Nach neuen Einblicken in Fördermittel-Affäre durch den veröffentlichten E-Mail-Verlauf der BMBF: Stark-Watzinger stellt sich öffentlichen Befragungen und erntet weiterhin Kritik (Quelle: BMBF / Hans-Joachim Rickel)
Berlin. Nach anhaltender Kritik und der Veröffentlichung interner E-Mail-Verläufe musste sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Mittwoch im Bildungsausschuss und bei der Regierungsbefragung öffentlich Fragen bezüglich der Fördermittel-Affäre stellen. Auch nach der Befragung bleiben jedoch einige Fragen offen.
Ein Überblick: Am späten Sonntagabend wurden auf Anfrage des Journalisten Arne Semsrott auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) Unterlagen über die internen Kommunikationsabläufe des BMBF eingereicht. Diese sollen weitere Hinweise auf das Vorgehen der BMBF nach der Veröffentlichung des kritischen offenen Briefs von Hochschullehrenden geben und die Rolle von Stark-Watzinger bei der daraus resultierenden Fördermittel-Affäre klären (Lehrer News berichtete). In einem Interview mit der F.A.Z. äußerte Stark-Watzinger, dass der offene Brief zwar von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, sie diesen aber für falsch hält, da für Straftaten nicht die Strafverfolgung ausgeschlossen werden dürfte. “Es ist eine Meinung, aber sie verdient keinen Applaus”, so Stark-Watzinger.
Trotz großer öffentlicher Kritik, Stellungnahmen des BMBF und der Versetzung von Staatssekretärin Döring in den Ruhestand sind noch einige Fragen offen. Zuletzt wurden nun interne E-Mails auf der Plattform “FragDenStaat” veröffentlicht. Dabei stellte sich heraus: Es wurden nicht nur förderrechtliche Konsequenzen für die Hochschullehrenden geprüft, sondern zudem eine Liste aufgestellt, auf der alle Wissenschaftler:innen festgehalten wurden, welche den offenen Brief unterschrieben hatten und Fördermittel erhalten.
Wie den E-Mails zu entnehmen war, hat das Erstellen dieser Liste bei einem Projektträger des Ministeriums offenbar Gegenwehr verursacht. “Ist das wirklich wichtig? Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, dass es unter den Kolleginnen und Kollegen großes Unwohlsein ausgelöst hat, Namen in Listen zu markieren, nicht zuletzt auch mit Blick auf die schlaglichtartig abgebildete mediale Berichterstattung”, so aus der E-Mail zu entnehmen. Weiter heißt es, dass sich “viele der Unterzeichnenden klar gegen Antisemitismus positioniert” hätten und sich nicht mit den Inhalten des Protestcamps solidarisiert, sondern speziell den Polizeieinsatz kritisiert hätten. Der Projektträger weist außerdem darauf hin, dass dies durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei.
Ein Referatsleiter scheint das Unwohlsein des Projektträgers nicht zu teilen, weshalb die Liste am 15. Mai fertiggestellt und weitergegeben wurde. So schrieb der Referatsleiter in der Mail: “Was nicht geht, ist Informationen, die wir zurecht von Ihnen einfordern, einfach zunächst zurückzuhalten, selbst wenn dies nur der erste Schritt sein sollte“.
Ebenso ist in den E-Mails, wie zuvor vom BMBF behauptet, keine Rücknahme der förderrechtlichen Konsequenzen zu finden. Im Gegenteil: Die Hausleitung scheint die Tragweite der Vorgänge sehr wohl auf dem Schirm gehabt zu haben. So heißt es in einer E-Mail: “[...] Wäre eine Entziehung einer etwaigen BMBF-Förderung möglich? Letztlich wäre so etwas natürlich eine politische Entscheidung, die sehr gut abgewogen sein müsste”. Dass Staatssekretärin Döring alleine in die Abläufe bezüglich der Fördermittel-Affäre involviert war und die Ministerin nichts davon wusste, scheint nach Veröffentlichung der E-Mails noch unwahrscheinlicher als zuvor, so die Schlussfolgerung von Semsrott.
Das scheint die Bildungsministerin jedoch anders zu sehen. In der Befragung im Bildungsausschuss hat Stark-Watzinger gegenüber den Abgeordneten einen Rücktritt erneut abgelehnt. Sie kritisiert außerdem weiterhin den offenen Brief der Hochschullehrenden und beruft sich dabei auf ihre Meinungsfreiheit. Auf die Frage des genauen Vorgehens bezüglich der Namensliste sowie dem Prüfauftrag entgegnete Stark-Watzinger, dass dies nicht von ihr beauftragt wurde und sie erst nach dem 11. Juni davon erfahren habe. Trotz wiederholter Nachfragen, wer die Liste in Auftrag gegeben hat, äußerte sich Stark-Watzinger dazu nicht.
Mehrere Oppositionspolitiker:innen kritisierten die Ministerin aufs Schärfste. “Was muss noch passieren, dass Sie zurücktreten", fragte der Abgeordnete Ali Al-Dailami (BSW). Thomas Jarzombek (CDU) bemängelte, dass die Ministerin nicht die von ihm gestellten Fragen beantworten würde. Dieser kritisierte außerdem auf X die Vorgehensweise, die Fragen auf Wunsch von Stark-Watzinger vor der Befragung zu sammeln. “Offenbar hat die Ministerin Angst vor schwierigen Fragen im direkten Frage-Antwort-Modus”, so Jarzombek.