Die feierliche Übergabe einer der ersten VR-Brillen an Bildungsministerin Feller in Düsseldorf. (Quelle: VIL)
Düsseldorf. Das Land Nordrhein-Westfalen geht einen großen Schritt in Richtung digitaler Bildung. In einem europaweiten Ausschreibungsverfahren hat das Ministerium für Schule und Bildung des Landes die Einführung von Virtual-Reality-Lernlösungen an die Deutsche Telekom Business Solutions GmbH und die VIL GmbH vergeben. Mit einem Gesamtvolumen von etwa 5 Millionen Euro ist dieses Projekt eine der umfangreichsten VR-Initiativen im europäischen Bildungswesen.
Die Umsetzung des Projektes beginnt in den nächsten Wochen mit der Ausstattung der Kommunalen Medienzentren (KMZ) und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL). Diese Einrichtungen werden als zentrale Anlaufstellen für die Integration der neuen Technologien dienen. Ein wichtiger Baustein des Projekts ist das “Train the Teacher”-Programm, das sicherstellen soll, dass Lehrkräfte optimal auf die Nutzung der VR-Systeme vorbereitet sind. In der ersten Phase liegt der Fokus auf der Schulung von Lehrkräften und der Implementierung der VR-Technologien in die Unterrichtspraxis. Diese Vorgehensweise soll sicherstellen, dass die Technologie nicht nur eingeführt, sondern auch effektiv genutzt wird. Das Pilotprojekt ist vorerst auf fünf Jahre angelegt.
Die Ausschreibung des Landes NRW fokussierte sich auf die Bereitstellung von Virtual-Reality-Systemen, die einen erheblichen Mehrwert für den Unterricht bieten sollen. Die Entscheidung, VR-Technologie in die Bildung zu integrieren, wurde mit Blick auf die vielfältigen pädagogischen und didaktischen Möglichkeiten getroffen, die diese Technologie bietet. Im nächsten Schritt sollen über 3.400 VR-Headsets in die Klassenzimmer der Schulen in NRW gelangen, um Schüler:innen interaktive und immersive Lernwelten zugänglich zu machen.
Virtual Reality ergänzt das Lernen, indem es abstrakte Konzepte greifbar und komplexe Themen verständlicher macht. Schüler:innen können mithilfe der Technologie in virtuelle Welten eintauchen, historische Ereignisse hautnah erleben oder naturwissenschaftliche Prozesse unmittelbar nachvollziehen. Die immersive Lernerfahrung führt nicht nur zu einer besseren Verankerung der Lerninhalte, sondern steigert auch die Motivation und den Spaß am Lernen selbst. Studien haben bereits gezeigt, dass VR-gestütztes Lernen zu einer höheren Wissensretention führt, was langfristig zu einem nachhaltigen Lernerfolg beiträgt.
Deutsche Telekom Business Solutions GmbH ist der internationale Geschäftszweig der Deutschen Telekom und spezialisiert auf Kommunikations- und Vernetzungslösungen für Unternehmen weltweit. Mit maßgeschneiderten Netzwerklösungen unterstützt das Unternehmen seine Kunden bei der Umsetzung von Digitalisierungsstrategien. Mit jahrzehntelanger Erfahrung und einer globalen Präsenz bietet die Deutsche Telekom ein breites Spektrum an technischen Lösungen für Netzwerkinfrastruktur und Kommunikation an.
Im Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen übernimmt die Deutsche Telekom eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung von Virtual-Reality-Technologie für Schulen und Lehrerausbildungszentren im gesamten Bundesland. In Zusammenarbeit mit dem Langenfelder EdTech-Start-up VIL GmbH, das als Subunternehmer agiert, ist die Telekom verantwortlich für die Beschaffung der Geräte, die Installation der digitalen Infrastruktur und die Integration der VR-Systeme in die bestehenden Schulnetzwerke. Zudem unterstützt die Telekom die Organisation und Durchführung von Schulungen für Lehrkräfte und Mitarbeitende durch Bereitstellung technischer Expertise und Ressourcen.
Ziel des Pilotprojekts ist es, das pädagogische Potenzial von Virtual Reality zu testen und die Anwendbarkeit der Technologie in verschiedenen Unterrichtskontexten zu erproben. Durch die Zusammenarbeit mit 46 Kommunalen Medienzentren soll ein Netzwerk geschaffen werden, das Lehrkräften die kostenlose Ausleihe der VR-Technologie für den schulischen Einsatz ermöglicht. Zusätzlich wird die Technologie an allen 33 Standorten der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung bereitgestellt, um angehende Lehrkräfte bereits während ihrer Ausbildung mit diesen digitalen Werkzeugen vertraut zu machen. Die Deutsche Telekom trägt zur Bereitstellung der technischen Infrastruktur bei und fördert die Integration der VR-Technologie in den Bildungsalltag. Durch ihre Expertise gewährleistet sie die nahtlose Einbindung der Technologie in bestehende Systeme und unterstützt Lehrkräfte dabei, das Potenzial dieser Lernumgebung zu nutzen.
Jochen Kopp, Key-Account-Manager Land Nordrhein-Westfalen bei der Deutschen Telekom, betont die Bedeutung des Projekts: “Ein spannendes Projekt – und eine noch spannendere Technologie. Mit dem Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen schaffen wir es, die Digitalisierung deutscher Bildungseinrichtungen ein Stück weiter in die praktische Anwendung zu bringen. Virtual Reality wird einen entscheidenden Beitrag für nachhaltiges Lernen mit modernen Medien, die den Fokus auf Interaktivität und Praxisbezug setzen, liefern – das zeigte sich bereits durch vergangene Projekte, die wir mit der VIL GmbH durchführen durften.”
Die VIL GmbH, ein aufstrebendes Unternehmen im Bereich Virtuelles interaktives Lernen, hat sich seit Gründung 2021 als Pionier auf dem Gebiet der Virtual-Reality-Technologien etabliert. Mit Sitz in Langenfeld, Nordrhein-Westfalen, bietet VIL eine maßgeschneiderte Plattform, die es ermöglicht, theoretisches Wissen in praxisnahe, immersive Erfahrungen umzuwandeln. Die innovative Herangehensweise hat das Unternehmen schnell zu einem führenden Anbieter im Bildungssektor gemacht. Zusammen mit der Deutschen Telekom, einem Schwergewicht in der europäischen Telekommunikationsbranche, bringt VIL nun seine Expertise in das Bildungssystem von NRW ein, um Schüler:innen und Lehrkräfte gleichermaßen für die Herausforderungen der digitalen Zukunft zu rüsten.
Auch Jan-Philipp Moritz, Geschäftsführer der VIL GmbH, zeigt sich stolz über die Durchführung des wegweisenden Projekts: “Wir sind sehr stolz darauf, mit dem Pilotprojekt einen Beitrag in Richtung digitale Bildung leisten zu können. Virtual Reality sehen wir als ein ergänzendes Medium für den Schulunterricht an. Die Technologie soll dazu dienen, der Lehrkraft ein Medium zur Verfügung zu stellen, um komplexe, sonst nur schwer greifbare Lerninhalte erlebbarer und greifbarer zu machen und Lernen ein Stück weit nachhaltiger zu gestalten.” Darüber hinaus, so Moritz, fördere VR besonders die Medienkompetenz, insbesondere durch die gezielte Auseinandersetzung mit dem Medium Video.
Stefan Behlau, Vorsitzender des VBE NRW, betont die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Virtual Reality im Unterricht. Er hebt hervor, dass VR die Möglichkeit bietet, Lernende in immersive Erlebnisse eintauchen zu lassen, auch ohne das Klassenzimmer verlassen zu müssen. “Ein Spaziergang durch das antike Rom bereichert den Geschichtsunterricht, eine Stadtführung durch London oder andere Hauptstädte kann sowohl den Geographie- wie auch den fremdsprachlichen Unterricht sinnvoll und fächerübergreifend ergänzen”, erklärt Behlau.
Die Technologie ermöglicht es Schüler:innen, eigene Präsentationen zu gestalten, in Romanwelten einzutauchen oder mit anderen Lernenden – auch in anderen Schulen oder Ländern – in Austausch zu treten. Dennoch weist Behlau darauf hin, dass aufgrund der vielerorts noch fehlenden Ausstattung ein alltäglicher Einsatz dieser Technologie noch in der Ferne liegt. Er warnt auch davor, VR als Ersatz für das physische Zusammensein in der Schule zu sehen. “Virtual Reality kann als spannende und zeitgemäße Ergänzung im Werkzeugkoffer der Lehrkräfte angesehen werden, schulisches Leben in seiner physischen Dimension des gemeinsamen Lehrens, Lernens und Zusammenlebens wird es allerdings nicht ersetzen können”, so Behlau.
Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbandes NRW, äußert sich ebenfalls zum Einsatz von VR in Schulen: “Wir sind selbstverständlich offen für Formen innovativer Technik, vor allem, wenn diese das Unterrichten didaktisch/methodisch bereichern, erleichtern und auch inhaltlich unterstützen können. Wir sind allerdings auch der Auffassung, dass diese konzeptionell einbezogen werden müssen. Das heißt, die Lehrkräfte müssen in Bezug auf Einsatz und Handhabe unterstützt werden, und auch für die angemessene Wartung muss gesorgt sein.” Diese kann aus ihrer Sicht nicht in Lehrerhand liegen: “Die VR-Brillen und deren Anwendung sollten daher professionell und nicht als ‘Spielzeug’ verstanden werden.“
Mistler betont, dass der Einsatz von VR für Schüler:innen einen klaren Mehrwert bieten müsse und nicht nur als ‘modisches Gimmick’ gesehen werden dürfe. Eine zeitnahe Evaluation des Projekts sei notwendig, um dessen Wirksamkeit zu überprüfen und sicherzustellen, dass eine nachhaltige Finanzierung gewährleistet ist. Dennoch erkennt sie die Chancen der Technologie an: “Als Ergänzung können [VR-Brillen] dazu beitragen, einen motivierenden Erkenntnis- und Lernprozess zu erlangen. Die ‘erlebte’ Erfahrung, das ‘Mittendrinsein’ durch die Präsentationstechnik ist eine großartige Innovation. Es werden Lernumgebungen und Lernsituationen geschaffen, die wir an Schule, im Klassenraum kaum so erfahren können.”
Auch Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW NRW, betont, dass “Digitalisierung keinen Selbstzweck haben darf, sondern didaktisch sinnvoll eingesetzt werden“ müsse. VR-Brillen könnten insbesondere in naturwissenschaftlichen Fächern oder im Geschichtsunterricht eine Bereicherung sein, wenn es darum geht, komplexe Themen verständlicher zu machen. “Doch angesichts der personellen Situation und teilweise noch katastrophalen digitalen Infrastruktur an den Schulen ist der Unterricht mit Virtual Reality der zweite Schritt, vor dem ersten. An manchen Schulen fehlt es an WLAN, digitalen Endgeräten und Support für Inbetriebnahme und Wartung.“ Sie fordert deshalb, dass VR-Brillen als offizielles Lernmittel anerkannt und entsprechend unterstützt werden sollten, um die Schüler:innen bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten.
Nicolas Colsman, Gründer der Zukunft Digitale Bildung gGmbH, unterstreicht, dass die Digitalisierung des Bildungssystems nicht nur eine Notwendigkeit, sondern eine immense Chance darstellt. “Wir müssen die Erkenntnisse aus der Pandemie nutzen, um unser Bildungssystem nachhaltig zu verbessern und fit für die Zukunft zu machen“, betont Colsman. Für ihn ist Virtual Reality nicht einfach nur ein digitales Werkzeug, sondern ein “echter Gamechanger”, der das Potenzial hat, das Lernen auf eine völlig neue Ebene zu heben.
Das Projekt der VIL und der Deutschen Telekom sieht Colsman als einen mutigen und richtungsweisenden Schritt. Er ist überzeugt, dass dieses Vorhaben zeigt, dass das Land NRW bereit ist, innovative Wege in der Bildung zu gehen. Langfristig strebt Colsman ein Bildungssystem an, in dem digitale Werkzeuge wie VR im Zentrum stehen, um jedem Kind die besten Chancen für eine erfolgreiche Zukunft zu bieten. “Dieses Projekt ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem modernen, digitalen Bildungssystem”, schließt Colsman.
Langfristig könnte dieses Projekt als Modell für andere Bundesländer dienen. Die Kombination aus innovativer Technologie und gezielter pädagogischer Anwendung hat das Potenzial, die Bildung in NRW und darüber hinaus nachhaltig zu verändern. Insbesondere im Bereich der Integration und Inklusion bietet VR eine Vielzahl von Möglichkeiten, z.B. durch das spielerische Erlernen von Sprachen oder das Nachstellen von Alltagssituationen für Geflüchtete. Diese sozialen Aspekte machen VR zu einem wichtigen Werkzeug, das über den reinen Bildungsauftrag hinausgeht und einen großen gesellschaftlichen Mehrwert schafft.