Das Ende der Einstimmigkeit? KMK reformiert sich unter Zeitdruck

Portrait der Ministerin für Bildung und Kultur des Saarlandes, Christine Streichert-Clivot

Die Ministerin für Bildung und Kultur des Saarlandes, Christine Streichert-Clivot, ist derzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz (Quelle: KMK)

Völklingen. Die Kultusministerkonferenz steht unter Druck. Angesichts des drohenden Rechtsrucks durch eine mögliche AfD-Regierungsbeteiligung nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg diesen Herbst, bereitet sich das oberste Koordinationsgremium der deutschen Bildungspolitik auf Strukturveränderungen vor. “Wir müssen uns um die Resilienz dieser Institution kümmern”, forderte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) auf der jüngsten KMK-Tagung, die vergangenen Sonntag im saarländischen Völklingen zu Ende gegangen ist.

Soviel vorweg: Der große Wurf ist auf jener 386. Sitzung des Gremiums nicht gelungen. Die angekündigten Strukturreformen, allen voran das Ende des Einstimmigkeitsprinzips, wurden erstmal vertagt. Doch scheint sich die KMK zumindest einen Fahrplan für weitere Reformen gegeben zu haben, die kommenden Herbst in den Beschluss kommen könnten.

Das bisher geltende Einstimmigkeitsprinzip heißt übersetzt: Nur wenn alle Länder in zentralen Fragen, also jenen, die finanzielle und andere Auswirkungen auf die Einheitlichkeit und Mobilität im Bildungswesen haben, derselben Auffassung sind, kommt es zum Beschluss. Dies führt in der Praxis zu immer wieder langwierigen Verhandlungen, die dann oft in einem Minimalkonsens enden. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) plädierte in den Tagen vor der Sitzung für ein Ende dieses Prinzips und bekam dafür Unterstützung von Prien, die dem Schritt ebenfalls zugeneigt wäre.

Aufgrund von Widerstand aus Bayern und einigen ostdeutschen Bundesländern wurde die Reform jedoch vertagt. Was blieb, war lediglich die Bitte an die Strukturkommission, die Möglichkeit “zur Ausgestaltung etwaiger Mehrheitsentscheidungen oder anderer Verfahrenswege zu prüfen”, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung zur Völklinger Tagung. 

In einem anderen Punkt kam die Strukturreform jedoch voran: Es wurde beschlossen, künftig eigenständige Ministerkonferenzen für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu gründen. Darin werden die jeweiligen Fachministerinnen und -minister getrennt tagen und eigene Beschlüsse fassen. “Es geht uns darum, agiler und politischer zu werden”, sagte KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot (SPD) am Freitag. Statt einer einzigen KMK-Präsidentschaft wird es künftig drei gleichberechtigte Vorsitzende geben, die für die politisch-strategische Koordination verantwortlich sind, wobei das KMK-Sekretariat als übergeordnete Organisation fungiert.

Ein Grund für die Aufteilung der Gremien ist, dass mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, in allen Bundesländern die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Schule politisch getrennt sind. Dies war nach der Gründung der KMK noch anders. Viele bemängeln, dass die getrennte Steuerung von Schulen und Hochschulen die Koordination der Lehrerausbildung erschwert. Direkt nach dem Beschluss kritisierte der Deutsche Philologenverband am Freitag, dass die Kultusministerien durch die KMK-Reform noch mehr Einfluss auf die universitäre Lehrerbildung verlieren würden.

Ein weiteres Thema in puncto Resilienz der KMK war die Frage nach ihrer Auflösung. Sollte eine mögliche AfD-Landesregierung aus dem Gremium austreten, könnte die KMK nach bisheriger Rechtslage aufgelöst werden, da der Austritt nur eines Landes die Auflösung des Sekretariats zur Folge hätte. Die Kultusminister möchten dies nun ändern, sodass die verbleibenden Länder auch nach einem Austritt über die Aufgaben und die Finanzierung des Sekretariats entscheiden können. Die Umsetzung muss jedoch noch von der Ministerpräsidentenkonferenz am 2. Oktober – die voraussichtlich während der Regierungsbildung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg tagt – genehmigt werden.

Vor der KMK-Sitzung wurde eine 13:3-Regelung besprochen: Für einen KMK-Beschluss wären 13 Ja-Stimmen ausreichend, während die verbleibenden drei Länder nicht zwingend zustimmen müssten. So könnte die Mehrheit der Länder beispielsweise einheitlichere Abiturregeln beschließen, während bis zu drei Länder abweichende Regelungen beibehalten könnten – also eine KMK mit zwei Geschwindigkeiten. KMK-Beschlüsse haben jedoch keine Rechtskraft wie ein Verfassungsorgan. Die im Grundgesetz verankerte Länderhoheit in Bildungsfragen bleibt unberührt, die KMK dient lediglich der Selbstkoordinierung der Länder. Eine Änderung könnte daher nur durch eine Grundgesetzreform oder einen Staatsvertrag zwischen den Ländern erfolgen, was beides politisch als unwahrscheinlich angesehen wird.

Derzeit scheint offen, welche Vorschläge die Strukturkommission bis August konkret erarbeiten wird und wie damit weiter umgegangen wird. Die Zeit zu den Landtagswahlen drängt jedoch: Eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip kann nur einstimmig beschlossen werden. 

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