Private oder öffentliche Schule? Diese Fragen stellen sich nicht nur Eltern und Kinder, sondern auch Lehrkräfte. (Quelle: Canva)
Die Zahl der Privatschulen und der Schüler:innen, die sie besuchen, steigt seit Jahren kontinuierlich an. Der Anteil an allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft hat sich seit 2002 merklich erhöht. Mittlerweile besuchen fast 10 Prozent der deutschen Schüler:innen eine Privatschule. Dieser Trend deutet auf ein wachsendes Interesse an vielfältigen Bildungsangeboten und alternativen Schulformen hin. Doch was genau ist eine Privatschule? Und warum entscheiden sich immer mehr Eltern dazu, ihre Kinder an eine solche Schule zu schicken? Was bedeutet die Arbeit an einer Privatschule für Lehrkräfte? Diese und weitere Fragen möchte dieser Artikel beantworten.
Im deutschen Schulsystem unterscheidet man zwischen öffentlichen und privaten Schulen, die sich in Trägerschaft und rechtlichem Rahmen deutlich voneinander abheben. Öffentliche Schulen werden vom Staat oder in Zusammenarbeit zwischen Land, Gemeinden oder Schulverbänden getragen. Sie sind staatlich finanziert und stehen allen Schüler:innen kostenlos zur Verfügung. Private Schulen hingegen werden von freien Trägern wie Vereinen, Stiftungen oder Privatpersonen betrieben. Sie finanzieren sich überwiegend durch Schulgelder, Spenden sowie staatliche Zuschüsse, jedoch oft erst nach mehreren Jahren der Existenz. Eine Privatschule darf erst nach staatlicher Anerkennung Prüfungen durchführen und Zeugnisse ausstellen, die auch von öffentlichen Schulen anerkannt werden.
Ein weiterer Unterschied besteht im Rechtsverhältnis zwischen Schule und Schüler:in: Während bei öffentlichen Schulen öffentlich-rechtliche Regelungen gelten, sind die Beziehungen an Privatschulen privatrechtlich geregelt. Rechtsstreitigkeiten, wie etwa der Ausschluss eines Kindes, werden daher in der Regel vor ordentlichen Gerichten verhandelt. Nur bei hoheitlichen Entscheidungen, wie etwa Prüfungsentscheidungen, wird die staatliche Schulaufsicht eingeschaltet.
Privatschulen werden in Deutschland in zwei rechtliche Modelle unterteilt: Ersatz- und Ergänzungsschulen. Ersatzschulen entsprechen den öffentlichen Schulformen wie Grundschulen, Realschulen oder Gymnasien und erfüllen die gesetzliche Schulpflicht. Sie müssen sich an die Lehrpläne der öffentlichen Schulen halten und benötigen eine Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. Ersatzschulen erhalten zwar staatliche Zuschüsse, die jedoch in der Regel erst einige Jahre nach der Gründung fließen. Diese Schulen haben das Recht, Abschlüsse wie das Abitur selbst abzunehmen, sofern sie staatlich anerkannt sind.
Ergänzungsschulen hingegen bieten Unterrichtsinhalte an, die in dieser Form von öffentlichen Schulen nicht abgedeckt werden. Sie sind vor allem im berufsbildenden Bereich oder als internationale Schulen vertreten und bieten keine staatlich anerkannten Abschlüsse. Prüfungen müssen extern abgelegt werden, meist vor staatlichen Prüfungskommissionen. Ergänzungsschulen sind in der Regel eigenfinanziert und erhalten keine staatlichen Zuschüsse.
In vielen Bundesländern, darunter Bayern und Brandenburg, wird zwischen genehmigten und anerkannten Ersatz- und Ergänzungsschulen unterschieden. Hauptunterscheidungsmerkmal sind die Abschlüsse, die sie vergeben dürfen, und die Anforderungen an die Schüler:innen. Anerkannte Ersatzschulen dürfen Abschlüsse wie das Abitur oder die mittlere Reife selbstständig abnehmen, da sie denselben rechtlichen Status wie öffentliche Schulen haben. Ihre Prüfungen und Zeugnisse sind offiziell gleichwertig. Genehmigte Ersatzschulen hingegen dürfen solche Abschlüsse nicht eigenständig vergeben. Schüler:innen müssen ihre Prüfungen vor externen, staatlichen Kommissionen ablegen. Bei einem Wechsel von einer genehmigten Ersatzschule auf eine öffentliche Schule oder eine staatlich anerkannte Ersatzschule ist oft eine Aufnahmeprüfung erforderlich, da die Zeugnisse nicht automatisch anerkannt werden.
In Nordrhein-Westfalen gibt es eine Besonderheit: Hier gibt es keine Unterscheidung zwischen genehmigten und anerkannten Ersatzschulen. Stattdessen nehmen staatlich anerkannte Ergänzungsschulen die Rolle der genehmigten Ersatzschulen ein und müssen sich an die gleichen Bestimmungen wie diese halten. Zusätzlich werden Privatschulen in Nordrhein-Westfalen bereits ab dem ersten Tag der Gründung höher bezuschusst als in anderen Bundesländern, was die finanzielle Planungssicherheit dieser Schulen verbessert.
Privatschulen in Deutschland finanzieren sich aus zwei Hauptquellen: Aus Schulgeldern (auch Elterngelder genannt) und staatlichen Zuschüssen. Während Ersatzschulen in der Regel bis zu zwei Drittel ihrer Kosten durch staatliche Finanzhilfen decken können, müssen sie die verbleibenden Kosten durch Schulgeld von den Eltern aufbringen. Ergänzungsschulen hingegen erhalten keine staatlichen Zuschüsse und finanzieren sich vollständig über Elterngelder. Drittmittel, wie etwa Spenden oder Fördervereinsgelder, spielen eine untergeordnete Rolle und decken in der Regel weniger als 1 Prozent des tatsächlichen Finanzbedarfs einer Schule ab.
Die Höhe des Schulgeldes variiert je nach Schule sehr stark, abhängig von Faktoren wie der Schulform, dem Standort und dem Einkommen der Eltern. Laut dem Statistischen Bundesamt macht der Standort dabei einen großen Unterschied: Privatschulen in Großstädten wie München oder Stuttgart haben aufgrund der hohen Immobilien- und Betriebskosten oft höhere Schulgebühren als Schulen in ländlichen Regionen. Auch die baulichen Anforderungen, wie Denkmalschutz oder erweiterter Brandschutz, treiben die Kosten in die Höhe.
Regional gibt es ebenso große Unterschiede: Im Durchschnitt zahlten Eltern im Jahr 2016 etwa 2.000 Euro jährlich für einen Privatschulplatz. In wohlhabenden Regionen wie dem Rhein-Kreis Neuss lag das Schulgeld bei über 7.000 Euro, während in ländlichen Gebieten wie dem Landkreis Unterallgäu die Kosten durchschnittlich nur bei 400 Euro pro Jahr lagen. Für knapp 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland kostete der Platz weniger als 1.500 Euro an Schulgebühren und für ein knappes Viertel weniger als 500 Euro im Jahr.
Privatschulen zeichnen sich durch eine große Vielfalt an pädagogischen Konzepten aus, die oft auf alternative Ansätze setzen und sich damit von staatlichen Schulen abheben. Besonders bekannt sind Waldorf- und Montessorischulen, die individuelle Förderung und selbstbestimmtes Lernen in den Vordergrund stellen. So bieten viele Privatschulen spezialisierte Ansätze wie den Integrierten Unterricht, bei dem verschiedene Fächer themenübergreifend unterrichtet werden, um den Schüler:innen ein tieferes Verständnis zu vermitteln. Besonders an internationalen Schulen wird häufig das International Baccalaureate (IB)-Programm angeboten, das interkulturelle Kompetenz, Kreativität und kritisches Denken in den Vordergrund stellt. Ein weiteres Konzept ist die Progressive Bildung, die sowohl kognitive als auch emotionale Lernprozesse in den Fokus rückt und ganzheitliches Lernen fördert. Für hochbegabte Kinder und Jugendliche gibt es zudem Schulen, die Gifted Education anbieten, um das Potenzial dieser Schüler:innen gezielt zu fördern.
Privatschulen bieten Eltern, die nach spezifischen pädagogischen Konzepten suchen, eine attraktive Alternative (Bezahlinhalt) zum staatlichen Schulsystem. Neben Waldorf- und Montessorischulen gibt es auch konfessionelle Schulen oder internationale Schulen, die unterschiedliche Werte und Lernansätze verfolgen. Ein wesentlicher Grund für Eltern, ihre Kinder auf eine Privatschule zu schicken, liegt in der stärkeren individuellen Betreuung, die durch kleinere Klassengrößen ermöglicht wird. Dadurch können die Lehrkräfte gezielter auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler:innen eingehen und den Lernstoff flexibel anpassen.
Für Kinder und Jugendliche bieten Privatschulen eine Umgebung, in der persönliches Wachstum und kreative Entfaltung gefördert werden. Besonders für Kinder, die in staatlichen Schulen unter Leistungsdruck leiden oder spezielle Förderung benötigen, kann eine Privatschule eine neue Möglichkeit darstellen, ihr Potenzial besser auszuschöpfen. Jedoch bleibt die soziale Trennung ein umstrittenes Thema, da die meisten Privatschulen vor allem von Kindern aus gut situierten Familien besucht werden, was die bestehende Bildungsungleichheit weiter verstärken kann.
Lehrkräfte, die an Privatschulen unterrichten möchten, benötigen in der Regel die gleiche formale Qualifikation wie an staatlichen Schulen: ein abgeschlossenes Lehramtsstudium und das zweite Staatsexamen. Genehmigte Ersatzschulen, die die Verleihung der “staatlichen Anerkennung” anstreben oder bereits anerkannt sind, müssen Lehrkräfte beschäftigen, die in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das jeweilige Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. Zum Beispiel muss ein privates Gymnasium mindestens zwei Drittel der Lehrkräfte beschäftigen, die die wissenschaftliche und pädagogische Prüfung für das Lehramt an Gymnasien erfolgreich abgelegt haben, um staatlich anerkannt zu sein. Bei nicht anerkannten Schulen wird jedoch ein gewisser Spielraum eingeräumt. Auch Quereinsteiger:innen finden an Privatschulen häufiger eine Anstellung, wobei die Anforderungen je nach Schule variieren.
Ein großer Vorteil für Lehrkräfte an Privatschulen ist der größere Gestaltungsspielraum in Bezug auf die pädagogischen Konzepte. Im Gegensatz zu staatlichen Schulen sind Privatschulen weniger strikt an die Lehrpläne gebunden und können eigene Schwerpunkte setzen, die besser auf die Bedürfnisse der Schüler:innen zugeschnitten sind. Genehmigte Privatschulen müssen jedoch sicherstellen, dass die eingesetzten Lehrkräfte eine gleichwertige Ausbildung haben wie jene an öffentlichen Schulen, und auch die persönliche Eignung muss gegeben sein. Erweist sich eine Lehrkraft als ungeeignet, kann die Schulaufsichtsbehörde ihre Tätigkeit an der Privatschule untersagen.
Die Bezahlung an Privatschulen variiert je nach Trägerschaft, Schulform und Bundesland. In vielen Fällen verdienen Lehrkräfte an Privatschulen weniger als an staatlichen Schulen. Durchschnittlich liegt das Gehalt bei etwa 2.929 Euro brutto pro Monat, kann jedoch je nach Region und Schulart stark schwanken. Beispielsweise verdienen Lehrkräfte in Baden-Württemberg im Durchschnitt mehr als in Schleswig-Holstein. Einige Privatschulen bieten jedoch zusätzliche Anreize wie betriebliche Altersvorsorge oder flexiblere Arbeitszeiten. Die Arbeitsbelastung kann an Privatschulen zudem geringer sein, da kleinere Klassen und mehr Personal zur Unterstützung zur Verfügung stehen.
Lehrkräfte, die sich für eine Privatschule entscheiden, tun dies oft aufgrund der besseren Ausstattung, kleineren Klassen, der intensiveren Betreuung der Schüler:innen und der Möglichkeit, sich kreativ in den Unterricht einzubringen. Privatschulen bieten oftmals flachere Hierarchien und kürzere Entscheidungswege, was den Lehrkräften mehr Freiheiten bei der Umsetzung ihrer pädagogischen Ideen gibt. Zudem schätzen viele Lehrkräfte das besondere Schulklima, das durch die enge Zusammenarbeit mit Schüler- und Elternschaft entsteht. Für viele Pädagog:innen ist die Arbeit an einer Privatschule eine attraktive Alternative zu den oft starren Strukturen im staatlichen Schulsystem.
Unterrichtest du an einer Privatschule oder spielst du mit dem Gedanken, dorthin zu wechseln? Oder siehst du das Konzept von Privatschulen kritisch und sprichst dich eher für eine Schule für alle aus? Teile uns deine Erfahrungen und Meinungen in den Kommentaren mit!