Am Dienstag, den 19. März 2024 wurde in Schulen, Behörden und Hochschulen in Bayern das Gendern verboten. Die Entscheidung rief gemischte Reaktionen hervor. (Quelle: Envato)
Am 19. März hat der bayerische Ministerrat ein “Verbot der Gendersprache” beschlossen. Somit ist ab dem 1. April das Gendern an Behörden, Schulen und Hochschulen untersagt. Es dürfen keine Sonderzeichen mehr zur Geschlechterumschreibung benutzt werden. Für das Verbot wurde die Allgemeine Geschäftsordnung für Behörden (AGO) geändert. „Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap oder Mediopunkt sind nun ausdrücklich unzulässig“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein", so Herrmann. Das Genderverbot gilt nicht nur bei der gesamten dienstlichen Kommunikation, bei Elternbriefen und der internen Kommunikation, sondern auch im Unterricht. Angekündigt hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) diese Entscheidung bereits vergangenen Dezember. Da es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, wird auch in anderen Bundesländern über ein Verbot diskutiert.
Die bayerische Landesregierung rechtfertigte ihre Entscheidung, indem sie auf einen Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 15. Dezember 2023 verwies. Demnach würden Sonderzeichen im Wortinneren Eingriffe in Wortbildung, Grammatik und Orthografie darstellen, was die Beeinträchtigung der Verständlichkeit von Texten zufolge hat. Innenminister Joachim Herrmann erklärte in einer Pressemitteilung am 19. März 2024, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften so formuliert werden sollten, “dass sie jedes Geschlecht in gleicher Weise ansprechen, etwa durch Paarformeln oder geschlechtsneutrale Formulierungen. Dabei ist jedoch jede sprachliche Künstlichkeit oder spracherzieherische Tendenz zu vermeiden“. Florian Herrmann (CSU), Chef der Bayerischen Staatskanzlei, erklärte, es ginge trotzdem darum „Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenzuhalten“. Gendersprache sei “ideologiegetrieben” und habe eine exkludierende Wirkung. Er wolle verhindern, dass eine solche Sprache moralischen Druck erzeugt, indem sie die Botschaft vermittelt: "Nur wenn ich etwas so sage, sage ich es richtig".
Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, befürwortet das Genderverbot. Gleichzeitig machte er darauf aufmerksam, dass in der amtlichen Sprachverwendung immer alle Menschen angesprochen seien. „Es geht um respektvolle Formulierungen, die damit auch gendersensibel sind, ohne es als solche zu markieren“. „Auch das Sternchen kann schließlich ausgrenzend verstanden werden“, sagte Düll.
"Wir haben uns in zahlreichen parlamentarischen Anträgen immer wieder für dieses Ziel eingesetzt", teilte die AfD-Landtagsfraktion mit. "Linksgrüne, genderideologische Schreib- und Sprechvorgaben" würden die Bürger:innen bevormunden. "Diesen Sprach-Sexismus lehnen wir ab." Auch würde das Gendern die Leute auf ihre geschlechtliche Identität reduzieren.
Die Bundesschülerkonferenz dagegen äußert Kritik. Das Genderverbot sei eine “Bevormundung”. Derartige Vorschriften über etwas so persönliches wie die Sprache würden stark in die Freiheit der Schüler:innen eingreifen, so der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Florian Fabricius. “Wie ich mich ausdrücke, wie ich schreibe, wie ich spreche: Das sollte jeder für sich selbst entscheiden". Weiter erklärt er: „Wir sind gegen diese Bevormundung, das gilt sowohl fürs Gendern als auch fürs Nicht-Gendern“. Der Landesschülerrat Bayern teilte auf der Social-Media Plattform X (ehemals Twitter): "Wie Diskursräume in einer Gesellschaft offen gehalten werden durch ein allgemeines Genderverbot ist uns schleierhaft. Der bayerische LSR stellt sich gesammelt gegen das beschlossene #Genderverbot der bayerischen Regierung."
Schon im Februar gab es Proteste wegen des angekündigten Verbots. In einem offenem Brief wandte sich ein Bündnis aus Gewerkschaften, hochschulpolitischen Gruppen, queeren Verbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen an die Fraktionen im Bayerischen Landtag. In der Mitteilung, die sich “gegen eine diskriminierende Sprachzensur” aussprach, hieß es: „Ein Verbot geschlechterinklusiver Schreibweisen mittels Sonderzeichen macht diese Personen unsichtbar, verdrängt sie aus unserer Sprache und diskriminiert sie damit schlussendlich.“
Queer-Beauftragter des Bayerischen Jugendrings (BJR), Patrick Wolf schließt sich dieser Kritik an. "Nicht weniger, sondern mehr Vielfalt wäre ein wichtiges Zeichen in Bayern". Noch am selben Tag stellte der BJR die “HAY”-Studie (How Are You?) vor. Wolf erklärt darin, dass LSBTIQA*-Personen in fast allen Lebensbereichen mit Diskrimminierung und Gewalt Erfahrung machen. "Daher wäre ein sensiblerer und aktueller Umgang mit unserer deutschen Sprache umso wichtiger", bekräftigt er.
Ein Statement zum Thema veröffentlichte auch Dominik Krause (Grüne), Zweiter Bürgermeister der Landeshauptstadt München. "Die CSU entwickelt sich immer mehr zur Verbotspartei. Wir haben in Bayern große Probleme, Herr Söder redet aber häufiger übers #Gendern als über bezahlbare Wohnungen." Er kritisiert den Beschluss und findet: "beim Gendern sollten wir uns mal ein bisschen locker machen. Wer gendern will, soll das machen, wer nicht, lässt es eben."