In Bayern und Hessen werden am 8. Oktober 2023 neue Landtage gewählt. Viele wichtige Themen müssen besprochen werden und eines davon steht bei Lehrkräften und Eltern natürlich ganz oben auf der Liste: Bildung. Der Lehrkräftemangel gilt als eine der größten Herausforderungen im Schuljahr 2023/24. Was haben die Parteien in der Bildung vor, wie unterscheiden sich die Programme, welche Bildungsthemen sind besonders wichtig im Wahlkampf und wie sieht es mit möglichen Koalitionsoptionen aus? Lehrer News wirft für euch heute einen bildungspolitischen Blick auf die kommenden Wahlen!
Fangen wir in Hessen an. Klarheit besteht bei den politischen Top-Themen. Hier hat für die Menschen in Hessen die Bildungspolitik stark an Bedeutung gewonnen. Es ist das wichtigste politische Problem in Hessen, das vordringlich gelöst werden muss. Wo liegen im Einzelnen die größten Herausforderungen, die einem guten Bildungssystem im Wege stehen?
Doch zunächst einmal ein Überblick. In der untenstehenden Tabelle haben wir die Positionen der Parteien zu den wichtigsten Bildungsthemen in Hessen für euch erfasst:
Der Lehrkräftemangel scheint in Hessen ein Kernproblem zu sein, das die Politik bisher nicht in den Griff bekommt. Die Opposition kritisiert Hessens Bildungspolitik stark und prangert zu wenig Lehrer:innen, zu langsame Digitalisierung und marode Schulen an. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 1000 Lehrkräfte fehlen, rund 10.000 Stellen sind mit Quereinsteiger:innen und Vertretungskräften besetzt. Mehr Plätze und bessere Qualität für Krippen und Kitas fordern mehr oder weniger alle großen Parteien. Die CDU sieht beim vorhandenen Personal an Schulen keinen großen Handlungsbedarf.Einstiegshürden für Neueinstellungen, Quereinsteiger:innen oder zuziehende Lehrkräfte sollten jedoch laut der CDU verringert werden. Im Gegensatz dazu sieht die SPD auch Defizite beim vorhandenen Personal und möchte diese beenden. Dafür sollen unter anderem der berufsbegleitende Quereinstieg massiv ausgebaut und finanzielle Anreize geschaffen werden, beispielsweise durch ein Stipendienprogramm für Mangelfächer. Die SPD möchte kostenfreie Bildung von der Krabbelgruppe bis zum Meister oder Master garantieren.
Beim Thema Digitalisierung geht es in der Praxis eher schleppend voran. Ein erheblicher Teil der Lehrkräfte tut sich schwer mit der Umsetzung von digitalen Konzepten und Methoden, dabei fehlt es allenthalben an Unterstützung durch die Institutionen. Nicht gelöst ist die Frage, wie Schüler:innen mit Endgeräten ausgestattet werden. Die hessische Landesregierung geht davon aus, dass die Mehrzahl ihre Geräte selbst zahlt. Die CDU möchte Kindern ab der siebten Klasse eine Möglichkeit geben, mit einem digitalen Endgerät zu lernen, allerdings nicht lernmittelfrei. Die Grünen stellen sich wiederum ein Mietkaufmodell vor, für bedürftige Schüler:innen sollen genügend kostenlose Endgeräte zur Verfügung stehen. Die FDP will die digitale Bildung schon in der Kita stärker etablieren. In der Schule sollen alle Schüler künftig statt mit Schulbüchern nur noch mit einem Tablet zum Unterricht gehen können. Informatik-Unterricht soll flächendeckend in der Sekundarstufe I verpflichtend sein, inhaltlich will die FDP die MINT-Förderung im Unterricht stärken. Sie möchte Schüler:innen zu mehr Wirtschafts- und Finanzkompetenz verhelfen. Die CDU will ebenfalls bei den Schulfächern nachsteuern: Im Fach Politik und Wirtschaft soll mehr auf Praxisnähe geachtet werden, es soll mehr Informatik-Unterricht geben und ein neues Fach „Digitale Welt“ eingeführt werden. Beim Thema Religionsunterricht ist die hessische AfD für einen christlichen Religions- und einen neutralen Ethikunterricht. Ausdrücklich spricht sie sich gegen einen bekenntnisorientierten Islamunterricht aus. Die Grünen wollen weg von klassischen Klassenarbeiten und Noten und fordern die Durchsetzung von Entwicklungsberichten bis zur dritten Klasse. Ethikunterricht, in dem verschiedene Weltanschauungen betrachtet werden, sollte aus Sicht der Grünen verpflichtend für alle sein.
Die Befragungsergebnisse zur schulischen Inklusion, die der Ausschuss der Vereinten Nationen (UN) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention veröffentlicht hat bestätigen die Befürchtungen: Auch die Inklusion in Hessen stockt. Es fehlen multiprofessionelle Teams von Fachkräften, Räume für differenziertes Lernen, inklusive Lernmaterialien und eine entsprechende Vorbereitung der Lehrkräfte in der Aus- und Fortbildung. Die Grünen wollen in Kita und Krippe mehr Plätze und 50 zusätzliche Familienzentren schaffen. In der Schule legen die Grünen großen Wert darauf, dass alle gemeinsam lernen. Anders als die anderen Parteien wollen die Grünen zusätzlich zur Inklusion an der Regelschule auch prüfen, ob Förderschulen für Kinder ohne Beeinträchtigungen geöffnet werden können. Schulbauten sind häufig in einem bedenklichen Zustand. Der Sanierungsstau liegt bei etwa fünf Milliarden Euro, wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft belegt. Ganztagsschulen gibt es kaum, jedenfalls solche, die tatsächlich in rhythmisierter Form den Wechsel von Unterricht und Freizeit- bzw. Betreuungszeiten auch über den Nachmittag hinweg anbieten. Die SPD möchte längeres gemeinsames Lernen und sie setzt sich für echte Ganztagsschulen ein. Den Grünen ist es ebenso wichtig, Ganztagsschulen zu fördern.
Nach aktuellen Umfragen liegt die hessische SPD deutlich hinter der CDU, die seit 2014 in einer Koalition mit den Grünen regiert. Um Platz zwei dürften sich demnach Grüne und SPD streiten. Die Grünen lagen zuletzt knapp unter ihrem Ergebnis von 2018. Viertstärkste Kraft in Hessen dürfte die AfD werden. Am meisten zulegen könnten die CDU und die AfD. Ähnlich wie in Bayern verliert die FDP auch in Hessen an Zustimmung und muss um den Wiedereinzug in den Wiesbadener Landtag zittern. Eines ist jetzt schon so gut wie ausgemacht: Für einen Alleingang wird es bei Weitem nicht reichen. Mit 31 Prozent hält die CDU derzeit SPD (18 Prozent) und Grüne (17 Prozent) deutlich auf Distanz. Es ist jedoch nicht ausgemacht, dass die stärkste Fraktion auch den Regierungschef stellt – auch wenn dies meistens so ist. In Hessen muss die Union mit einer Wendung in Form einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP rechnen. Eine schwarz-grüne Koalition stellt momentan jedoch die wahrscheinlichste Variante für den Ausgang der Wahl dar. Neben dieser Option wäre im Moment ebenso ein früher große Koalition genanntes Bündnis aus CDU und SPD rechnerisch möglich.
Sonntagsfrage zur Landtagswahl in Hessen im September 2023 (Quelle: Statista)
Auch im Freistaat ist die Mängelliste bezüglich der großen Probleme in den Schulen lang. Aber: In Bayern bewerten die Menschen ihre Schulen noch am besten, wie eine Sonderauswertung des „Bildungsbarometers“ vom Münchener ifo-Institut ergeben hat. In Bayern vergeben 41 Prozent die Noten 1 oder 2 für ihre Schulen. Bei den Detailfragen nach den Problemfeldern Lehrermangel, unzureichend sanierte Schulgebäude und Lernrückstände schnitt Bayern jedes Mal am besten ab. Selbst dort halten aber 74 Prozent den Lehrermangel für ein ernsthaftes Problem. Die Bevölkerung sieht ebenfalls mehrheitlich Schulen als ein träges System, in dem Veränderungen zu lange dauern. Fehlende finanzielle Mittel für Schulen, fehlende Chancengleichheit und unzureichende Digitalisierung sind auch in Bayern weitere Probleme. 47 Prozent betrachten den Zustand der Schulgebäude als kritisch. Nach der Auswertung des Bildungsbarometers ist die Zufriedenheit seit 2014 insgesamt deutlich gesunken. Bildungspolitik sei für die große Mehrheit der Befragten wichtig für die persönliche Entscheidung bei Landtagswahlen, für 78 Prozent der Bayern ist sie sehr oder eher wichtig.
In der folgenden Tabelle möchten wir euch auch für Bayern einen Überblick zu den wichtigsten Bildungsthemen und Strategien der Parteien verschaffen, die im Wahlkampf und darüber hinaus in der nächsten Legislaturperiode die Bildungspolitik im Land bestimmen werden:
Die meisten Parteien betonen in ihren Wahlprogrammen den Stellenwert qualitativ hochwertiger Schulbildung. Doch während die einen im Grunde mit dem Status quo ganz zufrieden sind, wollen die anderen grundlegende Änderungen.
Die CSU möchte an vielen Aspekten im Bildungssystem festhalten. Sie steht für das Beibehalten des gegliederten Schulsystems ebenso wie ausschließlich für die altbewährten Unterrichtsfächer, dem Lernen in der Klasse und dem Prinzip der Leistungsbewertung durch Noten. Alle Schüler:innen sollen bis 2028 Tablets bekommen. Wie das den Unterricht verbessern soll, steht nicht im Programm. Zudem soll es 8000 neue Stellen für Lehrkräfte, Verwaltungskräfte, Sozialpädagogen und Schulpsychologen geben.
Die Freien Wähler möchten das dreigliedrige Schulsystem wie Schulstandorte beibehalten. Lehrpläne seien kritisch zu überprüfen, etwaige Kürzungen für Wiederholungen in den Kernfächern und praxisnahe Unterrichtsfächer zu nutzen. Vor allem Mittelschulen als Wegbereiter der dualen Ausbildung sollen besonders gestärkt werden. Die freien Wähler möchten Wirtschaftsschulen ab der fünften Klasse einführen.
Die Grünen wollen demgegenüber grundlegende Änderungen: Sie streben an, dass der Nachwuchs länger gemeinsam lernt und an derselben Schule unterschiedliche Abschlüsse machen kann. Schulen sollen auf die Vergabe von Ziffernnoten verzichten und stattdessen alternative Formen der Leistungsbeurteilung verwenden können. Jede Schule soll genug pädagogische, sonderpädagogische und psychologische Fachkräfte (multiprofessionelle Teams) bekommen. Ganztagsbildung soll es auch an den weiterführenden Schulen geben. Alle Kinder sollen ein digitales Endgerät bekommen, Inklusion und Integration gestärkt werden.
Die SPD will zusätzlich zu den bisherigen Schularten die Gemeinschaftsschule einführen. Bis dahin soll die Entscheidung über die Schullaufbahn in die Hände von Eltern und Lehrkräften gegeben und das Übertrittszeugnis abgeschafft werden. Es soll einen Rechtsanspruch auf einen gebundenen Ganztag auch an den weiterführenden Schulen geben, Bildung soll von der Kita bis zum Meister inklusive aller Lernmittel kostenlos sein – auch bei digitalen Endgeräten. Schulen mit mehr sozial Benachteiligten und in strukturschwachen Regionen sollen personell und materiell besser ausgestattet werden.
Die AfD will Mittelschulen stärken, um die Grundlagen für eine erfolgreiche Ausbildung zu vermitteln, der Anteil der Gymnasiasten soll hingegen gesenkt werden. In der Schulunterrichtsentwicklung setzt die AfD vor allem auf populistische Ressentiments. So soll „jegliche Frühsexualisierung verhindert werden“, sagt AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner. Zudem müssten Kinder vor der „zerstörerischen Gender-Ideologie“ geschützt werden.
Die FDP setzt auf Bildungsgutscheine, wodurch Schulen je Schüler einen Pauschalbetrag bekommen sollen, um passgenaue Bildungsangebote zu schaffen. Staatliche Vorschriften sollen mindestens halbiert und Lehrpläne entschlackt werden. Es soll einen Rechtsanspruch auf ein hochwertiges Ganztagsangebot bis zur sechsten Klasse und für jeden ein digitales Endgerät geben. Die Medienkompetenz soll ab der Grundschule gefördert werden.
Die CSU liegt in Bayern wenige Tage vor der Wahl klar auf Platz eins und kommt laut Umfragen ungefähr auf das Ergebnis von 2018. Deutlich hinzugewonnen haben die Freien Wähler. Auch die AfD kann auf ein besseres Ergebnis als 2018 hoffen. Die FDP muss hingegen um den Wiedereinzug in den Landtag bangen.
Demnach könnte Markus Söder (CSU) wie angekündigt die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen. Auch eine Koalition mit den Grünen wäre möglich. Diese hat Söder allerdings kategorisch ausgeschlossen. Mit der AfD will keine derzeit im Landtag vertretene Partei koalieren.