Viele Deutsche sind unzufrieden mit dem deutschen Schulsystem (Quelle: Envato)
Berlin. Eine Mehrheit der deutschen Bürger:innen ist mit dem Schulsystem und der Bildungspolitik unzufrieden: Das hat eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des RedaktionsNetzwerks Deutschlands (RND) ergeben. Demnach sehen etwa 68 Prozent der Befragten die Qualifikation der Schulabgänger:innen heute schlechter an als noch vor 30 Jahren. Nur 10 Prozent sehen eine Verbesserung. Anlass der Befragung von 1.008 Personen Mitte Februar waren die neuesten Ergebnisse der PISA-Studie, die einen starken Leistungsabfall deutscher Schüler:innen in Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaft zeigt.
Ein Großteil der Befragten, insgesamt 70 Prozent, unter den Eltern sogar 80 Prozent, führt den Lehrkräftemangel als Hauptgrund für die enttäuschenden PISA-Ergebnisse an. 59 Prozent vermuten, dass es zu viele Schüler:innen gibt, die über keine oder zu geringe Deutschkenntnisse verfügen. Jeweils 57 Prozent geben eine schlechte Ausstattung der Schulen und veraltete Lehrpläne und Methoden als Grund für die Verschlechterung an. Am wenigsten (27 Prozent) halten die Befragten unmotivierte Lehrer:innen für den Grund der PISA-Ergebnisse. Auch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Schulschließungen sehen die Befragten als großes Problem. 71 Prozent der Eltern mit Schulkindern betrachten die Maßnahmen der Schulen, die Versäumnisse aufzuholen, als ungenügend. Nur ein Viertel sieht die Anstrengungen als ausreichend an.
Zusätzlich wurden die Gründe für den Lehrkräftemangel erfasst. Die häufigste Ursache, die von 62 Prozent der Befragten genannt wurde, ist die unzureichende Bedarfsplanung der Bundesländer. Etwa die Hälfte der Teilnehmer:innen führt den anstrengenden Alltag des Lehrerberufs als Grund an. 41 Prozent betrachten das geringe Ansehen des Berufs als eine Ursache. Eine unzureichende Bezahlung sehen nur 37 Prozent der Befragten als Faktor für den Lehrermangel an. Schüler:innen und Studierende unter den Befragten sehen dies anders: Etwa die Hälfte von ihnen sieht die Bezahlung und die mangelnde Attraktivität des Studiums als Hauptgründe für fehlende Lehrkräfte. Den Lehrer:innen selbst stehen die Befragten positiv gegenüber. 57 Prozent geben an, die Lehrkräfte machen eine sehr gute oder gute Arbeit. Nur 19 Prozent sehen die Arbeit als weniger gut oder schlecht an.
Auch bei der Lösung der Probleme ist sich die Mehrheit der Befragten einig: Bund, Länder und Kommunen sollten besser zusammenarbeiten. 63 Prozent der Befragten fordern eine stärkere Zentralisierung und Vereinheitlichung der Schulsysteme. Nur ein Viertel hält die alleinige Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer für sinnvoll. „Die Umfrageergebnisse zeigen einmal mehr die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit unserem Bildungsföderalismus“, so der Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen), zu den Ergebnissen im Gespräch mit dem RND. Damit schließen sich die Stimmen der Bürger:innen den immer wieder aufkommenden Forderungen für ein einheitliches Bildungssystem an.
Besonders in Ostdeutschland scheinen die Stimmen kritischer zu sein. Die Meinung, dass Schulen damals besser waren, sehen 69 Prozent der Ostdeutschen, im Westen halten 55 Prozent die Schulen vor 30 bis 40 Jahren für die besseren. Auch der Wunsch nach stärkerer Zentralisierung ist bei Befragten aus Ostdeutschland mit fast 80 Prozent besonders hoch. Grund dafür könnten die Erfahrungen mit dem Schulsystem der DDR sein, das mit ihren einheitlichen Lehrplänen und Prüfungen heute noch von vielen geschätzt wird.
Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) teilt die Einschätzung der Befragten aus Ostdeutschland, die Schüler:innen seien heutzutage schlechter qualifiziert, nicht. „Nicht die Anforderungen an unsere Schülerinnen und Schüler sind geringer geworden, sondern die Herausforderungen für gute schulische Bildung anspruchsvoller“, sagte der Minister im Gespräch mit der Leipziger Volkszeitung. Damit spielt er unter anderem auf die Nutzung digitaler Medien und dem laut Piwarz damit einhergehenden “ungebremsten Medienkonsum” in Schulen an. GEW-Landeschef Burkhard Neumann dagegen stimmt den Ergebnissen der Befragung großteils zu und sieht ähnliche Probleme durch die Pandemie, die veralteten Lehrpläne und eine versäumte Digitalisierung. Gleichzeitig kritisiert er die Landesregierung Sachsens, sich nicht “auf guten Ergebnissen bei nationalen Vergleichsstudium auszuruhen, wenn die Ergebnisse insgesamt absinken”. Laut Neumann würde die Politik den Problemen nicht genügend nachgehen.