Lehrkraft nur mit Bachelor: Ist die Unterrichtsqualität gefährdet?

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Lehrkraft sein ist nicht einfach. Dies bekommen Lehramtsstudierende spätestens mit dem Beginn des Referendariats zu spüren. Bekanntlich ist dies mitunter eine der herausforderndsten Zeiten einer Lehrkräfteausbildung. Diese setzt sich gegenwärtig aus einem dreijährigen Bachelor, einem zweijährigen Master oder dem ersten Staatsexamen und einem anschließenden Referendariat zusammen. In der letzten Phase kommt es vor allem darauf an, die im Studium angelesene Theorie in die Praxis umzusetzen. Wenn dies nicht schon durch vorherige Praktika im Verlauf des Studiums geschehen ist. Dadurch werden u.a. tiefere Einblicke in einen realistischen Lehreralltag gewonnen, bestehende Herausforderungen identifiziert und eine persönliche Einschätzung getroffen, wo eine Schwerpunktsetzung notwendig ist. 

Nun könnte es bald zusätzlich zur konventionellen Lehramtsausbildung und den bisherigen Quer- und Seiteneinstieg-Voraussetzungen eine weitere Alternative geben: Bereits mit einem Bachelorabschluss in den Lehrerberuf einsteigen und sich verbeamten lassen. Hintergründe, potenzielle Folgen und Möglichkeiten für ein Self-Assessment für zukünftige Lehrkräfte und/oder Ausbildungsinteressierte diskutieren wir von Lehrer-News im folgenden Artikel. 

Ein Spagat zwischen Qualität und Quantität

Versuche, den akuten Lehrkräftemangel zu kompensieren und die Lehrkräftegewinnung voranzutreiben, variieren von Bundesland zu Bundesland. Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) schlägt nun vor, den Beamtenstatus auch für Absolventen des ersten akademischen Grades zu öffnen. Diese und andere geplanten Maßnahmen, die zur Sicherung der Unterrichtsversorgung dienen sollen, werden voraussichtlich ab dem Schuljahr 2023/24 umgesetzt. Voraussetzung für die Verbeamtung der Bachelor-Seiteneinsteiger:innen bzw. Anerkennung als „Bildungsamtsrätin/Bildungsamtsrat“ wäre eine zusätzliche 18-monatige Qualifizierung auf die eine Abschlussprüfung folgt. Rechtliche Grundlage hierfür bildet das „Gesetz zur Änderung lehrerbildungsrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften“, welche sich aktuell noch im parlamentarischen Verfahren befindet.

Kritiker der neuen Strategie Brandenburgs, dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, diskutieren die absehbaren negativen Folgen, die sich vor allem auf die Qualität des Unterrichts auswirken könnten. Prof. Dr. Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes (DPhV), beschreibt das neue Modell als ´Sparmaßnahme´, welche die Bildungsgerechtigkeit zwischen den Ländern durch die Missachtung der gemeinsamen Qualitätsmaßstäbe aufs Spiel setze. Auch die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN betrachtet dies kritisch. Ihrer Einschätzung nach würde ein solcher Anreiz unter den Lehramtsstudierenden zu vorzeitigen Studienabbrüchen nach dem Bachelor führen. Eine weitere Sorge thematisiert die fehlende Praxisnähe von Studierenden ohne vollständige Lehrkräfteausbildung. Eine frühzeitige Verbeamtung oder gar das Werben mit der Möglichkeit auf den Beamtenstatus, würde eventuell diejenigen anlocken, die entweder nicht gut genug vorbereitet sind oder von vornherein nicht geeignet sind, den Lehrberuf auszuüben.

Kultusministerkonferenz-Präsidentin Astrid-Sabine Busse äußerte sich ebenfalls diesbezüglich in einem Interview mit dem DPhV: Grundsätzlich bekenne sie sich zum „grundständigen Lehramtsstudium“ und sehe keine ähnliche Lösung für Berlin vor. Jedoch betont sie ebenfalls, dass neben der maßgebenden Absicherung der Unterrichtsqualität auf Quer- und Seiteneinsteiger nicht zu verzichten sei und dahingehend auch keine Denkverbote existieren sollten.

Eine Studie aus dem Jahr 2018 untersuchte die Beweggründe zur Berufsentscheidung von deutschen und schweizerischen Lehramtsstudierenden im Vergleich. Unterschieden wurde zwischen intrinsischen und extrinsischen Motiven. Hierbei kam heraus, dass sich die Verbeamtung bzw. das extrinsische Motiv der Arbeitsplatzsicherung zwar nachrangig zu den intrinsischen Motiven („Wunsch nach einer (pädagogischen) Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie fach- und vermittlungsbezogene Interessen“) stünde, allerdings bei Lehramtsabsolventen sowohl im Vergleich mit schweizerischen Studierenden als auch im Vergleich zu anderen Studiengängen stärker ausgeprägt seien. Interessant bleibt, wie sich diese Studienergebnisse mit der Entscheidung Brandenburgs weiterentwickeln. 

Bin ich geeignet?

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Schließlich sind sich viele einig darüber, dass Lehren kein Beruf, sondern eine Berufung ist und die Lehrer-Variable als zentrale Instanz für guten Unterricht gilt. Doch wie findet man heraus, ob man geeignet ist? Dieser Frage hat sich Prof. Dr. Norbert Seibert der Universität Passau gewidmet und resultierend ein Eignungsverfahren speziell für Lehramtsstudierende konzipiert. Für all diejenigen, die sich für den Lehrer:innen-Beruf interessieren, gibt es daher die Möglichkeit freiwillig und kostenlos an einem Assessment Center teilzunehmen. Dadurch soll es Interessenten und neuen Studierenden gelingen, anhand der Kernkompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale für den Lehrberuf und mit Hilfe der Einschätzung eines Experten-Gremiums für sich herauszufinden, ob man diesem Beruf gerecht wird.

Als Fazit ist festzuhalten, dass weiterhin Debatten über Lösungsansätze stattfinden müssen, um dem Lehrermangel entgegenzutreten und zukünftige Lehrkräfte sowie Schüler:innen in der Arbeit im Klassenzimmer zu unterstützen.

Welche Möglichkeiten kann es geben, den Mangel an Lehrkräften zu verringern, ohne die Qualität zu vermindern? Wird sich aus falschen Motiven heraus für den Lehrer:innen-Beruf entschieden? Und wie beurteilt ihr die Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen? Diskutiert gerne in den Kommentaren mit!

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