Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bei einer proisraelischen Veranstaltung an der Berliner Humboldt-Universität (Quelle: Frank Gaeth/Commons)
Berlin. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat gestern einen Rücktritt im Zusammenhang mit der Fördergeldaffäre abgelehnt. “Dazu sehe ich keine Veranlassung”, sagte die FDP-Politikerin am Montag auf Nachfrage von Journalisten in Berlin. “Ich habe den betreffenden Auftrag, förderrechtliche Konsequenzen prüfen zu lassen, nicht erteilt und auch nicht gewollt”, so die Ministerin.
Am Sonntag hatte Stark-Watzinger Staatssekretärin Sabine Döring entlassen (Lehrer-News berichtete), die die entsprechende Prüfung veranlasst haben soll.
Hintergrund war der Umgang des BMBF mit einem offenen Brief von Hochschuldozenten zum Nahostkonflikt. Die Dozenten hatten die Räumung eines Camps propalästinensischer Demonstranten an der Freien Universität Berlin kritisiert. Dabei ging es den Unterzeichnern explizit nicht um eine inhaltliche Positionierung, sondern um das Vorgehen rund um die Räumung. “Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt”, heißt es in dem Statement, das mittlerweile von über 1000 Hochschullehrenden unterzeichnet worden ist.
Stark-Watzinger erklärte daraufhin öffentlich, sie sei “fassungslos” über den offenen Brief. “Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost”, sagte sie der Bild-Zeitung. Recherchen des ARD-Magazins Panorama legten später offen, dass das Ministerium anschließend juristische Schritte gegen die Unterzeichner des Briefes sowie die Kürzung von Fördergeldern prüfen ließ. Stark-Watzingers Mitarbeiter zeigten sich über die Bitte irritiert, wie aus dem von Panorama veröffentlichten Mailwechsel hervorgeht.
Der geleakte Mailverkehr löste eine Welle der Entrüstung in Politik und Wissenschaft aus. “Wer Gesinnungsprüfungen gegen frei denkende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anregt und erwägt, Fördergelder zu kürzen, ist in einem Bundesministerium nicht tragbar”, sagte SPD-Bildungspolitikerin Carolin Wagner gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die Ministerin müsse “dankbar sein, dass die Kontrollmechanismen in ihrem Haus funktionieren und besonnene Mitarbeitende die Pläne gestoppt haben.” Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek, forderte die Ministerin zum Rücktritt auf.
Am Sonntag sprach Stark-Watzinger selbst von der Notwendigkeit eines “personellen Neuanfangs” in ihrem Ministerium – der sie selbst offensichtlich nicht einschließen soll. Die Entlassung von Staatssekretärin Döring wurde entsprechend vielfach als “Bauernopfer” kritisiert. “Bettina Stark-Watzinger hat ihre Staatssekretärin entlassen. Doch das Bauernopfer wird die Ministerin nicht retten, dafür ist es zu offensichtlich ein Ablenkungsmanöver”, schreiben etwa Miriam Olbrisch und Armin Himmelrath in einem Kommentar des Spiegel. Auch Karin Prien, stellvertretende Vorsitzende der CDU und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, spricht von “einem Bauernopfer”. “Vielen Beobachtern fällt schwer zu glauben, dass eine Staatssekretärin wirklich unabgestimmt mit der Ministerin einen derart sensiblen Prüfauftrag formuliert”, erklärte der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda in seinem Blog.
Die Koalitionspartner SPD und Grüne haben bisher weitgehend auf offene Kritik an der Ministerin verzichtet. “Es ist gut, dass Bundesministerin Stark-Watzinger jetzt aufklärt und schwerwiegende Konsequenzen zieht”, sagte etwa der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Oliver Kaczmarek.
Mittlerweile fordern in einem weiteren offenen Brief über 3000 Vertreter der wissenschaftlichen Community Stark-Watzinger zum Rücktritt auf.