Wirtschaftliche Zusammenhänge können im Unterricht schnell zu trockenem Stoff werden. Ein Verständnis für Ökonomie und die Dynamik der Märkte ist heutzutage allerdings besonders wertvoll und kann für eine erfolgreiche Karriere nach der Schule sorgen. Schüler:innen haben oft den Eindruck, schulische Inhalte wären nicht wichtig für das “echte” Leben – im Bereich Ökonomie könnte dies jedoch nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Um den Unterricht also spannend, verständlich und motivierend zu gestalten, kann es sinnvoll sein, die Schüler:innen einmal selbst in die Rolle von Händlern und Ökonomen zu versetzen. Dafür eignen sich Videospiele hervorragend, denn sie bieten die Möglichkeit, Fehler zu machen, aus Erfahrungen zu lernen und bestimmte Konzepte in vereinfachter Form zu erleben. Lehrer-News stellt fünf Spiele vor, die Sie im Unterricht einbringen können – als Projekt, als Fallbeispiel oder als Zusatzinhalte auf freiwilliger Basis.
Wenn die Sprache auf Wirtschaftssimulationen kommt, dann ist vielen Schulen sicher das „Planspiel Börse” bekannt. Dieses wird seit über 40 Jahren von Sparkassen in ganz Europa ausgerichtet. Hier können Schüler:innen im Team in einer simulierten Umgebung mit Wertpapieren und anderen Finanzprodukten handeln. Zu Beginn stehen jedem Schülerteam 50.000 Euro virtuelles Startkapital zur Verfügung, mit dem mindestens drei Aufträge bis zum Spielende getätigt werden müssen. Ziel des Spiels ist es, den eigenen Depotwert durch geschicktes Handeln zu steigern. Seit 2009 werden auch Teams prämiert, die mit nachhaltig orientierten Wertpapieren den größten Ertrag erzielen.
Die Teilnahme erfolgt über die „Planspiel-Börse-App”, diese findet Ihr hier. Teilnehmende Teams müssen sich bei der örtlichen Sparkasse anmelden und erhalten dann einen Registrierungscode – danach kann es mit dem Handeln losgehen! Jährlich beginnt das Planspiel Ende September / Anfang Oktober und endet Mitte Dezember. Die meisten Teams sind in der Gruppe Schüler und Studenten vertreten, vereinzelt nehmen auch Lehrer teil. Als zusätzlicher Anreiz dient die Tatsache, dass man das Spiel tatsächlich “gewinnen” kann – die Gruppen, welche zum Ende des Spiels den höchsten Depotwert erzielt haben, erhalten Auszeichnungen und Preise der Sparkasse.
(Bildquelle: Steam)
Dem hyperrealistischen „Planspiel Börse” steht die „Anno”-Spielereihe gegenüber. Die österreichischen „Anno”-Spiele fungieren seit 1998 als Klassiker unter den Aufbaustrategie-Spielen und laufen stets nach demselben Prinzip ab, welches auch als Blaupause für viele andere Wirtschaftssimulationen dient: Die Spieler:innen befinden sich in einer kleinen Inselwelt und ihre Aufgabe ist es, eine Kolonie auf einer dieser Inseln zu gründen. Dies spielt je nach Serientitel entweder in der Renaissance („Anno 1404”), der frühen Neuzeit(„Anno 1800”) oder sogar in der nahen Zukunft („Anno 2070”). Insbesondere der Titel „Anno 2070” kann dabei interessant für den Unterricht sein, weil er die Komponenten der Umweltverschmutzung und des Klimawandels mit ins Spiel bringt – und die Unterschiede zwischen nachhaltiger Produktion und Raubbau verdeutlicht.
Einmal kolonisiert, muss die Insel nun bevölkert werden woraufhin die Bewohner verschiedene Güter benötigen – zu Anfang sind dies noch Nahrung und Kleidung. Haben die Bürger alles, was sie brauchen, steigen sie in eine höhere Gesellschaftsschicht auf, aus Bauern werden Bürger. Diese haben jedoch auch mehr Bedürfnisse, woraufhin neue Produktionsstätten für Luxusgüter gebaut, neue Nahrungsmittel beschafft und neue Rohstoffe erschlossen werden müssen. Anno legt dabei ein besonderes Augenmerk auf Fertigungsketten: Um in „Anno 2070” beispielsweise Fenster zu produzieren, wird Glas benötigt, dieses wird aus Sand und Kohle hergestellt, wofür wiederum Minen gebaut werden müssen – wobei auch für den Bau selbst Materialien gebraucht werden.
Die Bedürfnisse der Bürger mit dem Neubau von Fabriken in Einklang zu halten und dabei darauf zu achten, dass die Finanzen nicht ins Minus rutschen ist eine Spielprämisse, die seit Jahrzehnten begeistern konnte und sicher auch für Schüler:innen spannend ist. Nach einiger Zeit kann sich daher auch ein Gefühl von Komplexität einstellen, das der globalisierten echten Welt recht nahekommt: Denn wenn zum Beispiel ein Schiff, das wichtige Güter für eine der eigenen Produktionsketten befördert von Piraten versenkt wird, kann dies weitreichende Folgen für das ganze System haben – ganz ähnlich dem Vorfall am 21. Mai 2021, als ein einzelnes Schiff der Evergreen Corporation den Suez-Kanal blockierte und dadurch die Weltwirtschaft extrem belastete. Schüler:innen lernen so zum einen, den Überblick zu behalten und klug zu wirtschaften, zum anderen erfahren sie auch mehr darüber, wie fragil und komplex selbst vereinfachte Wirtschaftssysteme sind.
Während in der „Anno”-Serie eine stilisierte Welt bespielt wird, bietet „Superpower 2” tatsächlich die echte geopolitische Landkarte, um darauf wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkunden. Schüler:innen übernehmen hierbei die Kontrolle über eine Nation, die sie natürlich mit gutem Wirtschaften und klugen Entscheidungen zu Ruhm und Macht führen sollen. Hier werden also auch tatsächliche geopolitische Zusammenhänge klarer – die Bedeutung des oben erwähnten Suez-Kanals beispielsweise –, sowie die Stellung und Diversität einzelner Nationen. Das Spiel gestaltet sich dabei zwar im Großen und Ganzen etwas trockener als die cartoonigen Anno-Spiele, ist aber dafür auch realistischer.
Für den Unterricht bietet sich zum Beispiel an, ein Szenario als Lehrkraft bis zu einem bestimmten Punkt vorzuspielen und dieses dann im Unterricht als Modell einzusetzen. So könnte eine Illustration der Schuldenkrise Griechenlands oder des politischen Drucks durch Öl und Gas aus Russland vorbereitet werden, um die Schüler:innen selbst nach Lösungen suchen zu lassen. Der etwas abstrahierte und visuelle Input, den Schüler:innen durch eine solche Präsentationsform hinzugewinnen, kann eine gute Bereicherung für den Unterricht darstellen.
Dass sich Wirtschaft und Politik kaum trennen lassen, verdeutlicht „Democracy 4”. Frisch im Jahr 2022 erschienen, tritt es visuell und spielmechanisch modern und ansprechend auf und schafft dabei, wichtige volkswirtschaftliche Zusammenhänge in einen spielerischen Kontext zu setzen. Überspitzt könnte man sagen, dass Schüler:innen, die „Democracy 4” spielen, bereits eine Menge Stoff aus dem Wirtschafts- und Politikunterricht allein durch das Spiel lernen: Demographische Gruppen, das Bruttoinlandsprodukt, Steuerreformen – all dies wird visuell ansprechend und zugänglich in dem Spiel verknüpft. Durch seine Komplexität kann das Spiel Gelegenheitsspieler zwar abschrecken, im Unterricht jedoch, in dem Lehrer:innen anleiten und Hintergründe erklären können, kommt sein Umfang voll zur Geltung.
Democracy 4 ist darüber hinaus bestens geeignet, um, politisches Interesse zu wecken, da es sehr gut nachvollziehen lässt, wie und warum bestimmte politische Entscheidungen getroffen werden. Der Wille der Bürger ist dabei zwar “nur” ein Zahnrad in einem größeren, wirtschaftlichen Komplex, der am Laufen gehalten werden muss, gleichzeitig ist es aber auch die Gesellschaft, die diesen ganzen Komplex erst ermöglicht. Dieses Wechselspiel wird in „Democracy 4” besonders gut verdeutlicht und eignet sich für Diskussionen im Klassenverband.
Mit einem Augenzwinkern wird das Thema “Wirtschaft und Staat” von dem Spiel „Tropico 6” aufgegriffen. Ähnlich wie die Anno-Reihe ist auch „Tropico” ein beliebte Spieleserie, die seit 2001 einen festen Platz im Herzen der Aufbaustrategiespiel-Fans einnimmt. Die Spieler:innen schlüpfen hier in die Rolle eines Diktators, der den fiktiven Inselstaats „Tropico” beherrscht. Dieser Staat ist dabei stark an die sogenannten Bananenrepubliken der 1950er Jahre angelehnt, und bietet in seiner karikaturhaften Überzeichnung alles, was ein Autokrat sich wünscht: Korruption, die Unterdrückung der Pressefreiheit, Tourismus und das argwöhnische Auge verfeindeter Supermächte wie den USA und Russland. Unter diesen Bedingungen liegt es nun an den Spieler:innen, in der Rolle von „El Presidente” dem eigenen Staat zum Wohlstand zu verhelfen – oder die eigenen Taschen zu füllen.
Auch hier ist wieder kluges Wirtschaften notwendig: Löhne müssen gezahlt, Lebensmittel müssen beschafft und die Bedürfnisse der Bevölkerung müssen befriedigt werden. Import- und Exportbilanzen vermitteln die wirtschaftlichen Grundlagen der Inselwirtschaft, welche sich im Laufe der Zeit vom Rohstoffexporteur hin zur Industrienation entwickelt.
Bei all dem gibt es verschiedene Fraktionen von Bürgern – beispielsweise konservative Nationalisten, Umweltschützer, Arbeiter und religiöse Splittergruppen – die natürlich unterschiedliche Reaktionen auf bestimmte Baumaßnahmen oder Lohnkürzungen zeigen. Wächst der Unmut in der Bevölkerung, kann „El Presidente” dabei aber auf herzlich unethische Methoden zurückgreifen, um wieder Ordnung in den Staat zu bringen. Am Ende steht die Frage, wohin die Reise Tropicos und seiner Bevölkerung gehen soll. Was darf’s sein? Ein klerikales Militärregime, das kommunistische Arbeiterparadies oder doch lieber ein prächtiges Mekka für reiche Touristen?
Das Spiel eignet sich für Unterrichtsstunden, die Raum für Humor lassen, dabei aber gleichzeitig auf spielerische Weise wichtige Konzepte erklären wollen: Propaganda ist ein allgegenwärtiges Thema, welches gerade zur Zeit der Ukrainekrise noch einmal einen besonderen Stellenwert einnimmt. Es werden Impulse gesetzt, über die wirtschaftliche Stabilität autokratischer Staaten zu sprechen. Syrien, Russland oder Venezuela können dabei thematisiert werden und es kann sich ein Lerneffekt einstellen, der darauf abzielt, den Zusammenhang zwischen der Militarisierung eines Regimes und dessen wirtschaftlicher Stellung zu erfassen. Auch der wichtige ökonomische Faktor „Tourismus” kann Schüler:innen mit dem Spiel näher gebracht werden, sowie die post-kolonialistischen Bestrebungen globaler Supermächte, die Kontrolle über kleinere Staaten in der zweiten und dritten Welt zu halten. Zuletzt dient „Tropico 6” auch dazu, Schüler:innen vor die Wahl zu stellen: „Würde ich mich selbst bereichern, wenn ich als Staatsoberhaupt die Möglichkeit dazu hätte?”
Wir hoffen, dass Euch diese Liste neue Ideen für den Wirtschafts- und Politikunterricht geben konnte und freuen uns, von Euren Erfahrungen mit Videospielen im Unterricht zu hören! Lasst uns gerne einen Kommentar da, wie Ihr Videospiele bereits in den Unterricht einbinden konntet, oder ob Ihr dies in der Zukunft vorhabt.