Benjamin Donath Influencer, Vielleser und queere Lehrkraft im Interview (Quelle: privat)
Bunt ist es in allen Teilen einer aufgeschlossenen Gesellschaft – auch im Lehrerzimmer. Leider werden immer noch eine Vielzahl von queeren Personen Opfer von Anfeindungen aufgrund ihrer Identität und haben es auf ihrem Karriereweg schwerer als andere. Wir haben den queeren Podcaster, Autor, Influencer und Lehrer Benjamin Donath (Online unter dem Pseudonym Benni Cullen) zu genau diesen Herausforderungen befragt. Queer sein und Lehrer sein, wie ist das im Deutschland des Jahres 2023?
Wie bereits angeschnitten, geht Benni einigen Professionen nach, darunter sein Podcast “Schule, Bücher und Wir”, welchen er gemeinsam mit Scarlett Rothenaicher führt, in dem es unter Anderem um eine von Donaths großen Leidenschaften geht: das Lesen. Abseits dessen widmet er sich einer Vielzahl von Tätigkeiten. Unter anderem schreibt er Kurzgeschichten, betreibt eine Website, und informiert auch auf Instagram rund um das Lehrer:innendasein und andere spannende Themen.
Lehrer News: Hallo Benni, kannst du dich unseren Leser:innen kurz einmal vorstellen? Wer bist du, was machst du und was zeichnet dich aus?
Donath: Ich bin der Benni, bin 30 Jahre alt, wohne in Nürnberg und habe Mittelschullehramt studiert. Ich habe im Studium mit dem Buchbloggen angefangen, da ich einfach super gerne lese und daraus haben sich später einige der Tätigkeiten ergeben, die ich heute noch ausübe, neben meinem Beruf als Lehrkraft an einer Mittelschule.
Lehrer News: Wir möchten mit dir zurück zu den Anfängen deines Karrierewegs gehen und fragen uns, wie dein Weg zum Lehrersein verlaufen ist. Hattest du das Gefühl, dass du es aufgrund deiner Zugehörigkeit zur LGBTQIA+ Community schwerer als andere angehende Lehrkräfte, sowohl im Studium als auch in deiner Anfangszeit im Beruf, hattest und dich eventuell deshalb auch mehr beweisen musstest?
Donath: In der Grundschule hatte ich es schwer, Anschluss zu finden, da meine Eltern und ich neu in das Dorf gezogen sind. Zudem hatte ich damals schon andere Interessen als die meisten der gleichaltrigen Jungen. Zum Beispiel mochte ich es viel lieber mit Barbies als etwa Fußball zu spielen und fand Mädchen cooler als Jungs. Dadurch kam es natürlich auch zu Reibereien und in diesem Kontext habe ich dann bemerkt, dass es sehr gute Lehrkräfte gibt, aber leider auch solche, die ihren Job nicht so toll machen. Das hat mir dann als Motivation gedient, dass ich es selbst einfach gerne besser machen möchte. Durch diese ganzen Reibereien konnte ich mich zu dieser Zeit wenig auf meine schulische Laufbahn konzentrieren und bin dann auf die Mittelschule, damals noch Hauptschule, gekommen. An dieser Schule hatte ich dann später das Glück, von einigen Lehrkräften sehr stark unterstützt worden zu sein, um dann auch beispielsweise in der Theatergruppe mitspielen zu können und andere Dinge zu machen, von denen mir in der Grundschule gesagt wurde, dass das eher etwas für die Mädchen sei. Dadurch habe ich dann eben auch noch einmal erfahren, dass es auch tolle Lehrkräfte gibt, wodurch mein Berufswunsch klar war. Später in der Oberstufe und im Studium gab es gar keine Probleme, jedoch in der Referendariatszeit habe ich erstmals wirklich merken müssen, wie sehr ich von außen bewertet werde und dass ich durch meine Queerness auch vor Hürden gestellt werde.
Mit meinem Buchblog habe ich während meinem Studium begonnen. Darüber bin ich dann auch mit Verlagen in Kontakt gekommen. Während meiner Referendariatszeit hatte ich dafür weniger Zeit, weshalb ich aktiver auf Instagram war. Da ich das Glück hatte, an meiner Referendariatsschule bleiben zu können und die Kolleg:innen dort wussten, wie gerne ich lese, durfte ich Aufgaben wie etwa die Leitung der Schulbibliothek und die Auswahl von Klassenlektüren übernehmen.
Lehrer News: Wie gehst du mit deiner sexuellen Identität gegenüber deinen Schüler:innen um und hast du das Gefühl, dass Schüler:innen Vorbehalte vor dir als Person haben?
Donath: In der Regel thematisiere ich meine Zugehörigkeit zur queeren Community Schüler:innen gegenüber von Anfang an. Wenn neue Schüler:innen an meine Schule kommen, bemerke ich oftmals, dass über mich getuschelt wird. Das nehme ich mittlerweile ganz entspannt. Es kam schon des öfteren vor, dass im Laufe der ersten Schultage ein:e Schüler:in dann auf mich zugekommen ist und mich gefragt hat, ob ich denn schwul sei. Ich antworte darauf ganz offen und kriege für meine authentische Art in der Regel auch großen Zuspruch und die Schüler:innen gehen mit mir ebenfalls sehr offen um.
Lehrer News: Gibt es Tipps, die du Schüler:innen und Kolleg:innen mit auf den Weg geben möchtest, die sich unsicher sind, wie sie sich tolerant und reflektiert verhalten können?
Donath: Das ist natürlich auch stark von der individuellen Person abhängig. Was mir jedoch auffällt, ist, dass an queere Personen oftmals der Anspruch erhoben wird, offen und stolz mit ihrer Sexualität umzugehen. Ich denke jedoch, dass das eine sehr private und intime Sache ist, die man nicht der kompletten Welt offenlegen muss. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist zu vermitteln, dass jede:r so leben können sollte, dass man mit seinem/ihrem Leben zufrieden sein kann, ungeachtet dessen, was Andere darüber denken.
Lehrer News: Widmest du dich in deinem Unterricht explizit der Vermittlung von Wissen über das Thema Diversity und Akzeptanz? Wie fassen deine Schüler:innen das Thema auf?
Donath: Durch meine Offenheit mit dem Thema Queerness wird es automatisch auch Teil meines Arbeitsalltags. Viele Schüler:innen kamen schon mit Fragen und Sorgen rund um das Thema zu mir und haben mich um Rat und Hilfe gebeten. Leider passiert es manchmal auch, dass diskriminierende Begriffe fallen, dann versuche ich, mit den Schüler:innen über diese Begriffe zu sprechen und ihnen verständlich zu machen, was die Ursprünge dieser Begriffe sind und warum deren Verwendung nicht in Ordnung ist. Darüber hinaus versuche ich, über Klischees aufzuklären, wie etwa, dass alle schwulen Männer rosa mögen oder alle lesbischen Frauen sich maskulin geben und bemühe mich, die Schüler:innen dafür zu sensibilisieren. Ich denke, mehr Akzeptanz und Toleranz für verschiedene Lebensrealitäten, die eventuell auch vom Mainstream abweichen, könnte unser aller Leben erleichtern und verbessern. Im Generellen mache ich dazu jedoch keine einzelnen Lerneinheiten, sondern bespreche solche Themen, wenn mir das passend erscheint. Separate Workshops hingegen gebe ich gelegentlich für Kolleg:innen, die beispielsweise im Unterricht eine Lektüre durchnehmen, welche sich mit den Themen Queerness, Männlichkeitsbilder, etc. befasst und versuche, da meine eigene Perspektive weiterzugeben. In der Regel kommen meine Kolleg:innen dafür jedoch auf mich zu und sind dankbar, dass sie da von mir an die Hand genommen werden.
Lehrer News: Du führst ein Instagram Profil, einen Podcast, deine eigene Website und hast noch unzählige andere Projekte am Laufen. Wie bist du zu diesen Tätigkeiten neben deinem Beruf als Lehrkraft gekommen?
Donath: Angefangen hat alles in meiner Referendariatszeit mit meinem Buchblog, in dem ich ganz klassisch Bücher rezensiert habe, da ich selbst einfach wahnsinnig gerne lese. Instagram kam dann später schleichend mit dazu. Als erstes ist dann der Arena-Verlag an mich herangetreten und wollte gerne von mir Unterrichtsmaterialien haben, was ich dann einfach mal ausprobiert habe. Das hat mir großen Spaß bereitet und das mache ich seitdem auch sehr regelmäßig. Später kam dann der Löwe-Verlag auf mich zu und wollte ein Format schaffen, das für Lehrkräfte als Infomaterial zum Thema Lesen dient. Wir haben uns dann zusammengesetzt und gemeinsam unseren Podcast ins Leben gerufen, den wir bis heute fortführen. Dieser bietet unter anderem Lektürevorschläge für den Deutschunterricht und richtet sich an alle Schulformen von der Grundschule bis zur Oberstufe. Wir hatten bereits unter anderem Autor:innen, Bibliothekar:innen und Lehrkräfte zu Gast und haben sogar schon Workshops zu dem Podcast gegeben.
Lehrer News: Wurdest du auf diese Projekte von Schüler:innen oder Kolleg:innen angesprochen? Wie fiel deren Feedback zu deinen Nebentätigkeiten aus?
Donath: Bisher habe ich eigentlich nur positives Feedback zu meiner Arbeit erhalten. Viele meiner Kolleg:innen sind sehr dankbar dafür, dass ich laut ihren Aussagen frischen Wind in den Unterricht bringe. Ich hoffe, dass ich es schaffe, anderen mit auf den Weg zu geben, dass es toll sein kann, sich auch mit neuen Materialien zu beschäftigen und nicht nur die altbewährten Klassiker zu nutzen. So werden auch aktuelle Themen in den Unterricht eingebracht, das halte ich für wichtig. Meine Schulleitung ist ebenfalls darauf aufmerksam geworden und nutzt mich seitdem als Ansprechpartner, sobald es irgendwie im Entferntesten um das Thema Lesen geht.
Lehrer News: Wie wir deiner Website entnehmen konnten, erscheint am 28. September deine Kurzgeschichte “Let´s go home together” als Teil der Anthologie “Lieb doch wie du willst”. Worauf dürfen sich unsere Leser:innen hierbei freuen und wird es eventuell auch die ein oder andere Message geben, welche du den Leser:innen mit auf den Weg geben möchtest?
Donath: Die Kurzgeschichte ist tatsächlich mein neuestes Projekt. In der Anthologie soll es in allen Geschichten um das Thema Diversität in ihren unzähligen Facetten gehen. Dabei soll es explizit auch um die Themen Sexualität und körperliche Nähe gehen, welche häufig in der Jugendliteratur ausgeklammert werden. Das führt leider oftmals dazu, dass viele Jugendliche sich ein falsches Bild von diesen Themen machen und ihre Inspiration durch Filme wie etwa “Fifty Shades of Grey” erhalten, welche körperliche Nähe als etwas sehr Extremes darstellen und auch nur einen winzigen Teil der Realität widerspiegeln. In meiner Kurzgeschichte geht es explizit um zwei Jungs, die sich Hals über Kopf gut finden, ob sie sich verlieben, bleibt mal dahingestellt, und sich körperlich näher kommen. In der Geschichte selbst verarbeite ich auch meine eigenen Erfahrungen bezüglich meiner persönlichen Geschichte, das spiegelt sich auch in einer Szene der Kurzgeschichte wider, in der die Jungs auf eine Gruppe Männer treffen und befürchten müssen, verbal und auch physisch attackiert zu werden. Ein Ziel, welches ich mit der Kurzgeschichte verfolgt habe, war es zu zeigen, dass viele der Klischees, welche über schwule Männer in den Köpfen der Menschen herrschen, nichts mit der Realität zu tun haben. Leider gibt es davon immer noch viel zu viele und Diskriminierung gehört leider auch immer noch zum Alltag. Ich denke es ist wichtig, den Kindern und in dem Fall der Lehrkräfte Schüler*innen von klein auf Werte wie Akzeptanz ungeachtet von Herkunft, Religion und Sexualität zu vermitteln und ihnen beizubringen, dass Ungleichheit auch eine riesige Chance für alle darstellen kann, neue Facetten des Lebens zu entdecken und dadurch das Leben voller und reicher zu gestalten.
Seid ihr selbst Teil der LGBTQIA+ Community oder habt Kolleg: innen, auf die das zutrifft? Teilt ihr die Meinung und Erfahrungen von Benni Cullen? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!