Bildung als Schlüssel zur Zukunft – ein Plädoyer für Mut und Investitionen (Quelle: GEW, Fotograf: Kay Herschelmann)
Deutschland steht unter Druck: politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Die vielfältigen Krisen unserer Zeit stehen in engem Zusammenhang mit dem Zustand des Bildungssystems: Obwohl wir in einem wohlhabenden Land leben, schaffen wir es nicht, für alle Menschen Chancengleichheit herzustellen. Das hat fatale gesellschafts-, aber auch wirtschaftspolitische Folgen. Statt den Zugang zu qualitativ und quantitativ guter Bildung für alle gleichermaßen zu ermöglichen, geht die Schere im Bildungsverlauf immer weiter auseinander.
Bildung beeinflusst die Zukunft aller Menschen. Sie ist wegweisend für verantwortungsbewusstes Handeln in der globalisierten Welt, für den sozialen Zusammenhalt und für die demokratische, nachhaltige, geschlechtergerechte und inklusive Entwicklung der Gesellschaft. Das müssen wir ernst nehmen, sonst handelt Deutschland gegenüber allen Generationen verantwortungslos.
Es braucht einen klaren Kurswechsel in der Bildungspolitik, um auf die multiplen Herausforderungen selbstbewusst, strategisch vorausschauend und erfolgreich zu reagieren. Mit dem Digitalpakt und dem Startchancenprogramm sowie dem Rechtsanspruch auf den Ganztag in der Grundschule ab 2026 hat der Bund Maßnahmen angestoßen, die in die richtige Richtung gehen. Sie reichen aber bei weitem nicht und die Umsetzung stagniert in Teilen. Fazit: Chancengleichheit und gleichwertige Lebensverhältnisse bleiben in der Regel unerfüllte Versprechen.
Deutschland braucht eine starke, mutige, nach vorne gewandte, innovative und nachhaltige Bildungsoffensive. Dafür müssen Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen. Nur so kann dieses Vorhaben quantitativ so ausgestattet werden, dass es qualitativ spürbare Verbesserungen für die Lernenden und Lehrenden gibt.
Der Bund muss ein Sondervermögen Bildung in Höhe von mindestens 130 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Mit diesem Geld soll der Investitionsstau in der Bildung aufgelöst werden. Der zukünftige Fachkräftemangel insbesondere im Kita- und Schulbereich ist dabei noch nicht eingepreist. Statt an allen Ecken und Enden zu sparen, muss die Schuldenbremse jetzt reformiert werden. Wir brauchen gerade in der Krise Bildungs- und somit Zukunftsinvestitionen. Diese sind die Grundlage für erfolgreiche Entwicklungsperspektiven für die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft.
Vor diesem Hintergrund bleibt es eine vordringliche Aufgabe, ein Kooperationsgebot zwischen Bund, Ländern und Kommunen umzusetzen. Wir schlagen vor, einen systemischen Wandel des Bildungswesens in einem nachhaltigen Dialog zusammen mit den Ländern, dem Bund und den Kommunen zu erarbeiten. Denn eine nachhaltige, starke Bildungsoffensive muss auf zwei Grundpfeilern aufgebaut werden: Erstens eine ausreichende Finanzierung, um den quantitativen und qualitativen Ausbau der Bildung zu gewährleisten. Zweitens ist ein dialogischer Veränderungsprozess nötig, in dem alle an Bildung Beteiligten aus Politik, Fachorganisationen, Gewerkschaften, Lernenden und Eltern, begleitet von der Wissenschaft zusammenarbeiten.
Die Bildungsoffensive muss neben der Qualitätsentwicklung der Bildungs- und Lerninhalte auch eine Qualitätsentwicklung der Arbeitsbedingungen beinhalten. Damit pädagogische Fachkräfte die bestmögliche Bildung und Förderung weitergeben können und selber bis zum Ruhestand gesund bleiben, braucht es gute und verlässliche Arbeitsbedingungen. Der massive Fachkräftemangel gefährdet die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Bei den Erzieher*innen ist der Krankenstand höher als in allen anderen Beschäftigtengruppen: knapp 30 Tage Arbeitsunfähigkeit, gegenüber rund 20 Tagen im Schnitt aller Branchen. Gute Arbeitsbedingungen sind eine zentrale Voraussetzung, um junge Menschen für Berufe im Bildungssystem zu gewinnen. Der Druck im System darf jedoch nicht zu einer breiten Dequalifizierung des Fachkräftenachwuchses führen.
Qualitativ hochwertige Bildung erfordert einen angemessenen Ausgabenspielraum. Zusätzlich zu dem Sondervermögen schlagen wir daher einen Sozialfonds vor, um Kitas, Schulen, berufliche Schulen, Hochschulen und die Weiterbildung besser auszustatten. Zudem müssen die Mittel anders verteilt werden: Es braucht einen sozial indizierten Verteilungsschlüssel, der etwa den Bildungsstand und die soziale Situation berücksichtigt, wie es beim Startchancenprogramm schon in Teilen umgesetzt wurde. Die GEW hat ein Gutachten vorgelegt, das Alternativen zum Königsteiner Schlüssel aufzeigt. Ziel ist, dass das Geld dort ankommt, wo es am meisten benötigt wird: bei den armen Familien, in benachteiligten Stadtvierteln und Regionen. Nur wenn Ungleiches ungleich behandelt wird, kann eine Angleichung der Lebensverhältnisse gelingen. Die zum Teil erheblich verschuldeten Kommunen müssen von ihren Altschulden entlastet werden.
Das von der Ampel-Koalition angekündigte „Jahrzehnt der Bildungschancen“ ist in weiten Teilen ein leeres Versprechen geblieben. Deshalb muss eine neue Regierung diese Baustellen konsequent angehen: Der Ganztagsausbau stockt, der Rechtsanspruch ab 2026 ist kaum noch zeitgerecht umzusetzen. Es gibt zwar eine Ausbildungsgarantie, diese führt aber nicht zu den Verbesserungen der Ausbildung, die im System dringend notwendig sind. Beim Digitalpakt gibt es aktuell ein Patt zwischen Bund und Ländern. Die Reform des BAföGs ist nicht zufriedenstellend, strukturelle Weiterentwicklungen hat es nicht gegeben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist nicht wie notwendig reformiert worden – und liegt jetzt auf Eis. Zudem müssen die Kinderrechte verbessert und eine echte Kindergrundsicherung eingeführt werden. Die einfachere Anerkennung ausländischer Abschlüsse sowie die Absicht, Integrationskurse, berufsbezogene Sprachkurse und Beratungen stärker zu fördern, ist der Ampel in Teilen gelungen. Aber jetzt stehen massive Kürzungen bevor. Das gleiche Streichkonzert gilt für den Bereich der Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Ein weiteres gesellschaftspolitisch notwendiges Gesetzesvorhaben, das wie die Kindergrundsicherung aufgrund der Blockaden in der Ampel nicht zustande kam, ist das Demokratiefördergesetz.
Die neue Bundesregierung ist in der Pflicht, mit einer starken Bildungsoffensive die Bildungspolitik zu einem Kernanliegen der Politik zu machen.
Maike Finnern ist seit 2021 Vorsitzende der GEW und setzt sich engagiert für die Interessen von Lehrkräften und Bildungseinrichtungen ein. Nach ihrer Tätigkeit als Lehrerin und zweite Konrektorin war sie viele Jahre als Personalrätin im Bezirk Detmold und im Hauptpersonalrat beim Schulministerium in NRW aktiv. Seit 2013 ist sie Mitglied im Hauptvorstand der GEW NRW und seit Mai 2019 Landesvorsitzende.
Wir bedanken uns bei Maike Finnern für ihren Beitrag und möchten hinzufügen, dass der Inhalt des Artikels nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wiedergibt.