Kritik an ‚Kompass 4‘: GEW fordert, den Test abzuschaffen. Lehrkräfte bemängeln Aufgaben, die Kinder überfordern. (Quelle: Canva)
Stuttgart. Seit dem Schuljahr 2024/25 hat der neu eingeführte Leistungstest “Kompass 4“ für Viertklässler:innen an Baden-Württembergs Grundschulen großen Einfluss darauf, ob die Schüler:innen auf ein Gymnasium versetzt werden oder nicht. Dieser wurde nun als unnötig von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg kritisiert, da der Test die Kinder demotiviere und zu Versagensängsten führe (berichtet news4teachers).
Laut einer aktuellen GEW Umfrage halten zwei Drittel der 1.131 befragten Lehrkräfte den neuen Leistungstest “Kompass 4“ für überflüssig und wenig sinnvoll. Der Test, der seit diesem Schuljahr über den Wechsel aufs Gymnasium mitentscheidet, steht insbesondere wegen zu schwieriger Mathematikaufgaben, zu knapper Bearbeitungszeit und unlösbarer Textaufgaben für Kinder mit Sprachdefiziten in der Kritik. Viele Lehrkräfte bemängelten, dass die Testergebnisse nicht mit ihren Einschätzungen der Kinder übereinstimmen. Die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein forderte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) auf, das Verfahren zu stoppen: “Vertrauen Sie der Expertise tausender pädagogischer Profis.“
Der Leistungstest ist Teil der verschärften Grundschulempfehlung, die im Zuge der grün-schwarzen Bildungsreform eingeführt wurde. Neben dem Test und der Lehrerempfehlung können Eltern nun nicht mehr allein entscheiden, ob ihr Kind aufs Gymnasium wechselt. Stimmen zwei dieser drei Komponenten überein, steht der Weg frei. Andernfalls kann ein weiteres Verfahren die Eignung klären, dessen Ergebnis bindend ist – jedoch nur für den Übergang auf ein Gymnasium. Die Reform soll Überlastungen durch das Comeback des neunjährigen Gymnasiums (G9) vorbeugen, da Prognosen zufolge künftig deutlich mehr Schüler:innen diese Schulform wählen könnten.
Schon vor der Einführung des Tests gab es viel Kritik. Die Schüler:innenvertretung Baden-Württemberg bezeichnete die verschärfte Grundschulempfehlung als “Rückschritt“, der Bildungsgerechtigkeit behindere. Oft werde die Empfehlung nicht am Potenzial der Kinder, sondern an ihrer Herkunft festgemacht, so der Landesschüler:innenbeirat. Auch Berufsverbände der weiterführenden Schulen sprechen sich zwar grundsätzlich für eine verbindlichere Empfehlung aus, kritisieren jedoch die aktuelle Umsetzung: Der Philologenverband nennt sie “nicht verbindlich genug“, während der Realschullehrerverband bemängelt, dass die Verbindlichkeit nur für Gymnasien gelte. Das Kultusministerium misst der GEW-Umfrage wenig Bedeutung bei, da die Haltung der Gewerkschaft bekannt sei. Es kündigte an, zunächst die Rückmeldungen aller Schulen auszuwerten.