(Quelle: Envato)
Laut Angaben des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) sind weltweit mehr als 89 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie noch nie. Anlässlich des heutigen Weltflüchtlingstags am 20. Juni fragen wir uns: Welche Vorteile bringt die Einbindung von Geflüchteten als Lehrkräfte an deutschen Schulen mit sich? Welche Bemühungen werden in diese Richtung unternommen und welche Hürden und Probleme könnte es dabei geben? Beispiele aus Potsdam und Sachsen-Anhalt können uns hierbei helfen, besser zu verstehen, welches Potenzial es in Zukunft zu entfalten gilt. Als Hauptgründe für das Verlassen der Heimat dieser Menschen gelten Kriege und Konflikte, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen. In Deutschland lebten, laut dem Statistischen Bundesamt, Anfang 2023 knapp über drei Millionen Schutzsuchende. Den größten Anteil der Gruppe machten dabei Menschen aus Afghanistan, Syrien und der Ukraine aus.
Die Programme zur Aufnahme von geflüchteten Lehrer:innen in den deutschen Schulbetrieb können ganz unterschiedlich ausfallen. Obwohl die allgemeine Flüchtlings- und Asylpolitik Deutschlands auf Bundesebene entschieden wird, gibt es beim Einsatz der Geflüchteten im Lehrberuf Unterschiede zwischen den jeweiligen Bundesländern. Ein positives Beispiel hierfür liefert das “Refugee-Teachers-Programm” der Universität Potsdam. Im Zeitraum von März 2016 bis September 2020 absolvierten 105 von 167 Lehrkräften das Programm erfolgreich, von denen, Stand November 2022, 17 als Lehrer:innen und 22 als sonstiges pädagogisches Personal praktizierten. Ein weiteres Beispiel der Einbindung von geflüchteten Lehrer:innen an deutschen Schulen finden wir in Sachsen-Anhalt. Ukrainische Lehrkräfte wurden hier – zunächst mit befristeten Arbeitsverträgen – eingestellt, um in den sogenannten Ankunftsklassen geflüchtete Kinder zu unterrichten. Diese wurden eingesetzt, um die ukrainischen Flüchtlingskinder, welche aufgrund des russischen Angriffskrieges, in großen Zahlen Anfang 2022 nach Deutschland kamen, zu unterrichten. Die 192 ukrainischen Lehrer:innen erhielten hierfür zunächst befristete Verträge bis Ende Juli 2023. Diese Verträge wurden nun um weitere 24 Monate verlängert. Das Ziel des Bildungsministeriums von Sachsen-Anhalt ist es, den Lehrkräften zu ermöglichen, ihre sprachlichen, pädagogischen und fachlichen Kompetenzen weiter auszubauen, sodass diese im Weiteren auch die deutschsprachigen Schüler:innen unterrichten können – eine Maßnahme, die auch im Kampf gegen den Lehrermangel helfen soll. Dem Lehrkräftemangel in Sachsen-Anhalt haben wir uns bereits in diesem Artikel gewidmet.
Wenn Geflüchtete an deutschen Schulen eingesetzt werden, kann dies Vorteile für beide Seiten mit sich bringen. Sowohl die deutsche Gesellschaft als auch die Geflüchteten selbst können von einer Vielzahl an positiven Aspekten profitieren. Der Einsatz von Geflüchteten an deutschen Schulen bietet in vielerlei Hinsicht das Potenzial, die Bildungssituation in Deutschland zu verbessern. Insbesondere im Hinblick auf den Lehrkräftemangel, der in Deutschland aktuell herrscht. Geflüchtete verfügen überdies hinaus in der Regel über sprachliche und interkulturelle Kompetenzen, durch die den Schülern das Verständnis für andere Kulturen näher gebracht werden kann. Auf der anderen Seite können auch die als Lehrkräfte eingesetzten ihre Vorteile aus der Situation ziehen. Diese erhalten die Möglichkeit auf eine bessere Einbindung in die Gesellschaft, das Ausbauen ihrer Fähigkeiten in der Landessprache sowie eine berufliche Perspektive. Darüber hinaus können die neuen Lehrkräfte als Vorbilder zur Identifikation für andere Geflüchtete dienen.
Doch das Programm hat Grenzen. So stehen dem Einsatz von Geflüchteten an deutschen Schulen besonders bürokratische Hürden im Weg. Zunächst die Probleme, welche Geflüchtete in Deutschland im Allgemeinen betreffen: die fehlende Arbeitserlaubnis und der Erwerb von Sprachkenntnissen. Darüber hinaus gibt es noch weitere Hindernisse, die speziell auf Geflüchtete mit dem Ziel Lehrkraft zu werden zutreffen und sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden können, etwa die Beschaffung von Informationen über den Einstellungsprozess, benötigte Qualifikationen, etc. Neuankömmlinge und solche, die wenig Unterstützung von außen erhalten, fällt es besonders schwer, sich im bürokratischen System Deutschlands zurechtzufinden. Das nächste Problem stellt die Anerkennung von Qualifikationen der Geflüchteten dar. Die in ihren Heimatländern erworbenen Qualifikationen werden in Deutschland oft nicht anerkannt, weshalb zusätzliche Prüfungen und der Eintritt in Nachqualifizierungsprogramme nötig sind, um den Beruf als Lehrer:in ausüben zu können. Weiterhin spielen individuelle Hürden der Geflüchteten eine Rolle. Ein weiter Anfahrtsweg, befristete Arbeitsverträge und zu geringe Unterstützung beim Erwerb der benötigten umfangreichen Deutschkenntnisse können demotivierend und abschreckend sein.
Der Lehrkräftemangel als omnipräsentes Thema scheint sich durch den Einsatz von Geflüchteten als Lehrer:innen zumindest teilweise bekämpfen zu lassen, wie wir in unseren Beispielen sehen konnten. Diese wiesen die positiven Auswirkungen auf, ohne die Probleme und Hindernisse bei der Planung zu vernachlässigen. Der Ansatz, Geflüchtete als Lehrer:innen einzusetzen, kann einen Teilschritt im Kampf gegen den Lehrkräftemangel darstellen, ist jedoch kein alleiniger Problemlöser – auch Bezahlung und Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern. Darüber hinaus gilt es, auf die Bedürfnisse und Probleme der Geflüchteten einzugehen, um diesen den Einstieg in den Lehrberuf zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.
Was haltet ihr von den Projekten in Potsdam und Sachsen-Anhalt? Schreibt eure Meinung dazu gerne in die Kommentare!