Schulen brauchen Schutzkonzepte und Präventionsmaßnahmen, damit sexuelle Gewalt von Hand der Schutzbefohlenen keinen Raum mehr hat. (Quelle: Canva)
Anlässlich des Welttages für sexuelle Gesundheit möchten wir euch in diesem Artikel über verschiedene Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt an Schulen informieren. Der Welttag für sexuelle Gesundheit wird dieses Jahr unter dem Motto “Gemeinsam für Aufklärung, Prävention, Konsens und Wohlbefinden” geführt.
Bauchfreie Tops und Muskelshirts im Sportunterricht, kurze Shorts und Kleider bei 36 Grad Außentemperatur. Das, was für einige nur Kleidung und Outfits sind, sehen andere als eine Einladung für sexuelle Übergriffe. Laut einer Umfrage von Plan International stimmten der Aussage “Aufreizendes Verhalten aufseiten von Frauen darf als Aufforderung verstanden werden” 47 Prozent der Männer zu. In der Umfrage wurden 1.000 Männer und 1.000 Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren befragt. Nach dem Durchbruch der Bewegung “#MeToo”, die auf den Weinstein-Skandal zurückgeht, solidarisieren sich Nutzer:innen des Hashtags auf der ganzen Welt mit den betroffenen Opfern von sexueller Gewalt, Belästigung und Übergriffen. 2018 forderte die GEW die Etablierung des Themas auch an Schulen. Grundlage war die Befragung des ifo Bildungsbarometers, zu der erstmals auch 1.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren befragt wurden.
Sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt an Schulen sind ein ernstes Problem. Laut dem Niedersächsischen Kultusministerium passieren sexuelle Übergriffe innerhalb und außerhalb der Schule. Sie passieren zwischen Lehrkräften und Schüler:innen, zwischen älteren und jüngeren Schüler:innen und unter gleichaltrigen Schüler:innen. Dass sexuelle Gewalt an Kindern unter keinen Umständen toleriert werden darf, fordert auch Christian Luft, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Doch gerade an Orten, an denen Kinder Schutz suchen und unbeschwert leben und lernen sollen, wie in der Familie und an Schulen, scheinen diese Übergriffe noch schwerer zu sein. “Die Schule ist für Kinder ein Schutzraum. Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, seelisch und körperlich gesund und gewaltfrei aufzuwachsen. Sie müssen wirksam vor Vernachlässigung, Misshandlungen und sexueller Gewalt geschützt werden", heißt es auf der Website der KMK über die Prävention von Gewalt und sexuellem Missbrauch.
In der Hoffnung, dass wir in Zukunft Überschriften wie “Lehrer soll Grundschülerinnen missbraucht haben”, “Lehrer missbraucht Schülerin” oder “Plötzlich küsste mich der Lehrer” nicht mehr lesen müssen, möchten wir euch auf folgende Schutzkonzepte und Initiativen aufmerksam machen. Mit diesen könnt ihr für euch und eure Schule mögliche Präventionsmaßnahmen von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen treffen. Die Schutzkonzepte der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) sind dabei die erste Anlaufstelle.
“Kein Raum für Missbrauch” ist eine Initiative der UBSKM. Die Initiative hat das Ziel, Schutzkonzepte in allen von Kindern und Jugendlichen genutzten Einrichtungen und Organisationen in Deutschland zu etablieren. Dazu zählen unter anderem Schulen, Kitas, Heime, Sportvereine und weitere. Neben der Zielsetzung und der Beschreibung des Schutzkonzeptes findet ihr auf der Website auch das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch.
Das Grundsatzpapier der KMK beschreibt die Handlungsempfehlungen zu den Themen “Vorbeugung und Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen und Gewalthandlungen in Schulen und schulnahen Einrichtungen”. Es enthält Hilfestellungen und Tipps, wie ihr Schüler:innen als Opfer von sexueller Gewalt erkennen könnt und welche Wege zur Hilfe es für sie gibt. Es beschreibt außerdem, wie ein wirksames Konzept gelingen kann.
Der kostenlose Abschlussbericht Runder Tisch zum Thema “Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich” gibt euch viele Informationen über Prävention, Intervention und die Nachbereitung von sexueller Gewalt.
Der Leitfaden der KMK zum “Kinderschutz in der Schule” umfasst zwei Aspekte. Zum einen werden Elemente eines Schutzkonzeptes nach der UBSKM-Initiative genannt und zum anderen die Prozessgestaltung zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes. Anhand des strukturierten Leitfadens könnt ihr gemeinsam mit der Schule ein Konzept gegen sexuelle Gewalt entwickeln.
“Respekt! Schulen als ideale Orte der Prävention von sexualisierter Gewalt – Sammelband für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte an Schulen” ist der Titel der Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema sexueller Gewalt an Schulen. Die Broschüre könnt ihr euch kostenlos bestellen oder als PDF-Datei herunterladen. Es ist eine Hilfestellung für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte an Schulen und beschreibt mit Expert:innen aus der Praxis und der Wissenschaft die Kapitel und Themen. Die Broschüre enthält Fakten rund um das Ausmaß und die Folgen von sexueller Gewalt. Ebenfalls werden mögliche Strategien der Täter:innen beschrieben und was zu tun ist, wenn sich ein:e Schüler:in an euch wendet und euch anvertraut.
“Trau Dich!” ist eine speziell für Kinder gemachte Initiative zusammen mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die dazugehörige Website ist interaktiv gestaltet und hält durch Klicken auf die verschiedenen Elemente Informationen für die Kinder bereit. Die Initiative wird von einem Theater begleitet und durch die Kompanie Kopfstand aufgeführt. Es spricht die Themen Kinderrechte, Grenzen und Gefühle an. Sie reisen mit dem Theater durch ganz Deutschland. Der nächste Termin ist der 12. September in Bremerhaven. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt weitere Initiativen, Programme und Projekte zur Unterstützung von Kinderrechten und zur Einarbeitung von Schutzkonzepten.
Das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch ist eine der ersten Anlaufstellen, wenn es um Verdachtsfälle oder Taten von sexueller Gewalt geht. Das Hilfe-Telefon erreicht ihr unter der Nummer: 0800 22 55 530. Der Anruf ist kostenlos, anonym und mehrsprachig. Erreichbar ist das Hilfe-Telefon Montag, Mittwoch und Freitag von 9 Uhr bis 14 Uhr sowie Dienstag und Donnerstag von 15 Uhr bis 20 Uhr. Das Hilfeportal bietet ebenfalls eine Beratung über E-Mail an. Dafür ist eine Registrierung erforderlich.
Nummer gegen Kummer bietet zwei Telefonnummern für die kostenlose telefonische Beratung an. Das Kinder- und Jugendtelefon ist unter 116 111 von Montag bis Samstag zwischen 14 Uhr und 20 Uhr erreichbar. Das Elterntelefon ist unter 0800 111 0 550 montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, dienstags und donnerstags bis 19 Uhr. Beides ist anonym.
Eine Online-Beratung könnt ihr nach Registrierung auch in Anspruch nehmen.
Das Fachportal für Schutzkonzepte bietet länderspezifische vertiefende Informationen zum Thema Schule gegen sexuelle Gewalt. Landesspezifische Regelungen, Angebote und Hilfestellungen sind jeweils am Ende eines Themenbereiches aufgeführt.
Schüler:innen, die Opfer von sexuellen Übergriffen und sexueller Gewalt geworden sind, brauchen vertrauensvolle Ansprechpartner:innen, die ihnen Sicherheit und Schutz vermitteln können und die zu jedem Zeitpunkt an ihrer Seite stehen. Ihr könnt mit ihnen über mögliche nächste Schritte sprechen oder sie auf einige der Initiativen und Anlaufstellen aufmerksam machen. Die Nummer des Hilfe-Telefons und die Nummer gegen Kummer sollte in eurer Klasse oder in der Schule sichtbar für alle Schüler:innen sein.
Gibt es an eurer Schule bereits Schutzkonzepte oder Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Gewalt? Schreibt es uns in die Kommentare.