Wahlspezial Thüringen: Was wollen die Parteien erreichen?

Von
Lea Reuß
|
24
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August 2024
|
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Links wirft eine Person einen Zettel in einen Kasten und rechts ist ein Teil der Thüringer Flagge zu sehen.

Am 1. September können Wähler:innen über die Zusammensetzung des achten Thüringer Landtags mitbestimmen (Quelle: Creative Commons, Canva)

Mit der anstehenden Landtagswahl in Thüringen am 1. September stellt sich für Wähler:innen die Frage, wie die teilnehmenden Parteien die gegenwärtige Situation an Thüringer Schulen bewerten und welche Maßnahmen sie für nötig halten, um Problemen wie Lehrkraftmangel oder Wissenslücken durch die Coronapandemie entgegenzuwirken. Der folgende Artikel soll Aufschluss über die Positionen der verschiedenen Parteien zu bildungspolitischen Themen geben. 

Weniger Ausfall, mehr Pädagogen: CDU setzt auf personelle Ausweitung

Die Thüringer CDU verspricht in ihrem Wahlprogramm dem deutschlandweit präsenten Lehrkräftemangel durch neue Anreize für Lehrkräfte entgegenzuwirken. Geplant ist unter anderem eine Übernahmegarantie für angehende Lehrkräfte sowie die Entlastung des pädagogischen Personals von Bürokratie. Darüber hinaus werben die Christdemokraten damit, das Einstellungsverfahren für unbesetzte Stellen zu vereinfachen und Seiteneinsteiger:innen durch ein simpleres Bewerbungsverfahren berufliche Perspektiven zu bieten. Sie setzen sich außerdem für den Erhalt von Förderschulen, überregionale Bildungskooperationen im ländlichen Raum sowie die Stärkung von Ganztagsangeboten in Schulen ein. 

Die Digitalisierung an Thüringens Schulen müsse durch Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im Umgang mit digitalen Medien und Künstlicher Intelligenz gefördert werden. Dies soll mittels des Sonderförderprogramms “Digitale Schule” in die Wege geleitet werden. Das Programm sieht vor, allen Schüler:innen ab der 5. Klasse Zugang zu einem digitalen Endgerät zu verschaffen, um den klassischen Präsenzunterricht durch digitale Elemente zu ergänzen. Die CDU setzt sich für einen praxisorientierten Ansatz ein, so soll der “Tag in der Praxis” zur Berufsorientierung der Schüler:innen beisteuern und somit dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Ein Schulstart-Paket in Höhe von 250 Euro zur Ausstattung von Schulanfänger:innen, verbindliche Sprachtests vor der Einschulung und die mögliche Teilnahme an Deutschförderklassen sollen den Schüler:innen einen optimalen Start in die Schulzeit garantieren. Schüler:innen solle außerdem ein leichterer Zu- und Übergang zu anderen Schularten geboten werden. 

Thüringer Hochschulen verspricht die CDU mehr Autonomie und die Förderung der Wissenschaftsfreiheit. Das BAföG müsse zugunsten schnellerer Abwicklung der Anträge und Transparenz vollständig digitalisiert werden. Ferner müsse die Integration ausländischer Studierender durch die Etablierung von Sprach- und Beratungsangeboten gewährleistet sein, um der Abwanderung ausländischer Studienabsolvent:innen gegenzusteuern. 

Chancengleichheit und Modernisierung im Fokus der SPD

Auch die Sozialdemokrat:innen versprechen, dem Lehrkräftemangel durch zahlreiche Reformen ein Ende zu setzen. So macht die Thüringer SPD sich für die Einstellung von Verwaltungsassistent:innen zur Entlastung der Lehrkräfte stark und fordert die Unterstützung von Seiteneinsteiger:innen mit möglicher Verbeamtung. Der Lehrberuf soll durch die Neugestaltung der Ausbildung flexibler werden. Statt einer schulartbezogenen Ausbildung schlägt die SPD eine Neukonzeption des Lehramtsstudiums vor, in welcher Studierende sich zwischen der Sekundarstufe I und II entscheiden und somit in verschiedenen Bereichen des Schullebens einsetzbar sind. Durch eine Übernahmegarantie für Referendar:innen könne die Menge fehlender Lehrkräfte reduziert werden. Bildung an Hochschulen möchte die SPD generell durch die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren sowie der stetigen Anpassung der BAföG-Bedarfssätze für alle zugänglich machen. Studierendenwerke müssten dabei bezüglich der Bearbeitung von BAföG-Anträgen effizienter gestaltet werden. 

Die Thüringer SPD hat es sich außerdem zum Ziel gemacht, das Schulsystem an die Bedürfnisse der Schüler:innen anzupassen. Die Verkürzung der Unterrichtsdauer von aktuell 90 Minuten auf 45 bis maximal 60 Minuten sowie ein späterer Schulbeginn nach 9 Uhr könne zur Lernfähigkeit der Kinder und Jugendlichen beitragen. Bis zur vierten Klasse sollen Noten durch individuelle Bewertungsgespräche zwischen den Lernenden und den Lehrkräften ersetzt werden. Der Unterricht an Thüringer Schulen soll vermehrt den Umgang mit digitalen und sozialen Medien thematisieren und Demokratie fördern. Um die Familien der Schüler:innen finanziell zu entlasten, fordern die Sozialdemokrat:innen die Bereitstellung eines gesunden, kostenlosen Mittagessens in Schulen. 

AfD moniert “politische Indoktrination” an Schulen 

Die AfD Thüringen beklagt in ihrem Wahlprogramm große Bildungsmängel, welche auf sinkende Anstrengungsbereitschaft der Schüler:innen, Unterrichtsausfälle und geringe Deutschkenntnisse einiger Schüler:innen zurückzuführen seien. Vergleichbar mit den Vorhaben anderer Parteien setzt sich auch die AfD für die Entlastung der Lehrkräfte durch den Einsatz von Verwaltungsassistent:innen ein. Auch ein Stipendium für Studierende, welche sich dazu verpflichten, in Thüringen zu unterrichten, könne dem Lehrkraftmangel entgegenwirken. Die Partei strebt ein nach individuellen Begabungen gegliedertes Schulsystem und den Erhalt von Förderschulen an.

Schüler:innen sollen von der Einführung von Kopfnoten in den Bereichen "Verhalten, Mitarbeit und Ordnung" sowie einer umfassenderen Berufsorientierung durch Praktika profitieren. Ihnen soll die Möglichkeit geboten werden, das Schuljahr in jeder Stufe wiederholen zu können. Damit Schüler:innen einen gesunden Umgang mit digitalen Medien finden, plant der Landesverband eine verstärkte Aufklärung über die Risiken des Medienkonsums. 

Statt verpflichtenden Ganztagsschulen fordert die AfD Halbtagsschulen mit freiwilliger Nachmittagsbetreuung. Schulen seien der politischen Neutralität verpflichtet, so müsse man das Bildungssystem laut AfD-Landesvorsitzendem Björn Höcke “von Ideologieprojekten, beispielsweise der Inklusion, beispielsweise (...) dem Gender-Mainstream-Ansatz” befreien. Schüler:innen solle im Rahmen des Aufklärungsunterrichts ein “lebensbejahendes Konzept” vermittelt werden. Darüber hinaus müssten die Deutschkenntnisse der Kinder überprüft und bei Förderbedarf im Rahmen von sogenannten Vorschaltklassen vertieft werden. 

Die AfD betont die Notwendigkeit einer starken Hochschullandschaft, insbesondere in Hinblick auf den wirtschaftlichen Wettbewerb. Thüringer Hochschulen müssten entpolitisiert werden, beispielsweise durch die Abschaffung des Studienfaches “Genderforschung”. Zusätzlich postuliert die AfD die Förderung der deutschen Sprache als Sprache der Wissenschaft sowie die Einführung von Studiengebühren für ausländische Studierende aus Nicht-EU Staaten. 

Was haben die Grünen für Thüringens Schulen in Petto?

Die Grünen setzen in ihrem Wahlprogramm einen Schwerpunkt auf politische Bildung der Schüler:innen sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften. Dem Lehrkräftemangel in Thüringen planen die Grünen neben der Beschleunigung von Einstellungsverfahren auch durch den Abbau von Hürden für das Lehramtsstudium Thüringen ein Ende zu bereiten. Seiteneinsteiger:innen soll der Zugang zu Qualifizierungsprogrammen erleichtert und Lehrkräfte sollen durch die Einstellung multiprofessioneller Team entlastet werden. Schulsozialarbeit und sonderpädagogische Förderung an Schulen müssten zwecks Inklusion gestärkt werden. Mittels des Sofortprogramms “Eigenständige Schule 2035” erhoffen sich die Grünen mehr Entscheidungsraum und mehr Bürokratieabbau an Schulen.

Schüler:innen müssen durch zusätzliche Wahlpflichtangebote ein praxisorientiertes Lernen angeboten werden. Die Stärkung der politischen Bildung, Demokratieförderung und ein höherer Stellenwert gesellschaftswissenschaftlicher Fächer an Thüringer Schulen halten die Grünen für ein nötiges Mittel, um über Rechtsextremismus aufzuklären. Statt der Benotung in musischen, künstlerischen und sportlichen Fächern wollen die Grünen individuelle schriftliche Bewertungen einführen. Um Digitalisierung zum Regelfall an Thüringer Schulen zu machen, wollen sie sich für den Ausbau digitaler Lernangebote sowie der Einstellung qualifizierter IT-Mitarbeiter:innen stark machen. 

Nach dem Motto “Bildungsgerechtigkeit schaffen” planen die Grünen, den Zugang zu Thüringer Hochschulen durch den Abbau von Hürden zu vereinfachen. Um die Zahl der Studienabbrecher:innen zu reduzieren und das Studium in Thüringen attraktiver und gerechter zu gestalten, fordern sie den Ausbau sozialer Angebote, günstigeren Wohnraum für Studierende und die Abschaffung von Langzeitstudiengebühren. Parallel zu Studierendenwerken sollen auch Auszubildende von Azubi-Werken profitieren. 

Die Linke: Schwerpunkt auf beitragsfreie und inklusive Bildung 

Die in Thüringen historisch erfolgreiche Linke betont in ihrem Wahlprogramm die notwendige Inklusion im Bildungssystem. Eine Zusammenarbeit mit Kind, Eltern und der Schule ergänzt durch passende Schulausstattung und sonderpädagogische Weiterbildungsmöglichkeiten könne die Inklusion an Thüringer Schulen voranbringen. Der Lehrkräftemangel soll durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Lehre bekämpft werden. Konkret soll dies durch die Öffnung des Seiteneinstiegs, die Fortsetzung der Wiederverbeamtung von Lehrkräften sowie der Anhebung auf die Besoldungsstufe A13 geschehen. Statt einer schulartspezifischen, setzt sich Die Linke für eine schulstufenbezogene Ausbildung von Lehrkräften ein. In der Ausbildung sollen zukünftige Lehrkräfte für eine menschenrechtsorientierte und rassismuskritische Lernkultur sensibilisiert werden. 

Eine mögliche Grundgesetzänderung, welche die Finanzierung von Bildungsaufgaben durch die Bundesregierung garantieren soll, erachtet sie als sinnvoll. Die Stärkung der Gemeinschaftsschulen als zentrale Schulform in Thüringen und die Einführung der Ganztagsschule sollen die Chancengleichheit der Schüler:innen garantieren. Insbesondere im ländlichen Raum müsse die Chancengleichheit durch Schulkooperationen und fachlichen Austausch zwischen Lehrkräften gewährleistet werden. 

“Digitalpakt 2.0”: So will die FDP Schulen zukunftsfähig machen

Mehr Eigenverantwortung für Schulen, mehr Digitalisierung — die Freien Demokraten sehen darin die Möglichkeit, Thüringens Schulen nachhaltig zu stärken. Den Lehrkräftemangel plant die FDP, übereinstimmend mit den anderen Parteien, durch schnellere Einstellungsverfahren sowie die Stärkung der Ausbildung von Lehrkräften zu bekämpfen. Auch hybride Unterrichtsmethoden, beispielsweise der Fernunterricht für Schüler:innen in höheren Stufen, kann dazu einen Beitrag leisten. Durch die Einstellung von Verwaltungspersonal sollen Lehrkräfte entlastet werden. Lehrkräfte sollen die Möglichkeit erhalten, ihr Verständnis für betriebliche Prozesse durch Betriebspraktika und Ferienhospitationen zu vertiefen. Durch die Kombination des Lehramtsstudiums mit einem Vorbereitungsdienst erhofft die FDP sich die Minimierung der Studienabbrecher:innen.

Der geplante “Digitalpakt 2.0” soll durch die Schaffung digitaler Infrastruktur die nötigen Bedingungen für den vermehrten Einsatz von digitalen Angeboten im Klassenzimmer erfüllen. Schüler:innen soll, auch durch die Unterstützung von Digitalpädagog:innen, ein resilienterer Umgang mit digitalen Medien vermittelt werden. Bezüglich der Inklusion von Schüler:innen mit Behinderung setzen die Freien Demokraten sich für Förderzentren mit spezialisiertem Personal ein. Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf sollen Zugang zu ergänzende Angebote zur Sprachförderung erhalten. Die Stärkung von Hort- und Ganztagsangeboten an Thüringer Schulen könne besonders in Kooperation mit regionalen Vereinen und Angeboten gelingen. 

BSW fordert die Rückbesinnung auf Kernkompetenzen 

Das jüngst 2023 gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht setzt sich in ihrem Wahlprogramm für die Förderung der Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen ein. In Grundschulen soll dies vordergründig durch analoges Lernen erfolgen, während die Handys und Tablets keinen Platz im Klassenzimmer haben sollen. Mit verpflichtenden Sprachtests für Kinder ab drei Jahren und entsprechenden Lernangeboten verspricht das Bündnis Sahra Wagenknecht umfassende Sprachförderung für Schüler:innen. Durch ein Netzwerk von Therapeut:innen sollen Schüler:innen mit Lernschwierigkeiten wie LRS oder Dyskalkulie mehr Unterstützung erhalten. Pädagogisches Personal und entsprechende Förderzentren sollen Inklusion für Schüler:innen mit Behinderung fördern. Die Nutzung gendergerechter Sprache an Schulen lehnt das BSW ab.

Thüringer Lehrkräfte sollen durch eine praxisorientierte Ausbildung auf die tatsächlichen Tätigkeiten des Lehrberufs vorbereitet werden und durch eine einheitliche Schulverwaltungs- und Planungssoftware entlastet werden. Auch der Einstieg in den Beruf soll durch die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse und duale Ausbildungsformen für Quereinsteiger:innen erleichtert werden. 

Die Thüringer Landtagswahl am 1. September findet zeitgleich zur Wahl in Sachsen statt und ist eine von drei in den neuen Bundesländern stattfindenden Wahlen dieses Jahr. Im Rahmen dieser Übersicht über bildungspolitische Forderungen wurden die Parteien ausgewählt, die in den Prognosen vorne liegen. Laut neuesten Umfragen liegen die AfD (29,4%), die CDU (21,5%) und das BSW (18,7%) im Rennen um Plätze im Thüringer Landtag vorne. Auch Die Linke (14,8%) und die SPD (6,1%) finden in den Prognosen knapp Einzug ins Parlament, während die Grünen (3,2%) und die FDP (2,8%) noch um Sitze bangen. Die schlussendliche Verteilung der Sitze im Landtag steht jedoch erst einige Zeit nach der Schließung der Wahllokale um 18 Uhr fest. Weitere Informationen zur diesjährigen Landtagswahl in Thüringen gibt es hier.

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