werden.
Die Linke fordert “demokratische Hochschulen”, in denen Studierende in demokratisch verfassten Studierendenschaften selbst mitwirken können. Themen wie Frieden, soziale Gleichheit und Ökologie sollen Bestandteile des Studiums sein. Neoklassische Theorien in Wirtschaftswissenschaften seien auch für aktuelle Krisen des Wirtschaftssystems verantwortlich. Daher will die Partei plurale ökonomische Ansätze an Universitäten fördern.
Um diese Pläne umsetzen zu können, müssen die Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft laut den Linken angepasst werden. Sie fordern Dauerstellen für Daueraufgaben, planbare Arbeitsbedingungen für wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeitende und eine Tarifabsicherung für studentische Beschäftigte. Auch in den Hochschulen soll durch einen Hochschul-Digitalpakt der Aus- und Aufbau digitaler Infrastrukturen gefördert werden.
Die Linke widmet in ihrem Wahlprogramm der Inklusion und Teilhabe ein gesamtes Kapitel und betont, dass der Begriff Inklusion häufig auf Bildung beschränkt und für Einsparungen missbraucht würde. Deshalb werden neben dem Bildungsaspekt weitere sechs Punkte genannt, die gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen möglich machen sollen. Im Bildungssektor setzten sie besonders auf inklusives Lernen in allen Einrichtungen der Bildung – Förderschulen müssten umstrukturiert werden, alle Regelschulen sollten sonderpädagogisches Personal erhalten. Auch Aus-, Fort- und Weiterbildungen müssten inklusiv ausgerichtet werden und bis ins hohe Alter möglich sein.
Abschließend kann festgehalten werden, dass die Pläne der Linken – insbesondere in der Bildungspolitik – eine Reduzierung der sozialen Ungleichheit und die Gleichberechtigung aller Menschen in den Fokus rücken. Dabei sind hohe Bildungsinvestitionen, kostenfreie Bildungs- und Betreuungsangebote und eine stärkere staatliche Verantwortung zentral. Lobbyismus an Bildungseinrichtungen soll entgegengewirkt werden. Gleichzeitig möchten sie Ausbildung und Studium demokratischer und ökologischer ausrichten, sodass Lernende mehr Mitspracherechte erhalten.
Sie nehmen in ihrem Wahlprogramm keine Stellung dazu, wie sie die finanziellen Mittel konkret verteilen möchten. Auch der separat gereichte Plan zur Umverteilung und Investition gibt nur bedingt Auskunft. Wem steht die höchste finanzielle Abhilfe zu – Kitas, Schulen oder Hochschulen? Oder erhalten die Bildungsinstitutionen zu gleichen Teilen finanzielle Unterstützung? Außerdem gibt es keine zeitlichen Angaben dazu, in welchem Zeitraum die Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Die Ziele sind damit klar definiert, Umsetzungen jedoch nicht immer finanziell vollends aufgeschlüsselt und zeitlich eingegrenzt. Sollten die Umfragewerte stimmen und Die Linke in den Bundestag einziehen, bleibt abzuwarten, welchen Einfluss sie auf die Bildungslandschaft in Deutschland nehmen können.