Viel Unterrichtsausfall in Sachsen: Ministerium will mit 21 Maßnahmen gegensteuern

Leere Klassenzimmer in Sachsen: 1,8 Millionen Unterrichtsstunden fielen im Schuljahr 2023/24 aus. (Quelle: Canva)

Dresden. Der Unterrichtsausfall in Sachsen bleibt ein drängendes Problem. Im Schuljahr 2023/24 fielen knapp 1,8 Millionen Unterrichtsstunden aus, davon rund 68 Prozent außerplanmäßig. Besonders betroffen sind Förder- und Oberschulen, während Grund- und Mittelschulen vergleichsweise geringe Ausfallquoten aufweisen. In einigen Regionen fielen bis zu 18 Prozent des planmäßigen Unterrichts aus. Das sächsische Kultusministerium hat deshalb ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung vorgelegt.

Lehrermangel als zentrale Ursache

Ein wesentlicher Grund für die vielen Ausfallstunden (Bezahlinhalt) ist der akute Lehrermangel in Sachsen. Derzeit fehlen laut Kultusministerium mindestens 1.400 Vollzeitlehrkräfte, um den Unterricht planmäßig abdecken zu können. Besonders betroffen sind Schulen im ländlichen Raum sowie Gymnasien, wo der Mangel besonders gravierend ist. Gleichzeitig gehen viele Lehrer:innen wegen zu hoher Arbeitsbelastung vorzeitig in den Ruhestand. Im ersten Schulhalbjahr 2024/2025 betrug der Anteil der ausgefallenen Unterrichtsstunden an der Gesamtstundenzahl 9,4 Prozent, ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Höchste Unterrichtsausfälle in Ostsachsen

Besonders viel Unterricht fiel in den Landkreisen Görlitz und Bautzen aus. Spitzenreiter war die Hans-Fallada-Schule in Rietschen mit 37 Prozent Unterrichtsausfall. Auch die Oberschule “Am Körnerplatz” in Chemnitz lag mit 36 Prozent weit über dem Durchschnitt. In absoluten Zahlen hatte die Oberschule “Clemens Winkler” in Freiberg über 6.400 ausgefallene Unterrichtsstunden. Besonders betroffen waren Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt oder in strukturschwachen Regionen.

Wenig Unterrichtsausfall in Leipzig und Meißen

Den geringsten Unterrichtsausfall in Sachsen verzeichnete die Stadt Leipzig mit 6,6 Prozent. Auch das Landesgymnasium St. Afra in Meißen sowie die Grundschule am Sonnenberg in Chemnitz meldeten nahezu keinen Unterrichtsausfall. Insbesondere an Schulen mit guter Fachkräfteversorgung und höherer Standortattraktivität ist die Unterrichtsversorgung stabiler. Während städtische Schulen oft mehr Bewerber:innen haben, kämpfen ländliche Regionen mit unbesetzten Stellen. Dennoch gibt es auch hier einzelne Schulen mit guter Unterrichtsversorgung.

Kultusministerium will nun mit 21 Maßnahmen gegensteuern

Das sächsische Kultusministerium hat am Dienstag 21 Maßnahmen zur Reduzierung des Unterrichtsausfalls vorgestellt. Besonders im Fokus steht die personelle Stärkung der Oberschulen, indem dort mehr Grundschul- und Gymnasiallehrkräfte eingesetzt werden. Zusätzlich soll ein neuer Masterstudiengang an der TU Chemnitz Grundschullehrkräfte für den Mathematikunterricht an Oberschulen qualifizieren. Auch die Altersermäßigung wird neu geregelt: Erst ab 63 Jahren sollen Lehrkräfte eine Reduzierung ihrer Unterrichtsverpflichtung erhalten, gestaffelt bis maximal sechs Stunden ab dem 66. Lebensjahr. 

Weitere Maßnahmen betreffen die Kürzung schulbezogener Anrechnungsstunden, die Vereinfachung der Fachberater-Regelung und die verstärkte Nutzung von Assistenzkräften zur Organisation von Ganztagsangeboten. Darüber hinaus sollen Lehrkräfte durch digitale und hybride Unterrichtsformate, fächerverbindendes Lernen und eine zentralisierte Bereitstellung von Prüfungsaufgaben entlastet werden.

Geplant ist außerdem die Einführung von Arbeitszeitkonten nach dem Vorbild von Sachsen-Anhalt (Bezahlinhalt). Demnach sollen jüngere, verbeamtete Lehrkräfte über mehrere Jahre hinweg zusätzliche Unterrichtsstunden leisten, die sie später durch eine reduzierte Stundenzahl ausgleichen können. Ziel ist es, kurzfristig den Unterrichtsausfall zu verringern und langfristig eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung zu ermöglichen. Allerdings muss für dieses Modell zunächst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die festlegt, welche Schularten und Altersgruppen dafür infrage kommen. Während das Ministerium die verpflichtende Einführung befürwortet, plädiert die SPD für eine freiwillige Umsetzung, um den Druck auf Lehrkräfte nicht noch weiter zu erhöhen.

Scharfe Kritik von der GEW Sachsen

Die Bildungsgewerkschaft GEW Sachsen lehnt die vom Kultusministerium vorgestellten Maßnahmen entschieden ab. Landesvorsitzender Burkhard Naumann bezeichnet das Maßnahmenpaket als “Angriff auf die Lehrkräfte in Sachsen” und wirft der Regierung vor, jahrelang zu wenig für den Lehrernachwuchs getan zu haben. Besonders kritisch sieht die GEW die Verschiebung der Altersermäßigung auf 63 Jahre, da bereits jetzt neun von zehn Lehrkräften frühzeitig in den Ruhestand gehen würden. 

Naumann warnt davor, dass diese Änderung die Belastung weiter steigere und noch mehr Lehrer:innen den Beruf frühzeitig verlassen könnten. Zudem kritisiert die Gewerkschaft, dass das Ministerium die Maßnahmen ohne ausreichende Abstimmung mit den Lehrkräften beschlossen habe. Statt zusätzlicher Arbeitsbelastung fordert die GEW bessere finanzielle Anreize, flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine gezielte Entlastung durch Schulassistenzen.

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