Sechs Prozent der Minderjährigen sind mediensüchtig: Wie sinnvoll ist ein Handyverbot an Schulen?

Von
Julika Ude
|
31
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July 2024
|
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Kinder schauen auf ihre Handys.

Eine Studie ergibt: Bereits Schulkinder sind süchtig nach sozialen Medien. (Foto: Canva)

Es ist eine Diskussion, die niemals endet: Handyverbot an Schule, ja oder nein? Wenn, dann wie überhaupt ein Verbot durchsetzen? Smartphones sorgen für Probleme zwischen den Schüler:innen untereinander, während des Unterrichts mit den Lehrkräften, und sie sorgen für Konzentrationsschwierigkeiten. Eine Studie zeigt nun: Mehr als sechs Prozent der Minderjährigen sind abhängig von Computerspielen und sozialen Medien. Wäre ein Handyverbot also nur Symptombekämpfung und sollte man besser die Ursache des übermäßigen Handykonsums bekämpfen?

Ein eigenes Handy, das Zugang zu sozialen Medien und Co. verschafft, besitzen Kinder im Jahr 2022 bereits in fast jedem Alter. Während es unter 6- bis 9-Jährigen noch 21 Prozent der Kinder sind, die ein eigenes Gerät besitzen, steigt diese Zahl mit zunehmendem Alter stark an. Unter den 10- bis 12-Jährigen haben bereits 86 Prozent ein eigenes Handy, unter den 13- bis 15-Jährigen sind es 95 Prozent.

Auch die Zahlen derer, die nach ihren Geräten – oder vielmehr nach den darauf verfügbaren Möglichkeiten – süchtig sind, sind enorm. Seit 2010, dem Jahr, in dem das erste Smartphone auf den Markt kam, ist die Tendenz mediensüchtiger Kinder steigend. Laut einer Studie der DAK-Krankenkasse und des UKE-Hamburg hat sich die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen in der Zeit der Corona-Pandemie verdoppelt.

Die Studie basiert auf einem Vergleich der digitalen Mediennutzung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern in bundesweit 1.200 Familien an fünf Messzeitpunkten innerhalb von vier Jahren bis 2023. Die Studienergebnisse stuft der DAK-Vorstandschef Andreas Storm als “alarmierende Entwicklung” ein. Die aktuellen Zahlen zeigen: Rund 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche nutzen Gaming, Social Media oder Streaming problematisch. Das bedeutet, sie sind suchtgefährdet oder bereits süchtig. 

600.000 Jungen und Mädchen sind mediensüchtig

Laut der Studie ist die Nutzung von Social-Media-fähigen Geräten nach einer starken Zunahme im ersten Corona-Lockdown im April 2020 zunächst wieder zurückgegangen. Im Juni 2022 allerdings maßen die Nutzungszeiten an Werktagen höher als im September 2019 vor der Pandemie. Die Nutzung der sozialen Medien stieg um 35,5 Prozent an: Vor der Pandemie waren es 121 Minuten, hinterher 164 Minuten täglich.

Die Studie zeigt außerdem, dass zum Ende des Studienzeitraums mehr als sechs Prozent der Minderjährigen abhängig von Computerspielen und sozialen Medien waren. Das heißt dass, über 600.000 Jungen und Mädchen weisen ein pathologisches Nutzungsverhalten auf. Jungen seien zudem häufiger von Suchtverhalten betroffen. Dies zeigt sich besonders im Bereich Gaming. So zeigen 18,1 Prozent der Kinder eine problematische Nutzung digitaler Spiele. Davon sind 68,4 Prozent Jungen. Die problematische Nutzung der sozialen Medien ist über die untersuchten Geschlechter hinweg gleichmäßiger. 52,1 Prozent der Jungen und 47,9 Prozent der befragten Mädchen weisen eine solche Nutzung auf. Ebenso zeigt die Studie, dass besonders ältere Jugendliche deutlich häufiger eine Abhängigkeit von Sozialen Medien zeigen.

Eine übermäßige Mediennutzung ruft nicht nur körperliche Beschwerden bei Kindern hervor, der ständige Drang nach dem Handy zu greifen beeinträchtigt auch die Konzentrationsfähigkeit und somit das Lernen innerhalb und außerhalb der Schule. Nun wird das Gefühl des Kindes, ohne Handy nicht zu können, in der Schule auch zunehmend zum Problem der Lehrkraft. Eine frühere Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule berichtet gegenüber der Frankfurter Allgemeinen von ihren Erfahrungen, als sie einem Jungen sein Smartphone wegnehmen wollte, weil er heimlich damit gespielt hatte. Das Kind sei so aggressiv geworden, dass sie andere Lehrer:innen zur Unterstützung holen musste.

“Jetzt ist es wichtiger denn je, Prävention zu stärken.” 

Laut Psychologe Sven Lindberg sei der Drang, das Handy zu nutzen, sobald man es dabei hat, nicht nur ein Phänomen, das bei Kindern auftritt. Führe man sein Smartphone mit sich, so führe man gleichzeitig immer auch die unendlich vielen Reize und Möglichkeiten das Handy zu nutzen mit sich. Die Aufgabe des Gehirns, diese Möglichkeit nicht wahrzunehmen und das Handy nicht zu nutzen, lenke ab und führe zu Konzentrationsschwierigkeiten.

Um den Kindergehirnen diese Ablenkung zumindest während des Unterrichts zu ersparen, haben einige Schulen Regelungen zu einer eingeschränkten Handynutzung durchgesetzt und beispielsweise Handyfreie-Zonen eingerichtet. Da die Länder Schulen offen gestellt haben, eine eigene Regelung bezüglich des Umgangs mit Mobiltelefonen zu finden, herrscht in Deutschland diesbezüglich noch keine Einheitlichkeit und die Diskussionen um die beste Handhabung kommt immer wieder auf.

Dabei sollte neben dem Symptom, der ständigen Nutzung des Handys in der Schule, auch die Ursache bekämpft und die Frage debattiert werden: Wie kann man Kinder und Jugendliche im Umgang mit Smartphones und Sozialen Medien schulen und vor der ihr innewohnenden Suchtgefahr schützen? Das unterstützt auch Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ): „Jetzt ist es wichtiger denn je, die Prävention zu stärken, allen voran im schulischen Bereich.“

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