Thüringens Bildungsminister plädiert für Abschaffung der Noten in Talentfächern

Von
Armend Kokollari
|
25
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February 2023
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Erfurt. Thüringen will sein Schulgesetz reformieren und im Zuge dessen die Noten in sogenannten Talentfächern wie Sport, Musik und Kunst abschaffen. Während Bildungsminister Helmut Holter (Linke) den Vorstoß verteidigt, hagelt es harsche Kritik aus der Opposition und weiteren Akteuren wie der Landeselternvertretung und dem Thüringer Lehrerverband. Neben der Abschaffung von Noten in den “Talentfächern” sieht der Gesetzentwurf zudem den Ausbau der Gemeinschaftsschulen im Freistaat vor.

"Kinder sind unterschiedlich veranlagt." Diese Aussage stammt von Thüringens Bildungsminister Helmut Holter. Daraus folgert der Politiker der Linken, dass es sinnvoll wäre, die Noten in Sport, Musik und Kunst abzuschaffen. Notendruck könnte bei vielen Schüler:innen dem Bewegungsdrang entgegenwirken. Dann, so Holter, hätten die Kinder „keinen Spaß an Sport“. Zensuren seien deswegen in bestimmten Schulfächern, wenn sie einzig das Talent bewerten, nicht nötig. Eine entsprechende Änderung im Gesetz strebe er noch in der aktuellen Amtszeit an, sofern dies im Einklang mit der Kultusministerkonferenz möglich sei – Thüringen wäre damit Pionier bei einer Neuausrichtung des Notensystems.

Landeselternsprecherin Claudia Koch hält Holters Pläne nicht für zielführend. Mit Blick auf die Grundschulen sei sie einem Notenverzicht in Musik und Zeichnen zwar nicht abgeneigt. Sie findet jedoch, dass die Leistung der Schüler:innen in den weiterführenden Schulen honoriert werden sollte, da der Unterrichtsstoff deutlich über Singen und Zeichnen hinausginge. In Sport sei eine Mitarbeitsnote sinnvoll, so Koch. Von Seiten der Landesschülervertretung (LSV) hatte man sich bereits im Sommer dafür ausgesprochen, die “Talentfächer” in einer Note zusammenzufassen. Diesen Vorschlag begründet die LSV mit unterschiedlich ausgeprägten Begabungen in jedem dieser Fächer. Der Thüringer Lehrerverband wiederum findet die Pläne von Holter ebenfalls nicht aussichtsreich. In seiner Begründung geht er einen Schritt weiter und macht darauf aufmerksam, dass die Abschaffung der Noten in Sport, Musik und Kunst manchen talentierten Schüler:innen die Chance nehmen, eventuelle Schwächen in anderen Bereichen auszugleichen. Ähnlich argumentieren auch die Christdemokrat:innen. Viele Kinder, die sich in anderen Unterrichtsfächern schwer täten, würden in den Noten für “Talentfächer” ihre Motivation ziehen und könnten Leistungen ausgleichen, so der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Tischner. Der Thüringer Sportärztebund fordert hingegen mehr Bewegung in den Schulen, bei gleichzeitig weniger Notendruck. Der Spaß am “Talentfach Sport” sei für sie besonders wichtig, da nach Ansicht der Mediziner dadurch das Risiko von Depression und Übergewicht vermindert wird.

Ferner sieht der Gesetzentwurf der Rot-Rot-Grünen Regierungskoalition vor, die Zahl der Gemeinschaftsschulen im Freistaat deutlich zu erhöhen und somit das längere gemeinsame Lernen stärker zu fördern, nachdem ein Sprecher des Bildungsministeriums der dpa einen entsprechenden Bericht der “Thüringer Allgemeine” bestätigte. Demnach sollen alle in diesem Schuljahr bestehenden Grund- und Regelschulen an einem Schulstandort innerhalb von fünf Jahren Gemeinschaftsschulen von der Klasse eins bis zehn werden. Das betreffe auch Standorte mit Grundschulen und Gemeinschaftsschulen der Klassenstufen fünf bis zehn. Die Landeselternvertretung hält zwar generell ein längeres gemeinsames Lernen für vorteilhaft. "Bei dem derzeitigen Lehrermangel sehen wir das Vorhaben aber kritisch", sagte Koch der Deutschen Presse-Agentur und verweist auf den abweichenden Personalschlüssel, durch den der Lehrermangel verschärft würde. Der geplante Ausbau der Gemeinschaftsschulen widerspreche vielerorts der Schulnetzplanung, sagte Tischner von der CDU. Die Grünen wiesen die Kritik der CDU zurück. Der Gesetzentwurf schlage sehr moderat den wohnortnahen Ausbau der Gemeinschaftsschulen vor, erklärte Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich. 

Inwiefern die kontroverse Debatte mitsamt der scharfen Kritik weiter entfacht wird, entscheidet sich wohl erst in den kommenden Wochen, da der Gesetzentwurf demnächst im Landtag beraten werden soll.

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