“Schlechteste Unterrichtsversorgung aller Zeiten” – kann Niedersachsen den Lehrkräftemangel noch aufhalten?

Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Quelle: Julia-Hamburg.de)

Hannover. Da der Lehrkräftemangel in Niedersachsen ein noch nie dagewesenes Ausmaß annimmt, hat Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) vergangenen Monat zum Bildungsgipfel geladen. Die gesammelten Erkenntnisse, wie das schlechte Abschneiden von Grundschüler:innen beim Lesen und Rechnen oder die mangelhafte Unterrichtsversorgung sind erschreckend, die Hoffnung auf Besserung jedoch besteht noch.

Die Unterrichtsversorgung liegt in Niedersachsen bei 96,3 Prozent. Dieser Wert erscheint zunächst nicht wirklich besorgniserregend, ist jedoch bei weitem nicht ausreichend, um ständigen Unterricht zu gewährleisten. Er gibt Auskunft über das Verhältnis von Schüler:innen zu Unterrichtsstunden der Lehrkräfte und sollte nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie Angelika Meyer vom niedersächsischen Schulleitungsverband (SLVN) bei 107 Prozent liegen, um die Unterrichtsversorgung auch bei Ausfall von Lehrkräften zu sichern. Die Auswirkungen dieser fehlenden Kapazitäten machen sich bereits bemerkbar, denn niedersächsischen Grundschüler:innen fehlt es – Ergebnissen einer IQB-Studie zufolge – an notwendigen Kompetenzen in grundlegenden Bereichen wie Lesen, Schreiben und Rechnen.

Ministerin Hamburg sieht die Ursachen des Problems in der steigenden Zahl an Schüler:innen, während gleichzeitig viele Lehrkräfte aufgrund einer Schwangerschaft oder Teilzeitbeschäftigung nicht wie benötigt zur Verfügung stünden. Hamburg geht davon aus, dass das Bundesland noch länger vor schwierigen Zeiten steht: “Mindestens zehn Jahre werden wir durch eine Talsohle gehen, wo wir nicht ausreichend Lehrkräfte haben werden.” Diese drastische Aussage hat Hamburg, die erst seit Herbst 2022 Ministerin ist, Lob seitens des niedersächsischen Philologenverbandes und der GEW eingeheimst, die den Umgang “mit echten Zahlen” anerkannten.

Hamburgs Mittel gegen Lehrkräftemangel

Um den Lehrkräftemangel wenigstens kurzfristig bestmöglich zu hemmen, will Hamburg nun auf multiprofessionelle Teams, die Lehrkräfte abseits des klassischen Unterrichts entlasten können, Quereinsteiger:innen, Fachkräfte mit ausländischem Abschluss und auf die Besoldungsstufe A13 setzen. Letztere soll die Attraktivität des Berufs stärken und vor Abgang in andere Bundesländer schützen. In der gegenwärtigen Debatte steht auch die “Kraftanstrengung”. Ein Projekt, das bestehende Lehrkräfte dazu veranlasst, jetzt mehr zu arbeiten, um als Gegenleistung früher in den Ruhestand oder Altersteilzeit gehen zu können.

Außerdem macht es Hoffnung, dass im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern das Klima zwischen Kultusministerium und Lehrerverbänden in Niedersachsen offenbar deutlich besser ist. Es ist eine klare, ergebnisorientierte Kooperation zu erkennen, die früher oder später ein fruchtbares Fundament im Kampf gegen den Lehrkräftemangel legen könnte. So sagt Torsten Neumann vom Verband niedersächsischer Lehrkräfte, dass es einen “wirklichen Willen” gibt, etwas zu verändern. Und auch Franz-Josef Meyer vom Verband Bildung und Erziehung umschreibt den Schulgipfel als gewinnbringendes Treffen.

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